Herzlich willkommen zum neuen Blogbeitrag unseres juristischen Repetitoriums!

Wie Du wahrscheinlich bereits weißt, gibt es jeden Monat eine Fülle von neuen Gerichtsentscheidungen aus den Bereichen Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht. Für alle, die im juristischen Bereich tätig sind oder sich dafür interessieren, ist es daher von großer Bedeutung, diese Entscheidungen im Auge zu behalten und ihre Auswirkungen auf die Praxis zu verstehen.

Aus diesem Grund bieten wir regelmäßig Rechtsprechungsübersichten an, in denen wir die wichtigsten Entscheidungen des vergangenen Monats aufbereiten und kommentieren.
Ob Du ein Jurastudent, Referendar oder einfach nur ein interessierter Laie bist, unser Blog soll  dabei helfen, auf dem neuesten Stand der aktuellen Rechtsprechung zu bleiben und Dein Wissen zu vertiefen.

In diesem Beitrag werden wir uns daher mit der spannenden Entscheidung Der Notwehr - Fall BGH, Beschl . v . 25.10.2022 – 5 StR 276/22, aus dem vergangenen Monat, beschäftigen und Ihnen einen Überblick über die relevanten Entwicklungen geben.
Sachverhalt



A wollte von B (begleitet von C) eine Pistole kaufen. Aufgrund dessen, dass B von A zunächst das Geld herausverlangte, kam es zwischen den beiden zu Unstimmigkeiten. Als A schließlich das Geld vorzeigte, sprühte B mit einem Pfefferspray in A’s Gesicht. Währenddessen entriss C dem A das Geld. Als der besonders geübte Schütze A seinen mitgeführten Revolver herausholte, rannten B und C davon. A lief ihnen hinterher und forderte sie erfolglos zur Rückgabe des Geldes auf. Danach schoss er zweimal auf die Oberkörper der Flüchtenden, wobei er ihren Tod billigend in Kauf nahm. Er verfehlte sie jedoch. Als B kurz anhielt und sich umsah, schoss A nochmals auf ihn und traf ihn. B war zwar lebensgefährlich verletzt, konnte dennoch erfolgreich flüchten und überlebte. A gab die Verfolgung auf, da er davon ausging, Bund C nicht mehr einholen zu können.

Entscheidung

1. Das LG verneinte eine Rechtfertigung der drei Schüsse nach § 32 StGB und verurteilte A zum versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. A legte gegen dieses Urteil Revision zum BGH ein. Die Revision hat Erfolg.

2. Die drei Schüsse sind differenziert zu betrachten, da sie unter sich ändernden Bedingungen abgegeben wurden. Die ersten zwei fehlgegangen Schüsse sind zurecht nicht nach § 32StGB gerechtfertigt. Die Handlung war aufgrund zumutbarer Warnschüsse oder Schüsse auf weniger sensible Körperregionen nicht erforderlich.

3. Bezüglich des dritten Schusses habe das LG unzureichende Feststellungen getroffen, sodass die Erforderlichkeit nicht überprüft werden konnte. Für die Beurteilung der Erforderlichkeit aus der ex-ante Perspektive ist nicht die Sicht eines allwissenden Beobachters, sondern die Perspektive des sorgfältig beobachtenden Verteidigers maßgeblich.

4. Das neue Tatgericht muss daher folgende Feststellungen treffen:
a) Bei welchem Angreifer befand sich das entwendete Geld.
b) Wenn C das Geld bei sich trug, ist zu beurteilen, ob es für einen sorgfältig beobachtenden Verteidiger erkennbar war.

Bedeutung für die Klausur
1. Entscheidend ist, auf welche Sicht man abstellt.

a) Durfte der A auf die geeignete und erforderliche Notwehrhandlung glauben, ist beider ex-ante-Sicht die Rechtswidrigkeit zu verneinen.

b)Durfte er hingegen nicht daran glauben, weil man die ex-post-Perspektive heranzieht, dann müsste die Rechtswidrigkeit bejaht werden.

2. In solchen Klausuren, wo der Täter mehrere Handlungen vornimmt, sollten diese immer differenziert betrachtet werden.

3. Zudem ist stets auf den Einzelfall abzustellen. Arbeiten Sie nah am Sachverhalt!

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