Der Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG – wann liegt ein Verwaltungsakt vor? Eine detaillierte Betrachtung der Voraussetzungen für Dich

 28.10.2024 | von Florian Bieker



Der Verwaltungsakt gehört zu einem Grundlagenthema aus dem Bereich Verwaltungsrechts AT. Die Kenntnisse der Voraussetzungen sind elementar, um den Verwaltungsakt beispielsweise vom Realakt abgrenzen zu können oder die richtige bzw. statthafte Klageart zu ermitteln. Daher erfolgt in diesem Beitrag eine nähere Betrachtung der Voraussetzungen des Verwaltungsakts.

Die Bedeutung des Verwaltungsakts in der Klausur

Jeder Examenskandidat muss die Voraussetzungen des Verwaltungsakts beherrschen. Ob ein Verwaltungsakt vorliegt oder nicht, kann eine entscheidende Weichenstellung für die zu prüfende Klage im Rahmen einer Klausur darstellen. Die Kenntnis ist elementar, um im Examen auch unbekannte Sachverhalte in den Griff zu bekommen. Des Weiteren sehen es die Prüfer gerne, wenn die Voraussetzungen strukturiert durchgegangen werden, falls sich im Rahmen dessen ein oder mehrere Probleme stellen. Falls das nicht der Fall ist, genügt es, wenn kurz festgestellt wird, dass es sich bei der vorliegenden Maßnahme um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S.1 VwVfG handelt. Andernfalls würde der Prüfer die ausführliche Prüfung als fehlendes Problembewusstsein monieren.
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher die Voraussetzungen des Verwaltungsakts in kurzer übersichtlicher und kompakter Form näherbringen.

Die Voraussetzungen des Verwaltungsakts

1. Allgemeines

Der Verwaltungsakt ist in § 35 S.1 VwVfG geregelt. In § 35 S.2 VwVfG ist ein spezieller Fall des Verwaltungsakts geregelt, mithin die Allgemeinverfügung. Die Voraussetzungen lassen sich aus dem Gesetz erlesen und brauchen demnach nicht auswendig gelernt werden. Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsaktes ist eine hoheitliche Maßnahme von einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, welche auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Zu prüfen sind die Voraussetzungen in aller Regel im Rahmen des Prüfungspunktes statthafte Klageart, § 88 VwGO. Hier stellt sich entweder die Frage, ob der Kläger einen bestehenden Verwaltungsakt beseitigen möchte (Anfechtungsklage § 42 I Alt. 1 VwGO) oder aber die Erteilung eines Verwaltungsaktes begehrt (Verpflichtungsklage § 42 I Alt. 2 VwGO). Darüber hinaus kann eine Abgrenzung zur Leistungsklage gemäß § 43 II VwGO nötig sein, welche dann die statthafte Klageart ist, wenn der Kläger statt eines Verwaltungsakts einen Realakt begehrt.

2. Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts

Eine Maßnahme einer Behörde ist jedes Verhalten mit Erklärungswert, welches in den meisten Klausuren unproblematisch gegeben ist, um überhaupt eine Klausur konstruieren zu können. Ob die Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen wird, ist anhand der bekannten Theorien zu ermitteln, welche man bereits im Rahmen der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I 1 VwGO prüft.

3. Behörde

Was eine Behörde ist, ist in § 1 IV VwVfG geregelt. Demnach sind Behörden im Sinne des Gesetzes alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen. Bei Behörden handelt es sich also um Stellen, die dazu befugt sind, Erklärungen im eigenen Namen abzugeben. Zu beachten ist, dass auch Beliehene Behörden i.S.d. Vorschrift sein können. Beliehene sind Privatpersonen, denen durch Hoheitsakt die Befugnis eingeräumt wurde, Verwaltungskompetenzen selbstständig im eigenen Namen auszuüben, wie zum Beispiel der TÜV.

4. hoheitliche Maßnahme

Ferner muss es sich um eine hoheitliche Maßnahme handeln. Eine hoheitliche Maßnahme liegt dann vor, wenn ein Über/Unterordnungsverhältnis besteht. Das wird fast immer gegeben sein, es sei denn es handelt sich beispielsweise um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, genauer gesagt um einen sog. koordinationsrechtlichen Vertrag, § 54 S.1 VwVfG. Hier stehen sich Bürger und Staat auf gleicher Höhe gegenüber.

5. Regelung

Außerdem muss eine Regelung der Behörde vorliegen. Hier liegt oftmals ein Schwerpunkt, wenn es um das Prüfen der Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes geht. Eine Regelung liegt dann vor, wenn die Maßnahme final darauf gerichtet ist eine Rechtsfolge herbeizuführen. Abzugrenzen ist hier von den bloßen Realakten, also den tatsächlichen Handlungen, wie beispielsweise die reine Geldauszahlung oder negativ konnotierte Äußerungen eines Bürgermeisters über eine Partei. Ebenfalls kein Verwaltungsakt stellen bloße Hinweise dar. Vorbescheide oder Teilbescheide können dagegen Verwaltungsakte sein, wie beispielsweise ein Bauvorbescheid nach § 76 HBO oder eine Teilbaugenehmigung. Hier ist darauf hinzuweisen, dass wenn man beispielsweise zu dem Ergebnis kommt, dass keine Regelung vorliegt, sondern ein Realakt, weil ein Bürgermeister sich negativ über eine bestimmte Partei geäußert wird und jetzt auf Unterlassung geklagt wird, die statthafte Klageart eine (negative) Leistungsklage ist.

6. Einzelfall

Bei einem Einzelfall ist von einer Allgemeinverfügung abzugrenzen. Hier gilt es zunächst zwischen den Merkmalen abstrakt und konkret, sowie individuell und generell zu differenzieren. Individuell bedeutet, dass sich die Maßnahme an eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis richtet. Generell bedeutet, dass sich die Maßnahme an einen unbestimmten Personenkreis richtet. Konkret bedeutet, dass sich die Maßnahme einen bestimmten Sachverhalt regelt. Abstrakt bedeutet dagegen, dass die Maßnahme eine unbestimmte Zahl an Sachverhalten regelt. Ein Verwaltungsakt setzt voraus, dass es sich um eine konkret-individuelle Maßnahme handelt. Eine Allgemeinverfügung ist dann gegeben, wenn die Maßnahme konkret-generell ist. Das bekannteste Beispiel ist wohl das Straßenschild. Weiter zu differenzieren ist zwischen einer personengebundene (bestimmte Maßnahmen nach dem IfSG oder Auflösungen von Demonstrationen), sachbezogene (Widmung von Straßen) oder einrichtungsbezogene Allgemeinverfügung (Benutzungsregeln für das juristische Seminar), § 35 S.2 VwVfG.

7. Außenwirkung

Der Verwaltungsakt hat Außenwirkung, wenn die Maßnahme den verwaltungsinternen Bereich verlässt und darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge gegenüber Rechtssubjekten herbeizuführen. Hierbei handelt es sich um ein ebenfalls beliebtes problembehaftetes Merkmal. Hier lassen sich vielfältige Probleme einbauen, indem Maßnahmen gegenüber Beamten ergehen, die grundsätzlich ein Teil der Verwaltung sind und problematisch ist, ob diese Maßnahmen überhaupt Außenwirkungen haben. Hier ist dann zu prüfen, ob der Beamter in seiner Rechtsstellung als Privatperson betroffen ist. Das kann im Einzelfall sehr problematisch sein und ist von Fall zu Fall unterschiedlich.

8. Rechtsfolgen bei Vorliegen der Voraussetzungen

Kommt man zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen alle vorliegen und somit auch ein Verwaltungsakt sind entweder die Anfechtungsklage (§ 42 I Alt. 1) oder die Verpflichtungsklage (§ 42 I Alt. 2 VwGO) die statthafte Klageart. Ein Beispiel für einen Verwaltungsakt, welcher im Rahmen einer Anfechtungsklage angegriffen wird, ist unter anderem ein Zahlungsbescheid. Andererseits ist die Verpflichtungsklage (§ 42 I Alt. 2 VwGO) die statthafte Klageart, wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger einen Verwaltungsakt begehrt, wie unter anderem im Fall einer begehrten Baugenehmigung.

Fazit zum Verwaltungsakt

Die herausragende Bedeutung der juristischen Grundlagen des Verwaltungsakts sollte jedem Studenten und Referendar bewusst sein.
Die solide Kenntnis der Voraussetzungen gehört schon im 1. Staatsexamen zum Pflichtprogramm. Sie sind häufiger Gegenstand der öffentlich-rechtlichen Klausur und werden dort inzident im Rahmen der statthaften Klageart abgeprüft.
Solltet Ihr Euch im Bereich des Verwaltungsrechts AT noch nicht examensreif fühlen, vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin. Unsere erfahrenen Dozenten der Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite.

Florian Bieker
 

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