Materiell-rechtliche Beschränkung des Zutrittsrecht?

Es ist fraglich, ob in materieller Hinsicht das Zutritts- und Rederecht der Mitglieder des Bundesrats aus Art. 43 II GG gegenständlich beschränkt ist, also nur Zutritt zu Sitzungen mit einem bestimmten Inhalt gewährt wird und das Rederecht auf das Sprechen zu bestimmten Themen begrenzt ist.

 

Wortlautargument: Kein Begrenzung

Der Wortlaut des Art. 43 II GG spricht eher gegen eine Begrenzung, denn die Rede ist von allen Sitzungen und vom Recht, jederzeit gehört zu werden.



Systematische Argumente: Begrenzung möglich

In systematischer Hinsicht könnte eine Begrenzung zu bejahen sein, da man so den Zusammenhang von Art. 43 II GG und Art. 50 ff GG vordergründig betrachten könnte und das Zutritts- und Rederecht auf die verfassungsrechtliche Kompetenzen des Bundesrates zurückführen könnte. So ließe sich argumentieren, die Mitglieder des Bundesrates haben nur bezüglich solcher Sitzungen Zutritts- und Rederechte, die inhaltlich in den Kompetenzbereich des Bundesrates fallen. Das Recht, an Sitzungen des Bundestages teilzunehmen, ist so gesehen lediglich ein kompetenzakzessorisches Recht.

 

Teleologische Argumente: Begrenzung möglich

Die Vorschriften über das Zitierrecht, Interpellationsrecht, Zutrittsrecht und Rederecht haben den Zweck, den an der Gesetzgebung beteiligten Organen eine frühzeitige Kontaktaufnahme zu ermöglichen. Kontroversen können so frühzeitig beigelegt werden. was die gemeinsame Gesetzgebungsfunktion von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat fördert. Das bedeutete aber auch, dass Bundesratsmitglieder nur Zutritt zu solchen Debatten erhielten, die dem Zuständigkeitsbereich des Bundesrates entsprächen.

 

Historisches Argument: Begrenzung möglich

Das Rederecht stehe den Mitgliedern des Bundesrats nunmehr auch nichtmehr als Mitglieder ihrer Landesregierungen zu so wie noch in der WRV, sondern das Grundgesetz bindet nunmehr diese Rechte an die Mitgliedschaft im Bundesrat. Das könnte bedeuten, dass die Mitglieder sich auchzu nicht-landespolitischen oder gar parteipolitischen Aspekten äußern dürfen.

 

Überwiegende Ansicht

Überwiegend wird eine Begrenzung gegenständlicher Art abgelehnt. Schranken werden nur bei Rechtsmissbrauch anerkannt. Dafür spricht, dass es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn sich Mitglieder auch parteipolitisch äußern, da der Bundesrat gerade kein sachliches und parteipolitisch neutrales Exekutivorgan ist, sondern das Parteienprinzip auch im Bundesrat zum Ausdruck kommt, da die Mitgliedschaft im Bundesrat eben auch an die Mitgliedschaft in der Landesregierung anknüpft, die wiederum parteipolitisch gefärbt ist. Bundesratsmitglieder dürfen deshalb gem. Art. 43 II GG nicht nur für den Bundesrat sprechen und als Vertreter dessen, der eine bereits gebildete Meinung vorträgt, sondern sie dürfen auch für ihr Land sprechen. Das schließt die Befugnis mit ein, sich parteipolitisch zu äußern. Es besteht auch das Recht, jedes bundespolitische Thema aus Sicht ihres Landes im Bundestag zur Sprache zu bringen, denn der Bundesrat hat auch eine wichtige Mitwirkungsrolle bei der politischen Gesamtleitung. Der Zutritt soll daher unabhängig davon gewährt werden, ob eine Debatte eine bundes- oder landespolitische Angelegenheit betrifft.


Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

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