BGB AT – Willenserklärungen – das Wichtigste kurz und kompakt für Dich zusammengefasst

13.09.2024 | von Florian Bieker

Für das gesamte Verständnis des Zivilrechts ist der Teil BGB AT von elementarer Bedeutung, denn nach dem Klammerprinzip steht dieser Teil an vorderster Stelle und umklammert alle Rechtsgebiete des Zivilrechts, sodass auf die Regelungen zurückzugreifen ist, wenn sich keine entsprechenden Regelungen in den Rechtsgebieten Schuldrecht AT, Schuldrecht BT etc. finden. In diesem Teil sind unter anderem die Regelungen zu Willenserklärungen enthalten. BGB AT und Willenserklärungen werden regelmäßig im ersten Semester gelehrt und die Veranstaltungen auch fleißig besucht, dann jedoch erfahrungsgemäß bis und inklusive während der Examensvorbereitung vernachlässigt.

Die Bedeutung der Willenserklärungen in der Klausur

Gerade im Bereich BGB AT, insbesondere bei den Willenserklärungen, existieren beliebte Standardprobleme, die jedem Studenten und Examenskandidaten bekannt sein sollten. Diese können regelmäßig abgeprüft werden.
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher die wichtigsten Probleme und die Systematik einer Willenserklärung näherbringen.

Die Willenserklärung und ihre klausurrelevanten Probleme

1. Allgemeines

Die Vorschriften zu den Willenserklärungen finden sich im BGB AT in den §§ 116 ff. BGB. Abzugrenzen ist eine Willenserklärung von einem Realakt und einer geschäftsähnlichen Handlung. Eine Willenserklärung ist eine Erklärung, die auf den Eintritt einer zivilrechtlichen Rechtsfolge gerichtet ist. Beispiel hierfür wäre unter anderem das Angebot oder die Annahme im Rahmen eines Kaufvertrages gem. § 433 BGB. Ein Realakt ist dagegen eine faktische Handlung. Die Rechtsfolgen treten kraft Gesetz ein, wie beispielsweise bei der Verarbeitung nach § 950 I BGB. Die geschäftsähnliche Handlung liegt dazwischen. Dabei handelt es sich um eine Erklärung, die nicht auf den Eintritt einer zivilrechtlichen Rechtsfolge ist, sondern hier treten die Rechtsfolgen als Nebenfolge kraft Gesetz ein. Sie sind keine Willenserklärungen, allerdings finden die Vorschriften der Willenserklärungen nach §§ 130 ff. BGB entsprechende Anwendung. Ein Beispiel wäre hier unter anderem die Mahnung i.S.d. § 286 I BGB. Im folgenden Beitrag wird die Willenserklärung näher beleuchtet. Diese gliedert sich zunächst in einen äußeren und inneren Tatbestand.

Zur Verdeutlichung folgende Übersicht:


2. äußerer Tatbestand einer Willenserklärung

Der äußere Tatbestand ist aus der Sicht eines objektiven Dritten zu beurteilen und gliedert sich in den äußeren Handlungswillen, den Rechtsbindungswillen und den äußeren Geschäftswillen.
 

a) äußerer Handlungswille

Dieser besagt, dass das Verhalten des Erklärenden als willensgesteuertes Verhalten von einem objektiven Dritten aufgefasst werden muss. Beispielsweise würde ein objektiver Dritter bei Reflexen oder Verhaltensweisen im Schlaf das Verhalten des „Erklärenden“, die auch aus objektiver Sicht so wahrnehmbar sind, diese nicht als willensgesteuertes Verhalten wahrnehmen.
 

b) Rechtsbindungswille

Dem Rechtsbindungswillen kommt maßgebliche Bedeutung zu. Hier ist aus der Sicht eines objektiven Dritten zu beurteilen, ob der Erklärende etwas rechtlich Erhebliches erklären möchte. Wichtigste examensrelevante Problematik in diesem Zusammenhang ist das Abgrenzen von Gefälligkeitsvertrag (z.B.: Auftrag, Leihe etc.) und alltäglicher Gefälligkeit bei unentgeltlichen Tätigkeiten. Die alltägliche Gefälligkeit stellen freundschaftliche Dienste dar, wie unter anderem nachbarschaftliche Hilfstätigkeiten. Ob ein Gefälligkeitsvertrag oder eine reine alltägliche Gefälligkeit vorliegt, ist anhand des Zwecks, Anlass und wirtschaftlichen Bedeutung der Gefälligkeit abzugrenzen. Dies ist im Einzelfall genau zu analysieren und bedarf einer genauen Betrachtung.
 

c) äußerer Geschäftswille

Hier ist aus objektiver Sicht eines Dritten zu beurteilen, ob der Erklärende den Willen hat eine ganz bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen.

3. innerer Tatbestand einer Willenserklärung

Der innere Tatbestand einer Willenserklärung gliedert sich in die Punkte innerer Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und innerer Geschäftswille und ist aus der Sicht des Erklärenden zu beurteilen.
 

a) Innerer Handlungswille

Innerer Handlungswille kann beispielsweise dann fehlen, wenn der Erklärende in Hypnose oder im Schlaf Erklärungen abgibt. Fehlt dieses Element, liegt keine Willenserklärung mehr vor.
 

b) Erklärungsbewusstsein

Das Erklärungsbewusstsein bedeutet, dass der Erklärende das Bewusstsein haben muss, dass er etwas rechtlich Erhebliches erklärt. Bekanntesten Problem ist in diesem Zusammenhang das Hand heben zum Grüßen bei der Trierer Weinversteigerung. Hier ist das Fehlen des Elements und die Auswirkungen strittig. Einerseits könnte man die Ansicht vertreten, dass hier ein Erklärungsbewusstsein nicht vorliegt, aber dieses für das Vorliegen einer Willenserklärung nötig ist, sodass keine Willenserklärung des Erklärenden (derjenige, der bei der Versteigerung die Hand hebt, um seine Freunde zu grüßen) vorliegt. Andererseits könnte man die Ansicht vertreten, dass das Vorliegen des Erklärungsbewusstsein nicht konstitutive Voraussetzung für das Vorliegen einer Willenserklärung ist und das Vorliegen eines potenziellen Erklärungsbewusstseins genügt. Maßgebliche Frage ist hier, ob der Erklärende bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen können, dass sein Verhalten, in dem Fall das Hand heben, als Willenserklärung aufgefasst wird. Das wird man wohl in so einem Fall grundsätzlich bejahen können, es sei denn, es handelt sich um einen Ortsfremden, der gar nicht weiß, wo er gelandet ist und ihm auch kein Fahrlässigkeitsvorwurf zu machen ist. Außerdem kann es einen Unterschied machen, ob derjenige, der grüßt, noch „Hallo XY“ ruft, da der Rechtsverkehr das Verhalten dann wohl nicht mehr als Angebotsabgabe, sondern als Grüßen eines Freundes auffassen wird. Auch hier ist also entscheidend auf die Einzelheiten des Falles zu achten. Entscheidend für letzte Ansicht spricht, ähnlich wie schon bei den abhandengekommenen Willenserklärungen (folgt später), dass der Erklärungsempfänger bzw. der Rechtsverkehr geschützt wird und das Verhalten nicht anders deuten kann. Die entsprechenden Vorschriften zum Schutz des Rechtsverkehrs sind unter anderem §§ 164 I 2, 116, 133, 157 BGB.

c) Innerer Geschäftswille

Zuletzt muss noch der innerer Geschäftswille des Erklärenden vorliegen, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen. Das Fehlen dieses Elements ist unbeachtlich.

Liegen die Voraussetzungen dann alle kumulativ vor, handelt es sich um eine wirksame Willenserklärung. Wie man sieht, ist sehr kleinteilig vorzugehen, wenn sich hier Probleme im Rahmen der Klausur ergeben. Das sollte man in jedem Fall beachten.

4. Abgabe und Zugang von Willenserklärungen

Die Abgabe und der Zugang von Willenserklärungen ist in den §§ 130-132 BGB geregelt. Abgegeben ist eine Willenserklärung dann, wenn sie willentlich in den Rechtsverkehr entäußert wurde. In dem Zusammenhang stellt sich das Problem der abhandengekommenen Willenserklärungen. Strittig ist, wie das Problem der abhandengekommenen Willenserklärungen zu lösen ist. Hier wird die Willenserklärung beispielsweise schon von der Sekretärin an den Vertragspartner übermittelt, um dem Chef bzw. Arbeitgeber einen Gefallen zu tun, obwohl der Arbeitgeber noch keine Freigabe erteilt hat. Einerseits könnte man die Ansicht vertreten, dass der Erklärende, in dem Fall der Arbeitgeber nicht willentlich gehandelt hat, sondern seine Sekretärin, sodass keine Willenserklärung des Arbeitgebers abgegeben wurde. Andererseits könnte man die Ansicht vertreten, dass der Chef sehr wohl Handlungswille hatte, weil der Rechtsverkehr, in dem Fall der Vertragspartner, dies nicht erkennen konnte. Schutzwürdig ist im BGB der Rechtsverkehr, wie sich unter anderem aus den Vorschriften des § 164 I 2 BGB, 116 und §§ 133, 157 BGB ergibt, sodass auch eine Abgabe der Willenserklärung des Arbeitgebers vorliegen. Außerdem ist der Erklärende beispielsweise durch §§ 119, 120 BGB geschützt, sodass meiner Meinung nach letzte Ansicht vorzugswürdig ist.
Eine Willenserklärung ist dann zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt und unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Das ist beispielsweise bei Postzustellung bis 18 Uhr des laufenden Tages zu erwarten. Für den Zugang unter Abwesenden gilt § 130 BGB. Für den Zugang gegenüber nicht voll Geschäftsfähigen ist hier der § 131 BGB zu beachten.
Zuletzt stellt sich noch die Frage wie Zugangshindernisse zu behandeln sind. Hier ist zu differenzieren. Bei berechtigter Zugangsverhinderung, beispielsweise bei der Ablehnung eines unfrankierten Briefs, erfolgt kein Zugang der Willenserklärung. Bei einer arglistigen Zugangsvereitelung, wie beispielsweise dem vorsätzlichen Abschrauben des Briefkastens eines Arbeitnehmers, damit ein erwartetes Kündigungsschreiben den Arbeitnehmer nicht erreichen kann, gilt der Zugang als erfolgt. Bei fahrlässiger Zugangsvereitelung, wie beispielsweise das Abschrauben aus Renovierungsgründen und nicht in der Absicht einen Zugang einer vermeintlichen Kündigung zu verhindern, muss der Erklärende die Erklärung nochmal senden. Geschieht dies, kann sich der Erklärungsempfänger gem. § 242 BGB nicht mehr auf verspäteten Zugang berufen. 

Fazit zu den Willenserklärungen

Die herausragende Bedeutung der juristischen Grundlagen der Willenserklärungen sollten jedem Studenten bekannt sein. Willenserklärungen sind absolute Basics und werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit in Zivilrechtsklausuren abgefragt, insbesondere deswegen, weil sich in jeder Klausur Probleme in diesem Bereich konstruieren lassen, wenn man alleine an die Gestaltungsrechte denkt, die alle eine Erklärung voraussetzen. Besonderes die Abgrenzung alltägliche Gefälligkeit oder Gefälligkeitsvertrag im Rahmen des Rechtsbindungswillens ist eine beliebte Klausurthematik.
Die solide Kenntnis der Grundsätze in diesem Bereich gehört schon im 1. Staatsexamen zum Pflichtprogramm. Fehler werden als Grundlagenfehler hart abgestraft.
Solltet Ihr Euch im Bereich der Willenserklärungen noch nicht examensreif fühlen, vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin. Unsere erfahrenen Dozenten der Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite.

Florian Bieker

 



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