Wenn ein Verwaltungsaktsadressat bei der Behörde Widerpsruch gegen den Ausgangsbescheid einlegt und die Behörde den Ausgangsbescheid daraufhin ändert / „verbösert“, sodass die Änderung letztlich zulasten des Widersprechenden geht, spricht man von einer sog. reformatio in peius (dt.: Verböserung / Verschlechterung).


Die zentrale Frage ist, ob die reformatio in peius zulässig ist. 


Eine Meinung / h.M. 

Zum einen könnte man von der Zulässigkeit der reformatio in peius ausgehen und diese darauf stützen, dass im Grundsatz von Art. 20 III GG die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung geregelt ist und dieser aufgrund seiner Stellung im Grundgesetz einen hohen Rang hat. Die Verwaltung ist danach an Recht und Gesetz gebunden und es besteht laut VwGO kein Verbot, im Widerspruchsverfahren die Entscheidung zum schlechteren zu verändern.

In § 79 II VwGO wird sogar die Möglichkeit der Verböserung nahegelegt. Zudem hat der Adressat ja selber Widerspruch erhoben und damit das Eintreten der Bestandskraft verhindert.

Nicht zuletzt ist es auch Sinn und Zweck des Widerspruchverfahrens, den Widerspruch zu kontrollieren, vgl. § 68 I 1 VwGO.

 

Andere Meinung / Mindermeinung 

Gleichermaßen könnte man die reformatio in peius als unzulässig ansehen, und zwar mit dem Argument, dass der Rechtsschutz und Vertrauensschutz des Bürgers sonst geschwächt würde. Wenn der Bürger sich fürchten muss, dass sich der an ihn adressierte Ausgangsbescheid zu seinen Lasten verändert, wenn er von seinem Rechtsmittel Gebrauch macht, könnte er sich daran gehindert sehen, sich seiner Rechte überhaupt zu bedienen, sich also gegen eine unliebsame Behördenentscheidung zu wehren.

Weiterhin ist die reformatio in peius auch in Berufung und Revision unzulässig (§ 129 VwGO), deshalb müsse sie erst Recht auch im Widerspruchsverfahren unzulässig sein.

 

Grenzen der reformatio in peius 

Eine Verböserung ist jedoch, wenn man  mit der h.M. von dessen Zulässigkeit ausgeht, nicht ohne Schranken möglich. Sie soll nur dann zulässig sein, wenn der angefochtene Bescheid verschärft oder eine bereits gewährte Begünstigung ganz oder teilweise wieder aufgehoben wird. Die Verböserung ist aber dann unzulässig, wenn die Widerspruchsbehörde eine völlig andere Entscheidung in dem Widerspruchsbescheid erlässt oder die ursprüngliche Entscheidung eine völlig andere Begründung bekommt. 

 

Rechtsgrundlage der reformatio in peius?

Als Rechtsgrundlage könnten die §§ 48, 49 VwVfG herangezogen werden, wenn man die reformatio in peius als eine teilweise Aufhebung des ursprünglich erlassenen Bescheids ansieht. Es könnte auch der Ausgangsbescheid die Rechtsgrundlage für den Verböserungsbescheid sein, da das Widerspruchsverfahren ja der Selbstkontrolle der Verwaltung dienen soll und Gegenstand der Kontrolle eben der ursprünglich erlassene Bescheid ist.

Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

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