Was sind die „Normalfälle“ der Eigentumsverletzung iSv § 823 I BGB?

Im Normalfall handelt es sich bei der Eigentumsverletzung im Sinne des § 823 I BGB um eine Substanzbeeinträchtigung, eine Besitzentziehung oder eine nichtberechtigte Verfügung über das Eigentum.

 

Was sind diskutable Fälle, die als Eigentumsverletzung iSd § 823 I BGB angesehen werden könnten?

Problematisch ist häufig die Einordnung von der Entziehung der Nutzungsmöglichkeit als Eigentumsverletzung. Aber auch weiterfressende Mängel oder die Verbindung mangelhafter mit mangelfreien Teilen kann hier diskutiert werden.

Hier wird genauer auf den Entzug der Nutzungsmöglichkeit eingegangen, der als Eigentumsverletzung gesehen werden könnte. Zwar kann dies sicherlich nicht allgemein bejaht werden, da sonst die Haftung für Eigentumsverletzungen uferlos würde, aber es gibt verschiedene Rechtsprechung, die dies ausnahmsweise anerkennt.

 

Stromkabelfälle

In den sog. Stromkabelfällen wurden Stromkabel, die nicht im Eigentum des Verletzten standen, durchtrennt. Die fehlende Stromzufuhr führte zur zeitweisen Betriebsstilllegung. Hierdurch sind Waren verdorben, für die die Kühlketten unterbrochen waren. An diesen Gegenständen kann dann eine Eigentumsverletzung eintreten, aber eine Eigentumsverletzung des Geschädigten aufgrund der Stilllegung des Betriebes und der damit einhergehenden Entziehung der Nutzungsmöglichkeit anzuerkennen, würde ein nicht sachgerechtes als Eigentum geschütztes Recht am Gewerbebetrieb begründen. Dann wären allgemein auch noch andere Beeinträchtigungen eines Unternehmens Eigentumsverletzungen. Hier zeigt sich, dass die Haftung für Eigentumsverletzungen uferlos würde, wenn jede Nutzungsbeeinträchtigung eine Eigentumsverletzung wäre.

 

Fleetfall

Im bekannten Fleetfall hat der BGH entschieden, dass nicht jede Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit eine Eigentumsverletzung darstellen kann, aber beachtet werden muss, dass der Entzug auch nicht generell aus dem Anwendungsbereich der Eigentumsverletzung herausgenommen werden kann. Denn wenn die Entziehung ein Gewicht erreicht, was dem der Besitzentziehung faktisch gleich kommt, wäre es wertungsmäßig nicht nachvollziehbar, auf die Entziehung der Nutzungsmöglichkeit abzustellen, obwohl die Sache völlig unbrauchbar für den Berechtigten gemacht wurde.
Im Fleetfall ist nämlich erkannt worden, dass wenn schon jede Entziehung der Nutzungsmöglichkeit eine Eingentumsverletzung wäre, Wertungswidersprüche zum Öffentlichen Recht entstünden. Im Öffentlichen Recht ist nämlich anerkannt, dass die Nutzung von Bundeswasserstraßen zum Gemeingebrauch gehört und der Einzelne daher kein absolutes Nutzungsrecht haben kann. Würde die Sperrung einer Straße durch ein Fleet wie im Originalfall dazu führen, dass der Einzelne seine Sache nicht mehr bestimmungsgemäß nutzen könnte, generell zu einer Eigentumsverletzung führen, so bestünde zivilrechtlich doch ein subjektives Recht auf Benutzung der Straße.



Schlussfolgerung aus den Fällen

Die Entziehung der Nutzungsmöglichkeit stellt erst und nur dann eine Eigentumsverletzung dar, wenn die Nutzbarkeit einer Sache (fast) vollständig aufgehoben ist und die Beeinträchtigung der Nutzung damit (auch zeitlich gesehen) eine Intensität erreicht, die der einer Besitzentziehung gleichkommt.

Repetitorentipp: Dieses Problem zeigt sich in Klausuren nicht immer offensichtlich. Es ist aber ein Klassiker, der immer wieder vom Prüfungsamt in Klausuren mit dem Schwerpunkt Deliktsrecht eingebaut wird.

Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie 

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