BGH, Beschluss vom 30.01.2024: Schönheitsreparaturklausel & Beweislast

27.05.2024 | von Sander Singer

BGH, Beschluss vom 30.01.2024 - VIII ZB 43/23

Die Entscheidung BGH, Beschluss vom 30.01.2024 - VIII ZB 43/23 befasst sich mit der wichtigen Frage der Wirksamkeit von Renovierungsklauseln in AGB von Mietverträgen. Weiterhin thematisiert sie die Beweislast im Mietverhältnis, was die Entscheidung auch für das 2. Examen interessant macht.

Sachverhalt (klausurgerecht abgeändert)

Die Klägerin M ist seit 2008 Mieterin einer Wohnung der Vermieterin V. Der zwischen M und V geschlossene Formularmietvertrag (Mietvertrag, der auf eine unbestimmte Anzahl von Verwendungen gerichtet ist) enthält eine Klausel, welche den Mieter zu Schönheitsreparaturen innerhalb eines flexiblen Zeitraums verpflichtet. Die Reparaturen sollen erst nötig werden, wenn der Zustand der Wohnung solche erfordert.
Die Klägerin meint, dass sie keine Verpflichtung zu Schönheitsreparaturen treffe. Dies sei einerseits wegen der Unwirksamkeit der verwendeten Klausel ausgeschlossen, zum anderen, weil die Wohnung bereits unrenoviert übergeben wurde. 
Hinweis für das 1. Examen: Die Frage, ob die Wohnung unrenoviert übergeben wurde, ist ein für die Klägerin begünstigender Umstand, für den sie beweispflichtig ist. 
Wie wird der BGH in der Sache entscheiden?

Wesentliche Aussagen des Bundesgerichtshofs

1. Die Verwendung der Klausel im Wege eines Formularmietvertrages ist rechtmäßig.
2. Der Klägerin gelingt nicht der Beweis, dass ihr eine unrenovierte Wohnung bei Beginn des Mietverhältnisses überlassen wurde.

Bedeutung für die Klausur

Die Entscheidung eignet sich gleich zweifach für die Darstellung von klausurrelevanten Fragen. Der letztlich weichenstellende Umstand, dass der Klägerin der Beweis der Übergabe einer unrenovierten Wohnung nicht gelang, ist hierbei nur nachrangig. Hervorgehoben werden soll zum einen, dass trotz des äußert mieterfreundlichen Mietrechts in Deutschland, weiterhin gewisse Beweispflichten nicht zugunsten des Mieters umgekehrt werden. Mithin muss der Mieter bei Übergabe der Wohnung, zumindest für sich selbst, ein beidseitig unterschriebenes Übergabeprotokoll aufstellen, wenn dies nicht bereits durch den Vermieter erfolgt.
Zum anderen befasst sich die Entscheidung abermals mit sog. „Renovierungsklauseln“ oder auch „Endrenovierungsklauseln“. Diese sind regelmäßig in Formularmietverträgen (AGB-Kontrolle, §§ 307 ff. BGB) zu finden. Sie verpflichten den Mieter zur Vornahme von Reparaturen der Wohnung und können unbillig sein und damit ungültig.

Wirksamkeit der Endrenovierungsklausel

Was sind Schönheitsreparaturen?

Die Schönheitsreparaturen an einer Mietsache sind alle solchen Maßnahmen, die die Substanz der Mietsache selbst nicht betreffen. Beispiele sind das Streichen der Wände und Decken sowie der Heizkörper oder das Schließen von Nagel-Löchern in Wänden.

Unterschiede Individualklausel und AGB

Grundsätzlich ist das Problem etwaiger Klauseln in den Regeln zu AGB (§§ 305 ff. BGB) angelegt. Wird eine Klausel durch einen Formularmietvertrag eingebracht, unterliegt sie den wesentlich strengeren Regeln der §§ 305 ff. BGB und ist insbesondere keiner geltungserhaltenden Auslegung (wie es bei einer individualvertraglichen Klausel möglich wäre) zugänglich.
Treffen die Parteien eine individuelle Absprache, führt dies grundsätzlich zu den vereinbarten Pflichten. Ist die Regelung trotz individueller Absprache unbillig, kann eine geltungserhaltende Reduktion der Vereinbarung vorgenommen werden, sodass stattdessen ein billiges Ergebnis gilt. Die Klausel ist lediglich bei Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften (z.B. § 134 BGB oder § 555 BGB bei der Wohnraummiete) unwirksam.
Wird hingegen mittels Formularmietvertrag eine AGB eingebracht, unterliegt die Klausel einer Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB.

Anwendung im BGH Fall

Vorliegend war die verwendete Klausel, gemessen am Maßstab des § 307 I, II Nr. 1 BGB, wirksam.
Der BGH hat im Laufe der Jahre verbindliche Maßstäbe für die Schönheitsreparaturklauseln aufgestellt.
Die Vornahme von Schönheitsreparaturen ist in der Regel alle paar Jahre nötig. Sie dürfen aber per AGB-Klausel nicht innerhalb fester Zeiträume verpflichtend vereinbart werden. Vielmehr müssen flexible Zeiträume für die Vornahme der Reparaturen möglich sein, etwa wenn diese früher oder später anfallen. Dies war vorliegend der Fall.
Eine Endrenovierung schließt etwaige Schönheitsreparaturen ein, umfasst aber auch alle sonst notwendigen Arbeiten, um die Wohnung unmittelbar weiterzuvermieten (z.B. Austausch defekter Geräte oder Einrichtungen). Eine solche Endrenovierungsklausel ist in Form von AGB grundsätzlich unzulässig. Wird die Endrenovierung hingegen bereits in den AGB auf die Vornahme der bis dahin ausgebliebenen Schönheitsreparaturen explizit beschränkt, kann die Klausel weiterhin Bestand haben. Dem Mieter wird in diesem Fall keine Verpflichtung auferlegt, die nicht vorher schon bestanden hätte.
Wird eine Endrenovierungsklausel per AGB mit einer Schönheitsreparaturverpflichtung während der Mietzeit kombiniert, führt dies nach h.M. wegen der Kumulation nachteiliger Klauseln zur Ungültigkeit beider Klauseln.
Hinweis: Wird eine Wohnung unrenoviert übernommen kann dem Mieter auch keine Verpflichtung auferlegt werden, die Wohnung über den Zustand hinaus zu verschönern oder zu renovieren.

Mieterin trägt Beweislast für den Renovierungszustand bei Übergabe

Die Beweislast für den Zustand der Wohnung bei Übergabe trägt indessen derjenige, der den Umstand für sich nutzen will. Möchte der Mieter einer Renovierungspflicht entgehen, muss er den unrenovierten Zustand nachweisen. Möchte der Vermieter die Renovierung durch den Mieter, muss er nachweisen, dass er die Wohnung in einem renovierten Zustand übergeben hat.
Der Beweis war der insoweit beweisbelasteten Klägerin vorliegend nicht gelungen.

Fazit: Schönheitsreparaturklausel auch 2024 relevant

Die Frage der Wirksamkeit einer Schönheitsreparaturklausel ist ein absoluter Klassiker des Mietrechts und sehr beliebtes Prüfungsthema in beiden Examina. Entscheidungen des BGH zu dieser auch sehr praxisrelevanten Thematik finden mit nahezu 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit Beachtung der Klausurersteller sowie Prüfer in der mündlichen Prüfung.
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Relevante Lerninhalte

  • Mietvertrag gem. § 535 Abs. 1 BGB
  • Beweislastverteilung im Mietverhältnis
  • Wirksamkeit von Endrenovierungsklauseln im Rahmen der AGB Kontrolle (§§ 307 ff. BGB)
Relevante Rechtsprechung
BGH, Beschluss vom 30.01.2024 - VIII ZB 43/23
Papierfundstellen:
  • MDR 2024, 565
  • NZM 2024, 325


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