Allgemeines

Bei einer eigenverantwortlichen Selbstgefährdung oder -schädigung des Opfers nach einem Vorverhalten des Täters ist die Tathandlung für den betreffenden tatbestandlichen Erfolg nichtsdestotrotz kausal. So kann sie nach der Äquivalenztheorie unter Berücksichtigung der conditio-sine-qua-non-Formel nicht hinweggedacht werden, ohne dass der eingetretene Erfolg entfällt.

Der betreffende tatbestandliche Erfolg ist dem Täter aber nicht objektiv zurechenbar. So besteht kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen der Tathandlung und dem eingetretenen tatbestandlichen Erfolg. Es hat sich also nicht die von dem Täter geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr in dem betreffenden Erfolg realisiert.

Eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder -schädigung des Opfers setzt eine betreffende Tatherrschaft voraus. Tatherrschaft ist das vom Vorsatz umfasste in den Händen halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs. Der unmittelbar Handelnde müsste also als eine Zentralfigur des realen Geschehens aufgrund seines objektiven und subjektiven Tatbeitrags das Ob und Wie der Tatbestandsverwirklichung beherrschen. Die Tat müsste in diesem Sinne zumindest auch als ein Werk seines zielstrebig lenkenden Willens erscheinen.



Retterfälle

Fraglich ist, ob auch in den sog. „Retterfällen“, in denen ein freiwillig eingreifender Retter Rechtsgutsverletzungen erleidet, eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder -schädigung des Opfers vorliegt, welche die objektive Zurechenbarkeit des eingetretenen tatbestandlichen Erfolgs bzgl. des den Rettungsfall verursachenden Täters ausschließt.

 

Eine Ansicht (vgl. Roxin / Greco, Strafrecht Allgemeiner Teil Band I, § 11 Rn. 139)

Nach einer Ansicht liegt grds. eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder -schädigung des Retters vor. Insbesondere ist zu beachten, dass ein „Retterrisiko“ nahezu allen Straftaten immanent ist. Wenn sich ein Retter bei der Rettungstat verletzt, realisiert sich also keine dem jeweiligen Vorverhalten des Täters spezifisch innewohnende Gefahr.

 

Andere Ansicht (Jescheck / Weigend, Lehrbuch des Strafrechts Allgemeiner Teil, § 28 IV 4)

Nach einer anderen Ansicht liegt stets keine eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder -schädigung des Retters vor. Vielmehr sind die Rettungsmaßnahmen immer der Risikosphäre des Erstverursachers zuzurechnen.

 

Weitere Ansicht (Rspr.) – BGHSt 39, 322, 326

Nach einer weiteren Ansicht ist der eingetretene tatbestandliche Erfolg dem den Rettungsfall verursachenden Täter objektiv zuzurechnen, wenn der Täter durch sein Vorverhalten eine naheliegende Möglichkeit und ein einsichtiges Motiv für die Rettungshandlung geschaffen hat. Dies ist v.a. dann der Fall, wenn der Retter verpflichtet ist, einzugreifen. In diesem Sinne liegt grds. keine eigenverantwortliche Selbstgefährdung oder -schädigung des Retters vor, wenn die Rettungshandlung auf einer Rechtspflicht oder einer Garantenpflicht beruht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Rettungshandlung von vorherein sinnlos und unverhältnismäßig riskant ist.

 

Stellungnahme

Der dritten Ansicht ist zu folgen. Für sie spricht, dass verpflichtete Retter in ihrer Entscheidung bzgl. der Vornahme einer Rettungshandlung gerade nicht frei sind. Vielmehr ist es ihnen auferlegt, sich in Gefahr zu begeben. Da der Ersttäter Ursache dieser „erzwungenen“ Rettungshandlung ist, hat er grds. auch die Selbstgefährdung oder -schädigung des Retters zu verantworten. Der Retter übernimmt letztlich eine eigentlich dem Erstverursacher obliegende Pflicht. Wenn in diesem Sinne eine erfolgreiche Erfolgsabwendung dem Erstverursacher zugute kommt, dann hat er auch die Konsequenzen eines etwaigen Misserfolgs zu tragen.

 

Unterstützung im Strafrecht

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Schauen Sie sich hierzu gerne auch unser entsprechendes YouTube-Video an:


Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

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