Das verursachte Ärgernis allein macht eine Tat nicht zur Straftat. Ebenso aber lässt ein edles Ziel eine Tat nicht straffrei. Es stellt sich also die Frage, ob die Aktivitäten der Klimaaktivisten nach jurisitischen Gesichtspunkten einen materiellen Straftatbestand erfüllen. 

 

Sind Sitzblockaden legal?

Protestierende Aktivisten werden politisch zum Teil hart kritisiert. Es könne nicht angehen, dass es im Bereich von Stadtautobahnen, die den innerstädtischen Verkehr gerade zu den Stoßzeiten entlasten sollen, immer wieder zu Blockaden durch Aktivisten im Bereich der Zufahrten kommt, die eine Straßennutzung gänzlich verunmöglichen. Der Bundesjustizminister hatte sich hierzu scharf verurteilend geäußert und die Verteidigung der Aktionen durch mehrere den Aktivistengruppen nahestehenden Politiker kritisiert. Die Geltung der Gesetze sei vom Staat jederzeit hochzuhalten und Verstöße auch nach moralischem Empfinden nicht zu dulden. 

Die Frage ist aber, was denn die Gesteze hierzu sagen. Welche Gesetze werden denn von den Klimaaktivisten möglicherweise gebrochen? 

Es kommt grundsätzlich eine Strafbarkeit wegen Nötigung gemäß § 240 StGB in Betracht. 


 

Erfüllen Autobahnblockaden den Straftatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB?

SItzblockaden sind Ausdruck einer aktiven und partizipatorischen Demokratie, die sich gerade durch „das Ungezähmte“ zum Ausdruck bringt. Nur in der Demokratie genießen die Bürger das Privileg, sich der Herrschaft durch Proteste zu widersetzen. Sie stellen so ein wichtiges Korrektiv zum Staat dar.

Trotzdem kommt eine Strafbarkeit wegen Nötigung durch Autobahnblockaden als besondere Form der Sitzblockaden grundsätzlich in Betracht. Auch kann es zu gefährlichen Eingriffen in den Straßenverkehr und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamten kommen. Der zentrale Tatbestand ist jedoch der der Nötigung gemäß § 240 StGB. 

 


Problematisch ist das Merkmal der Rechtswidrigkeit i.S.d. § 240 II StGB

Bei der Nötigung kommt es auf die Rechtswidrigkeit an, diese wird nämlich nicht durch Vorliegen des Tatbestandes indiziert. Eine Nötigung ist rechtswidrig, wenn die eingesetzten Nötigungsmittel (Tathandlung) nicht auf einen allgemein anerkannten Rechtfertigungsgrund gestützt werden können und der Einsatz der Mittel zum angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist (Verwerflichkeit der Mittel-Zweck-Relation), vgl. § 240 II StGB. 

Einfache Sitzblockaden bleiben in den meisten Fällen straflos. Sie fallen unter den Begriff der Versammlung aus Art. 8 GG und verlaufen in der Regel friedlich, also zielen nicht auf physische Gewalttätigkeiten ab. Eine Versammlung kann nämlich auch durch physische Präsenz, also Körpereinsatz, begründet werden, wenn hierdurch eine geistige Meinung vermittelt wird. Moralische Implikationen ändern nichts an der grundsätzlich friedlichen Natur der Versammlung, die bloße Behinderungen oder Störungen für Verkehrsteilnehmer hervorruft.


 

Ist die Nötigung durch die Autobahnblockierer verwerflich i.S.d. § 240 II StGB?

Die Versammlungsfreiheit ist einschränkbar (Art. 8 Abs. 2 GG) durch den verfassungskonformen Paragraphen § 240 StGB, der hier in mittelbarer Täterschaft durch die Blockierenden verwirklicht wird (Zweite-Reihe-Rechtsprechung des BGH). Problematisch ist aber die Verwerflichkeit der Nötigung, die zu ihrer Rechtswidrigkeit positiv festgestellt werden muss. Zwar kann ein moralisch begründeter, öffentlicher Regelbruch (ziviler Ungehorsam) keinen Rechtfertigungsgrund darstellen. Aber es kommt durchaus eine Rechtfertigung durch Art. 8 GG in Betracht, da außer bei unfriedlichen Blockaden, die durchgehend aggressiv verlaufen, der Schutz des Art. 8 GG nicht von vornherein entfällt. 

Die Nötigung ist dann nicht verwerflich, wenn die Versammlungsfreiheit durchgreift. Dann könnte die Rechtswidrigkeit wie von § 240 II StGB erfordert nicht positiv festgestellt werden. Die Verwerflichkeit der Nötigung würde durch die Rechtfertigung als friedliche Versammlung aufgehoben. 


 

Abwägung der betroffenen Grundrechtsinteressen im Rahmen der Rechtfertigung des vorliegenden Grundrechtseingriffs in Art. 8 GG

Wichtige Abwägungselemente sind hierbei die Dauer und die Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten über andere Zufahrten, die Dringlichkeit des blockierten Transports, aber auch der Sachbezug zwischen den in ihrer Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigten Personen und dem Protestgegenstand.

In der Abwägung sollte auch die politische Freiheit der Aktivisten nicht zu kurz kommen, denn in der Klimakrise könnten sich diese auf einen rechtfertigenden Notstands aufgrund der Gesundheitsgefahren durch die Klimaveränderung berufen. Für die Bekämpfung derselben verbleibe wenig Zeit. Es sei daher notwendig, Protestformen zu wählen, die so viel Aufmerksamkeit wie möglich auf sich ziehen. 


Wie würdet ihr euch entscheiden? Findet ihr die Aktivitäten durch Autobahnblockierer verwerflich? 

Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

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