BGH, Urteil vom 21.11.2024: Heckspoiler in der Waschanlage beschädigt

31.01.2025 | von Sander Singer

Sachverhalt BGH, Urteil vom 21.11.2024 - VII ZR 39/24

Ein Mann (M) klagte, nachdem sein Range Rover in einer Waschanlage des beklagten Betreibers (B) beschädigt worden war. Am Eingang der Anlage waren die folgenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) angeschlagen:
„Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen 
- Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen: (…). 
- Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o. Ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.“
Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift: 
- „Achtung: Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“

Der Range Rover des M war jedoch mit einem serienmäßigen Heckspoiler ausgestattet. Nachdem der Mann die Waschanlage befahren hatte, stellte er sein Auto vorschriftsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang.
Während der Reinigung riss die Waschanlage den Heckspoiler ab und verursachte dabei einen Schaden am Fahrzeug. Der Mann forderte daraufhin Schadensersatz in Höhe von etwa 3.219 EUR (Hinweis: Der Betrag entspricht dem tatsächlich eingetretenen Schaden). Sowohl das Auto als auch die Waschstraße waren in einem ordnungsgemäßen Zustand.
Hat M gegen B einen vertraglichen Anspruch auf Schadensersatz?

Wesentliche Aussagen des Bundesgerichtshofs

Eine vertragliche Nebenpflicht des Waschanlagenbetreibers (§ 241 II BGB) besteht darin, das Fahrzeug vor etwaigen Schäden zu bewahren. Hierzu muss er sicherstellen, dass das Fahrzeug mit seiner Waschanlage kompatibel ist, wenn es der serienmäßigen Bauweise entspricht. 

Relevanz für die Jura Examensklausur

Der Fall eignet sich in seiner Gesamtheit gut für eine Examensklausur. Zunächst geht es um die Einordnung des getroffenen Vertrags. Außerdem spielen wichtige Fragen der Beweislastverteilung (daher auch für das 2. Examen relevant!) und der Reichweite vertraglicher Nebenpflichten eine Rolle.

Falllösung

In Betracht kommt hier ein Anspruch des M gegen B aus §§ 280 I, 241 II BGB.
I. Schuldverhältnis
Zwischen den Parteien müsste ein Vertrag zustande gekommen sein. Geschuldet ist hier der Erfolg einer Reinigung des Autos. Die Parteien haben daher einen Werkvertrag nach § 631 BGB über die Reinigung des Fahrzeugs geschlossen.
II. Pflichtverletzung, § 241 II BGB
Aus diesem Vertragsverhältnis ergibt sich die Nebenpflicht, das Fahrzeug vor etwaigen Schäden zu schützen.

Da kein Garantievertrag vorgelegen hat (der die Beweislast umkehren könnte), liegt die Beweislast nach den allgemeinen Gesichtspunkten grundsätzlich bei dem Geschädigten (also M). Von diesem Grundsatz kann abgerückt werden, wenn der Geschädigte zumindest nachweisen kann, dass die Gefahr ausschließlich aus dem Verantwortungsbereich des Schädigers herrührt. Das ist hier der Fall.
Hinweis: Sofern die Gefahr ausschließlich aus dem Verantwortungsbereich des Schädigers herrührt, findet folglich eine Beweislastumkehr statt.
Der BGH führt dazu aus: „Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.“
Hierbei ist der Standard nach § 276 II BGB für die im Verkehr erforderliche Sorgfalt an dem Aufwand zu messen, der für die etwaige Sicherung anfällt. Der Hinweis auf alle Spoilerarten ist somit verhältnismäßig. Insbesondere der Umstand, dass auf potenzielle Schäden an Anbauteilen hingewiesen wurde, lässt den BGH vermuten, dass es für den Betreiber erwartbar war, dass ein solches Risiko besteht und er sich somit informieren muss, welche Fahrzeuge mit seiner Waschstraße kompatibel sind.
Der Hinweis war zudem nur auf nicht serienmäßig angebrachte Anbauteile ausgerichtet, der Spoiler war aber gerade Serie an dem Fahrzeug.
Der Heckspoiler war vor der Einfahrt in die Waschstraße ordnungsgemäß und serienmäßig an dem Fahrzeug montiert. Laut BGH liegt der Schaden somit vollkommen im Gefahren- und Obhutsbereich des Waschanlagenbetreibers.
III. Vertretenmüssen des Schuldners
Das Vertretenmüssen des Schuldners wird gem. § 280 I 2 BGB vermutet. B konnte sich nicht exkulpieren und hat insofern die Pflichtverletzung zu vertreten.
IV. Schaden
Der Schaden liegt in der Beschädigung des Heckspoilers. Dieser ist auch kausal auf die Nutzung der Waschanlage zurückzuführen.
V. Rechtsfolge
Gem. § 249 I BGB ist der Zustand herzustellen, der vor dem schädigenden Ereignis bestanden hat. Der Schadenersatz in Geld ergibt sich hier aus § 249 II BGB.

Fazit: Der Waschanlagenbetreiber haftet

Ein aktuelles Urteil, das sich hervorragend als Vorlage für eine Examensklausur oder einen Fall in der mündlichen Prüfung eignet.
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