Unechte Unterlassungsdelikte

Die Strafbarkeit wird gem. § 13 StGB bei unechten Unterlassungsdelikten dadurch begründet, dass eine Erfolgsabwendung unterlassen wird, obwohl der Täter rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt.

Die Pflicht, eine Rechtsgutsverletzung oder -gefährdung abzuwenden, nennt man Garantenstellung. Sie kann sich aus gesetzlich nicht geregelten, aber anerkannten Umständen ergeben, die sich wie folgt systematisieren lassen.

 

Beschützergaranten und Überwachergaranten

Es wird grundsätzlich eine Abgrenzung nach der Funktion der Handlungspflichten vorgenommen, also ob jemand zur Beschützung eines Rechtsguts verpflichtet ist oder zur Überwachung. Daraus ergeben sich verschiedene Fallgruppen, die sich jeweils den Beschützergaranten und den Überwachergaranten zuordnen lassen.

Beschützergaranten haben aufgrund einer Obhutspflicht dafür Sorge zu tragen, dass ein Rechtsgut nicht verletzt wir (auch: Obhutsgarant).

Überwachergaranten sind für eine bestimmte Gefahrenquelle verantwortlich und haben Verletzungen Dritter dadurch abzuwenden.

 

Fallgruppen von Beschützergaranten

Die Beschützergarantenstellung ist durch ein persönliches Vertrauen zwischen dem zu Beschützenden und dem Garanten geprägt. Im Folgenden werden verschiedene Fallgruppen von Beschützergaranten kurz und übersichtlich erläutert:
 


1) Garantenstellung aus enger persönlicher Verbundenheit

Besteht zum Beispiel zwischen engen Familienangehörigen, beispielsweise Ehegatten, Verwandten gerader Linie sowie Geschwistern und Verlobten, vgl. §§ 1353 ff., 1626, 1631 BGB. Die Garantstellung ergibt sich hier aufgrund der persönlichen Verbundenheit, nicht aufgrund Gesetzes. Ob eine Garantenstellung auch eine tatsächlich intakte zwischenmenschliche Beziehung voraussetzt, oder unter jeden Umständen zwischen Verwandten und Eheleuten zu bejahen ist, ist umstritten und hängt vom Einzelfall ab.



2) Garantenstellung aufgrund enger Gefahr- oder Lebensgemeinschaft

Auch diese Garantenstellung ergibt sich aus einer Gemeinschaft, aus der ein Vertrauensverhältnis erwächst, welches gegenseitige Hilfeleistung bei Gefahren garantiert. Darunter können fallen Bergsteigergruppen oder Segler, aber auch eheähnliche Lebensgemeinschaften. Zufallsgemeinschaften sind nicht erfasst.

 

3) Garantenstellung aus Vertrag

Garantenstellungen können sich ebenso aus Vertrag ergeben, da mit dem Vertragsschluss auch ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet wird.

 

4) Garantenstellung aus tatsächlicher Übernahme

Wenn aufgrund tatsächlicher Umstände die Schutz- und Beistandspflichten für ein Rechtsgut übernommen werden, kann sich auch hieraus eine Garantenstellung ergeben. Hierbei ergibt sich nicht aufgrund zivilrechtlicher Übernahme die Garantenstellung, sondern aufgrund faktischer Übernahme. Das gilt beispielsweise für Babysitter. Bei der Hilfeleistung in Not Geratener ist eine Garantenstellung aufgrund tatsächlicher Übernahme von Schutzpflichten nicht schon deswegen zu bejahen, weil Hilfe geleistet wurde. Vielmehr muss durch die Hilfehandlung zum Nachteil des Betroffenen eine Einwirkung anderer potentieller Helfer ausgeschlossen worden sein, sodass der Betroffene auf den Schutz durch den Helfer angewiesen ist.


 

Fallgruppen von Überwachergaranten

Allen Überwachergaranten ist gemein, dass sie eine bestimmte Gefahrenquelle beherrschen und daher dazu verpflichtet sind, die Allgemeinheit vor Gefahren zu schützen, die von seiten dieser Gefahrenquelle drohen.



1) Garantenstellung aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz)

Die Gefahrenquelle bei Ingerenz ist der sich pflichtwidrig verhaltende Täter selbst, der durch ein dem Unterlassen vorangegangenes Verhalten eine konkrete Gefahr für Rechtsgüter Dritter geschaffen hat. Aufgrund seines Vorverhaltens ist er nun verpflichtet, Rettungsmaßnahmen zu ergreifen, die den Erfolgseintritt abwenden.

Der Täter muss dann gerade die Gefahr geschaffen haben, die sich in dem Erfolg, den es abzuwenden gilt, droht zu realisieren.

Strittig ist, ob das Vorverhalten rechtswidrig sein muss. Dazu gibt es verschiedene Ansichten.

Nach einer Ansicht soll die Verursachung einer in Bezug auf den abzuwendenden Erfolg nahe und adäquate Gefahr durch den Täter ausreichen. Dass das Vorverhalten pflichtwidrig ist, sei demnach nicht erforderlich.
Dies würde allerdings zu einer uferlosen Ausdehnung der Garantenstellung führen.

Nach anderer Auffassung müsse das Vorverhalten in Bezug auf die verursachte Gefahr pflichtwidrig sein. Ein rechtmäßiges Vorverhalten als ausreichend für die Begründung einer Garantenstellung anzusehen, würde zu Widersprüchen führen, weil dann der Täter, der beim gerechtfertigten Vorverhalten gerade nicht die Kausalkette für den Erfolgseintritt in Gang gesetzt hat und die Gefahr nicht verursacht hat, für die Abwendung des Erfolges einzustehen hätte. 

 

2) Garantenstellung aus Verkehrssicherungspflichten

Wer die Herrschaft über Anlagen, Einrichtungen oder Sachen hat, soll verpflichtet sein, Gefahren abzuwenden, die aus dem Betrieb oder dem Zustand derselben erwachsen. Beispiele sind KFZ-Halter, Hundehalter und Hauseigentümer, aber auch Veranstalter.

 

3) Garantenstellung aus Aufsichtspflicht

Wer ein minderjähriges Kind in Obhut hat, hat nicht nur eine Beschützergarantenstellung inne, sondern auch eine solche als Überwachergarant.  So haben beispielsweise Eltern dafür zu sorgen, dass ihren Kindern nichts zustößt (Beschützergarant), als auch dafür, dass Dritten durch ihre Kinder keine Gefahren drohen (Überwachergarant).


Repetitorentipp: „Eine Abgrenzung zwischen den verschiedenen Garantenstellungen sollte zwar erfolgen, aber nicht zu tiefgreifend sein!“


Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

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