Das Verbrauchsgüterkaufrecht gem. §§ 474 ff. BGB zählt ohne Zweifel zu den wichtigsten Themenbereichen im ersten und zweiten juristischen Staatsexamen. In diesem Sinne hat die Modifizierung des Verbrauchsgüterkaufrechts, die seit dem 01.01.2022 für alle Verbraucherverträge gilt, eine unglaubliche Bedeutung für alle angehenden Juristen.

 

Der Verbrauchsgüterkauf

Bei dem Verbrauchsgüterkauf handelt es sich um einen Kauf, bei dem der Käufer ein Verbraucher gem. § 13 BGB ist und der Verkäufer ein Unternehmer gem. § 14 BGB.

Der Käufer ist also eine natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft abschließt, das sich überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zurechnen lässt.

Der Verkäufer ist hingegen eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

 

Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufrechts nach §§ 474 ff. BGB

Der Anwendungsbereich des Verbrauchsgüterkaufrechts hat sich durch seine 2022 in Kraft getretene Neufassung verändert.

Die augenscheinlichste Änderung betrifft hierbei den durchgängigen Ersatz des Begriffs „bewegliche Sache“ durch „Ware“ i.S.d. § 241 a I BGB.

Waren i.S.d. § 241 a I BGB sind bewegliche Sachen, die nicht auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden.

Nach § 474 II 2 BGB a.F. ist das Verbrauchsgüterkaufrecht ausgeschlossen, wenn gebrauchte Sachen vorliegen, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft werden, an welcher der Verbraucher persönlich teilnehmen kann. Diese Einschränkung wird nunmehr durch § 474 II 2 BGB n.F. ihrerseits eingeschränkt. So findet der vorgenannte Ausschluss des Verbrauchsgüterkaufrechts aufgrund von § 474 II 2 BGB n.F. nur noch dann Anwendung, wenn dem Verbraucher klare und umfassende Informationen leicht verfügbar gemacht wurden, dass die Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufrechts nicht gelten. Die Gesetzesänderung bringt also an dieser Stelle eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des Verbrauchsgüterkaufrechts mit sich.

 

Anwendbarkeit des allgemeinen Kaufrechts nach §§ 433 ff. BGB auf das Verbrauchsgüterkaufrecht nach §§ 474 ff. BGB

§ 475 BGB regelt, welche Vorschriften aus dem allgemeinen Kaufrecht gem. §§ 433 ff. BGB auch auf den Verbrauchsgüterkauf Anwendung finden sollen. Während in diesem Zusammenhang § 475 III 2 BGB a.F. nur die § 445 und § 447 II BGB für unanwendbar erklärt, umfasst § 475 III 2 BGB n.F. darüber hinausgehend auch § 442 BGB.

Dies hat zur Folge, dass im Verbrauchsgüterkaufrecht die Rechte des Käufers wegen eines Mangels nicht bereits gem. § 442 I 1 BGB ausgeschlossen sind, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. Auch findet § 442 I 2 BGB keine Anwendung, wonach der Käufer, dem ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, betreffende Mängelrechte nur dann geltend machen kann, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

Diese neue Nichtanwendbarkeit des § 442 BGB auf den Verbrauchsgüterkauf ist die rechtliche Konsequenz des neuen § 476 I 2 BGB mit seinen erhöhten Anforderungen an negative Beschaffenheitsvereinbarungen i.R.d. Verbrauchsgüterkaufrechts. Denn hiernach kann von den objektiven Qualitätsmerkmalen des § 434 III BGB n.F. und des neugeschaffenen § 475 b IV BGB nur dann abgewichen werden, wenn der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung „eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht“ und diese Abweichung im Vertrag „ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde“.

 

Totalsperrung des Nacherfüllungsanspruchs

Verweigert der Verkäufer die gewählte Art der Nacherfüllung i.S.d. § 439 IV 1 BGB, schuldet er i.R.d. allgemeinen Kaufrechts gem. § 439 IV 3 BGB die andere Art der Nacherfüllung, es sei denn, deren Kosten sind ebenfalls unverhältnismäßig.

Dies ist ein erheblicher Unterschied zu der alten Fassung des Verbrauchsgüterkaufrechts. Denn gem. § 475 IV 1 BGB a.F. kann der Unternehmer die andere Art der Nacherfüllung nicht wegen einer Unverhältnismäßigkeit der Kosten i.S.d. § 439 IV 1 BGB verweigern, wenn die eine Art der Nacherfüllung gem. § 275 I BGB ausgeschlossen ist oder wenn dem Unternehmer gem. § 275 II, III BGB oder § 439 IV 1 BGB ein Verweigerungsrecht zusteht. Dem Unternehmer steht bei der Nacherfüllung also nur ein relatives Verweigerungsrecht zu.

Dies ist mit der Modifizierung des Verbrauchsgüterkaufrechts nunmehr anders. Wie i.R.d. allgemeinen Kaufrechts mit § 439 IV BGB ist nunmehr auch im Verbrauchsgüterkaufrecht ein „Totalverweigerungsrecht“ bei der Nacherfüllung möglich. In diesem Sinne wurde § 475 IV BGB a.F. gestrichen. Gestrichen wurde auch § 475 V BGB a.F. Dieser verweist auf die Entbehrlichkeit der Fristsetzung i.S.d. § 440 S. 1 BGB bei der Geltendmachung von Sekundärrechten in der Gestalt von Rücktritt und Schadensersatz, wenn die nach der alten Gesetzesfassung nicht wegen Unverhältnismäßigkeit verweigerbare Art der Nacherfüllung wegen der Höhe der Aufwendungen i.S.d. § 439 II, III 1 BGB unverhältnismäßig ist und der Unternehmer dementsprechend gem. § 475 IV 2 BGB den betreffenden Aufwendungsersatz beschränken kann.

 

Neuregelung des § 475 V BGB

Der neu eingefügte § 475 V BGB regelt, dass der Unternehmer die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher ab demjenigen Zeitpunkt durchzuführen hat, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat. Hierbei sind die Art der Ware sowie der Zweck, für den der Verbraucher die Ware benötigt, zu berücksichtigen.

Sehen Sie sich hierzu auch unser entsprechendes YouTube-Video an:


Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie
 

Wichtige Quellen:
HK-BGB, 11. Auflage 2021, §§ 433 ff. BGB
Lorenz, NJW 2021, 2065 ff.



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