Dieser Teil unserer Vortragsreihe zum neuen Kaufrecht 2022 beschäftigt sich einleitend mit den Rechtsfolgen von Rücktritt und Schadensersatz statt der ganzen Leistung gem. § 475 VI BGB n.F. im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufrechts.

 

Rechtsfolgen von Rücktritt und Schadensersatz statt der ganzen Leistung nach § 475 VI BGB n.F.

§ 475 VI BGB n.F. ergänzt die allgemeinen Rücktrittsfolgen gem. §§ 346 ff. BGB. Diese Regelungen finden gem. § 281 V BGB auch dann Anwendung, wenn der Gläubiger Schadensersatz statt der ganzen Leistung verlangt.

Nach § 475 VI 1 BGB n.F. hat der Unternehmer beim Rücktritt des Verbrauchers oder der Geltendmachung von Schadensersatz statt der ganzen Leistung die Kosten der Rückgabe der Ware zu tragen.

Nach § 475 VI 2 BGB n.F. hat der Verkäufer den Kaufpreis bereits dann zurückzuerstatten bzw. Schadensersatz zu leisten, wenn der Verbraucher den Nachweis über die Rücksendung erbringt. Insofern wird von den §§ 348, 320 BGB abgewichen, wonach der Verkäufer die Rückerstattung des Kaufpreises bzw. die Schadensersatzleistung grds. solange einredebedingt verweigern kann, bis die jeweilige Gegenleistung Zug-um-Zug bewirkt ist.

 

Sonderregelung für die Verjährung von Gewährleistungsrechten (§ 475 e BGB)

Die Verjährung kaufrechtlicher Mängelansprüche richtet sich grds. nach § 438 BGB.

Für den Kauf beweglicher Sachen und Waren mit digitalen Elementen beträgt die Verjährungsfrist gem. § 438 I Nr. 3 BGB grds. 2 Jahre.

Die Verjährungsfrist des allgemeinen Kaufrechts wird i.R.d. Verbrauchsgüterkaufrechts gem. § 475 e BGB modifiziert.

Bei dem Kauf von Waren mit dauerhaft bereitzustellenden digitalen Elementen i.S.d. § 475 c I 1 BGB endet für Mängel an den digitalen Elementen die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 I Nr. 3 BGB aufgrund der Ablaufhemmung des § 475 e I BGB nicht vor dem Ablauf von 12 Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums.

Nach der Ablaufhemmung des § 475 e II BGB verjähren Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht i.S.d. § 475 b III Nr. 2, IV Nr. 2 BGB bei allen Waren mit digitalen Elementen nicht vor dem Ablauf von 12 Monaten nach dem Ende der Aktualisierungspflicht.

Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, regelt die Ablaufhemmung gem. § 475 e III BGB, dass die Verjährung nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach demjenigen Zeitpunkt eintritt, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sich § 475 e III BGB sowohl auf Waren mit digitalen Elementen als auch auf Waren ohne digitale Elemente bezieht.

Wann sich ein Mangel i.S.d. § 475 e III BGB zeigt, ist nicht legaldefiniert und wird daher noch durch die Rechtsprechung auszulegen sein. Es ist jedoch davon auszugehen, dass wie bei dem „offenbar werden“ i.R.d. Nacherfüllungsanspruchs gem. § 439 III BGB n.F. keine positive Kenntnis des Käufers vorausgesetzt wird. Entscheidend ist vielmehr die Perspektive eines objektiven Dritten in der Gestalt eines Durchschnittskäufers und dass sich der Mangel einem Durchschnittskäufer geradezu aufdrängen muss.

§ 475 e IV BGB regelt wiederum eine Ablaufhemmung i.R.d. Nacherfüllung, wenn der Verbraucher die Ware dem Unternehmer oder auf Veranlassung des Unternehmers einem Dritten zur Nacherfüllung oder zur Erfüllung von Ansprüchen aus einer Garantie übergeben hat. In diesen Fällen tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach demjenigen Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde.

 

Verhältnis der Ablaufhemmung nach § 475 e IV BGB zu der Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen nach § 203 BGB

Grundsätzlich stellt die Übernahme der Ware zur Nacherfüllung i.S.d. § 475 e IV BGB durch den Verkäufer eine „Verhandlung“ über den Nacherfüllungsanspruch i.S.d. § 203 S. 1 BGB dar. Aufgrund dessen tritt die Regelung der Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen gem. § 203 BGB neben die Ablaufhemmung gem. § 475 e IV BGB. Es liegt also gem. § 203 S. 2 BGB eine Ablaufhemmung von drei Monaten ab dem Ende der Verhandlungen vor. In diesem Sinne kommt § 475 e IV BGB i.R.d. Verjährung nur dann Bedeutung zu, wenn der Unternehmer bei der Nacherfüllung deutlich zum Ausdruck bringt, dass er sich nicht zur Mängelbeseitigung verpflichtet sieht und lediglich aus Kulanz handelt. Schließlich wird in diesem Fällen kein „Verhandeln“ i.S.d. Paragraphen 203 BGB angenommen.

Allgemein ist jedoch stets zu beachten, dass sowohl bei dem Kauf beweglicher Sachen und als auch bei dem Kauf von Waren mit digitalen Elementen die Verjährungshöchstfrist gem. § 199 IV BGB zehn Jahre beträgt.

 

Beweislastumkehr (§ 477 BGB)

§ 477 BGB a.F. regelt i.R.d. Verbrauchsgüterkaufrechts eine Beweislastumkehr dahingehend, dass die Mangelhaftigkeit der Sache bereits bei Gefahrübergang vermutet wird, wenn sich der Sachmangel innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang zeigt, es sei denn, dass diese Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.

Nach § 477 I 1 BGB n.F. wird diese Vermutungswirkung von sechs Monaten auf ein Jahr ausgedehnt.

Die Verlängerung der Vermutungswirkung des § 477 BGB gilt jedoch nicht für den Verkauf lebendiger Tiere. Hier beträgt die Vermutungswirkung in zeitlicher Hinsicht gem. § 477 I 2 BGB nach wie vor 6 Monate seit Gefahrübergang.

 

Sonderbestimmungen für Garantien (§ 479 BGB)

Nach § 479 I BGB n.F. wird die Belehrungspflicht des Garantiegebers dahingehend erweitert, dass er den Garantienehmer darauf hinweisen muss, dass die weiterhin neben der Garantie möglich Mängelgewährleistung unentgeltlich möglich ist. Im Übrigen wurde § 479 I BGB n.F. ggü. der alten Fassung nur redaktionell angepasst.

Nach § 479 II BGB n.F. ist es nunmehr auch ohne ein betreffendes Verlangen des Verbrauchers zwingend, dass die Garantieerklärung auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt wird. Der Begriff des dauerhaften Datenträgers ist in Paragraph 126 b S. 2 BGB legaldefiniert und unterfällt in diesem Sinne der Textform.

Neu eingeführt wurde § 479 III BGB, der gesetzliche Mindestanforderungen an eine selbstständige Haltbarkeitsgarantie des Herstellers i.S.d. § 443 BGB stellt. Es regelt in diese Sinne, welche Ansprüche von einer Garantie mindestens umfasst sein müssen.

 

Möglichkeit abweichender Vereinbarungen vom allgemeinen Kaufrecht nach §§ 434 ff. BGB zum Nachteil des Verbrauchers nach § 13 BGB (§ 476 BGB)

§ 476 I BGB n.F. normiert wie § 476 I 1 BGB a.F. ein grundsätzliches Verbot haftungsbeschränkender Vereinbarungen zulasten des Verbrauchers.

Nach § 476 I 2 BGB n.F. unterliegen negative Beschaffenheitsvereinbarungen nunmehr erhöhten Anforderungen. So kann von den objektiven Qualitätsmerkmalen des § 434 III BGB n.F. und dem für Waren mit digitalen Elementen neugeschaffenen § 475 b IV BGB nur dann abgewichen werden, wenn „der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht“ und diese Abweichung im Vertrag „ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde“. In diesem Sinne kann nicht mehr ohne Weiteres von denjenigen Qualitätsmerkmalen abgewichen werden, die ein Verbraucher bei einer Ware vergleichbarer Art erwarten kann.

Vor Mitteilung eines Mangels schließt § 476 II 1 BGB n.F. wie § 476 II BGB a.F. die Verkürzung der Verjährung der in § 437 BGB genannten Gewährleistungsansprüche aus, wenn die neue Verjährung bei neuen Sachen weniger als zwei Jahre und bei gebrauchten Sachen weniger als ein Jahr beträgt.

Nach der früheren Gesetzeslage war es darüber hinaus prinzipiell ohne Weiteres möglich, nach § 476 II BGB a.F. wirksame Verjährungserleichterungen zu vereinbaren. Dies ist nunmehr hinsichtlich der in § 476 II 1 BGB n.F. genannten wirksamen Verjährungserleichterungen nicht mehr so leicht möglich. Eine betreffende Vereinbarung ist gem. § 476 II 2 BGB n.F. nämlich nur dann wirksam, wenn „der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde und die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.“

§ 476 III BGB n.F. entspricht § § 476 III BGB a.F.

Abschließend enthält § 476 IV BGB n.F. ein Umgehungsverbot hinsichtlich der Regelungen des § 476 I, II BGB n.F. Inhaltlich entspricht dies § 476 I 2 BGB a.F.

Sehen Sie sich hierzu auch unser entsprechendes YouTube-Video an:


Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

Wichtige Quellen:
HK-BGB, 11. Auflage 2021, §§ 433 ff. BGB
Lorenz, NJW 2021, 2065 ff.


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