Die verschiedenen Arten der Unmöglichkeit

08.11.2024 | von Florian Bieker




Viele denken bei der Frage nach Unmöglichkeit der Leistung sofort an § 275 I BGB, was auch nicht verkehrt ist. Allerdings gibt es noch andere Arten der Unmöglichkeit, welche nicht mit den sog. Zweckstörungen verwechselt werden dürfen. Vorab sei u.a. auf die praktische Unmöglichkeit nach § 275 II BGB, die persönliche Unmöglichkeit nach § 275 III BGB oder auf die teilweise Unmöglichkeit hingewiesen. Diese Arten der Unmöglichkeit sind einigen wahrscheinlich nicht so geläufig, wie der regelmäßige Fall der Unmöglichkeit nach § 275 I BGB. Aber auch im Rahmen von § 275 I BGB lässt sich zwischen der subjektiven und objektiven Unmöglichkeit differenzieren, sodass sich ein Blick in das Unmöglichkeitsrecht mehr als lohnt. Nicht nur der gesetzliche Anknüpfungspunkt der jeweiligen Arten der Unmöglichkeit variiert, sondern auch deren Prüfungsstandort im Gutachten. Um den Horizont in dem Bereich des Unmöglichkeitsrechts zu erweitern, wird sich in diesem Blogbeitrag näher mit diesem examensrelevanten Thema für Dich beschäftigt.
 

Die Bedeutung der Unmöglichkeit in der Klausur

Jeder Examenskandidat muss die Unmöglichkeit aus dem Bereich Schuldrecht AT beherrschen. Die grundlegenden Fragen des Unmöglichkeitsrechts können die entscheidende Weichenstellungen bei der Anspruchsgrundlage stellen. Handelt es sich um anfängliche Unmöglichkeit ist § 311a BGB heranzuziehen, bei nachträglicher Unmöglichkeit dagegen §§ 280 I, III, 283 BGB. Ihre Kenntnis ist elementar, um im Examen auch unbekannte Sachverhalte in den Griff zu bekommen. Außerdem
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher das Wichtigste zu dem Themenkreis Unmöglichkeit aus dem Schuldrecht AT näherbringen.

Die Unmöglichkeit

1. Allgemeines

Die Unmöglichkeit ist in § 275 I-III BGB geregelt. Hier ist im Rahmen einer Klausur den entsprechenden Absatz heranzuziehen. Absatz 4 gibt einen Überblick über die Rechte des Gläubigers bei Vorliegen einer Unmöglichkeit und stellt eine wichtige Gedächtnisstütze dar. Beispielsweise hat der Gläubiger Schadensersatzansprüche nach § 311a II 1 BGB oder §§ 280 I, III, 283 BGB. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Vertragsschluss. Liegt die Unmöglichkeit bereits bei Vertragsschluss vor, so handelt es sich um anfängliche Möglichkeit. Liegt die Unmöglichkeit dagegen erst nach Vertragsschluss vor, so handelt es sich um sog. nachträgliche Unmöglichkeit. Darüber hinaus ist die Unmöglichkeit in gewissen Formen der Zweckstörungen denkbar und muss von der sog. Zweckvereitelung abgegrenzt werden.

2. Unmöglichkeit nach § 275 I BGB

Nach § 275 I BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Unmöglichkeit liegt demnach bei dauerhafter Nichterbringbarkeit des Leistungserfolgs vor. Ferner ist zwischen objektiver und subjektiver Unmöglichkeit zu differenzieren. Objektive Unmöglichkeit liegt dann vor, wenn die Leistung für jedermann unmöglich ist. Bestes Beispiel in dem Zusammenhang ist das Abbrennen des verkauften Autos wegen Blitzeinschlag oder Brandlegung. Subjektive Unmöglichkeit ist dann gegeben, wenn dem Schuldner die Leistungserbringung unmöglich ist, was z.B. dann der Fall ist, wenn die verkaufte Sache dem Schuldner gestohlen wurde und der Dieb nicht auffindbar ist oder wenn die versprochene Sache an einen Dritten verkauft und veräußert wurde und dieser nicht zur Herausgabe der Sache bereit ist. Bei der Unmöglichkeit nach § 275 I BGB handelt es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung, welche auf der Ebene Anspruch erloschen geprüft wird.

3. Unmöglichkeit nach § 275 II BGB

Nach § 275 II 1 BGB kann der Schuldner die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Hierbei handelt es sich um Unterschied zu § 275 I BGB nicht um eine rechtsvernichtende Einwendung, sondern um eine rechtshemmende Einrede, welche demnach auf der Ebene Anspruch durchsetzbar geprüft. Bei dieser sog. praktischen Unmöglichkeit ist die Leistung grundsätzlich noch möglich, aber der Aufwand hierzu außer Verhältnis des Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bekanntestes Beispiel ist hier wohl die versprochene Kette, die dem Schuldner bei einer Schiffsfahrt auf den Meeresgrund des Mittelmeers fällt. Hier ist es grundsätzlich möglich, dass die Kette geborgen wird, was jedoch Kosten in exorbitanter Höhe verursachen würde, sodass dies außer Verhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Abzugrenzen ist hierbei von den Fällen, in denen das Leistungsinteresse des Gläubigers ebenfalls mit dem Leistungsaufwand des Schuldners ansteigt, was beispielsweise bei Coronafällen derart gegeben ist, dass irgendein verkauftes Produkt vor Corona viel günstiger als nach Corona, aber der Gläubiger es auch nirgendwo anders günstiger bekommt. Dies führt nicht zur Anwendung des § 275 II BGB, sondern zur Vertragsanpassung nach § 313 I BGB. Bei § 275 II BGB steigt nur der Leistungsaufwand des Schuldners.

4. Unmöglichkeit nach § 275 III BGB

Demnach kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Gutes Beispiel in diesem Bereich ist unter anderem der Arbeitnehmer, der aufgrund von Wehrdienst ins Ausland versetzt wird und seine Arbeit nicht verrichten kann.

5. Zweckstörungen

Grundsätzlich lassen sich zwei Zweckstörungen unterscheiden. Zum einen Zweckerreichung und zum anderen der Zweckfortfall, welche ebenfalls einen Fall der Unmöglichkeit nach § 275 I BGB darstellen. Zweckerreichung bedeutet, dass der Leistungserfolg bereits ohne Zutun des Schuldners eingetreten ist. Einprägsames Beispiel ist hier wohl der Patient, der gesundet, bevor Maßnahmen des Arztes nötig sind. Zweckfortfall meint, dass der Leistungserfolg nicht mehr eintreten kann, weil das Leistungssubstrat wegfällt. Bei einem zu behandelnden Tier kann die versprochene Leistung nicht mehr erbracht werden, wenn dieses bereits an der Erkrankung stirbt, sodass der Erbringung des Leistungserfolgs dauerhaft unmöglich ist. Davon zu unterscheiden ist die sog. Zweckvereitelung, welche keinen Fall der Unmöglichkeit darstellt. Hier ist der Leistungserfolg grundsätzlich noch möglich, aber der Gläubiger hat an dem Leistungserfolg kein Interesse mehr. Gutes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die gebuchte Busfahrt zu einem Fußballspiel, die keinen Sinn mehr macht, weil das Fußballspiel abgesagt wurde. Hier greift nicht § 275 I BGB, sondern § 313 I BGB.

6. Fixgeschäfte

Auch Fixgeschäfte können ein Fall der Unmöglichkeit darstellen, wenn es sich um ein sog. absolutes Fixgeschäft handelt. Hier kann der Leistungserfolg nicht nachgeholt werden, sondern muss zu einem bestimmten Zeitpunkt erbracht werden und kann bei späterer Leistung nicht mehr als Erfüllung gewertet werden. Gutes Beispiel ist in dem Zusammenhang die versprochene Lieferung vom Weihnachtsbaum am 24.12. Abzugrenzen ist das absolute Fixgeschäft vom relativen Fixgeschäft. Bei dem relativen Fixgeschäft ist die Nachholung der Leistung noch möglich, wie beispielsweise bei einem ausgefallenen Flug in den Urlaub. In derartigen Konstellationen ist keine Unmöglichkeit des Leistungserfolgs gegeben.

7. Sonderfall teilweise unmöglich

Auch teilweise kann die Erbringung eines Leistungserfolgs unmöglich sein, wenn die Leistung an sich teilbar ist. Hier ist als Beispiel unter anderem, dass 5-teilige Kaffeeset anzuführen, wovon 2 Teile wegen Zerstörung nicht geliefert werden können. Anders ist das zu beurteilen, wenn es sich um eine zwar an sich teilbar ist, aber es sich um eine zusammenhängende Sache handelt, welche nur vollständig geleistet und als Leistungserfolg gewertet werden kann, wie beispielsweise bei einem 12-bändigen Lexikon.

8. Sonderfall rechtliche Unmöglichkeit

Bei der rechtlichen Unmöglichkeit kann der Leistungserfolg aus rechtlichen Gründen nicht eintreten. Schließen die Vertragsparteien einen Kaufvertrag über eine dem Schuldner nicht gehörende Sache, kann der Verkäufer den Leistungserfolg Übereignung nicht erbringen, weil er nicht Eigentümer ist.

Fazit zur Unmöglichkeit

Wie man gesehen hat, gibt es noch viele verschiedene Formen der Unmöglichkeit, wenn man den Blick mal von der gängigen Unmöglichkeitsvorschrift § 275 I BGB löst. Auch mit derartigen Konstellationen lassen sich einige weniger typische Unmöglichkeitsklausuren konstruieren. Die herausragende Bedeutung der juristischen Grundlagen des Unmöglichkeitsrecht sollte jedem Studenten und Referendar bewusst sein.
Insbesondere sollte bekannt sein, dass es noch eine Reihe von weiteren Unmöglichkeitsfällen gibt. Daneben sollte man sich die Abgrenzung von absolutem und relativem Fixgeschäft vergegenwärtigen. Nur das absolute Fixgeschäft führt zu einem Fall der Unmöglichkeit.
Solltet Ihr Euch im Unmöglichkeitsrecht noch nicht examensreif fühlen, vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin. Unsere erfahrenen Dozenten der Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite

Florian Bieker
 


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