BGH zur drogenbedingten Fahruntüchtigkeit (§ 315c StGB)

26.02.2025 | von Sander Singer

BGH, Beschluss vom 14.08.2024 – 4 StR 251/24

Die Straßenverkehrsdelikte sind ein Dauerbrenner im 1. und 2. juristischen Examen. Dies liegt darin begründet, dass sie klassische „Massenstraftaten“ des täglichen Lebens sind und daher auch die Prüfer (häufig Richter und Staatsanwälte) mit ihnen in ihrer Arbeit konfrontiert sind. Auch lassen sich die Straßenverkehrsdelikte vortrefflich mit anderen examensrelevanten Straftatbeständen (v.a. Tötungsdelikte und Körperverletzungsdelikte) kombinieren.
In der Entscheidung BGH, Beschluss vom 14.08.2024 – 4 StR 251/24, ging es um die wichtige Frage, wann eine strafrechtliche relevante Fahruntüchtigkeit beim Konsum von Rauschmitteln vorliegt.

Sachverhalt (klausurgerecht aufgearbeitet)

Der Täter T ist Schleuser. Auf seiner Tour durch Deutschland verbringt er insgesamt 25 türkischstämmige Personen – ohne gültige Aufenthaltserlaubnis - mithilfe eines Transporters über die deutsche Grenze. Nachdem er bereits einige geschleuste Personen abgesetzt hat und sich noch 14 Personen, davon eine auf dem Beifahrersitz und 13 ungesichert auf der Ladefläche befunden haben, wurde eine Polizeistreife auf den T aufmerksam, der den Transporter führte.
T ignorierte die polizeilichen Haltesignale und fuhr stattdessen mit teils hoher Geschwindigkeit von den Beamten davon. Hierbei überschritt er mehrfach die innerorts geltende Geschwindigkeitsbegrenzung und führte mindestens drei Fahrmanöver durch, die von den Beamten als „Beinaheunfälle“ bezeichnet wurden. Einmal schleuderte das Fahrzeug über einen Bahnübergang. Ein weiteres Mal kippte es bei einer Bordsteinberührung fast um. Zuletzt durchfuhr T einen Kreisverkehr entgegen dem Uhrzeigersinn und durch den Gegenverkehr.
Nachdem T durch die Beamten festgenommen wurde, wurde eine Blutentnahme durchgeführt. Hierbei stellte sich heraus, dass der T eine erhebliche Menge Methamphetamin und Amphetamine anderer Art konsumiert hatte.
Hat T sich gem. § 315c StGB strafbar gemacht?

Das Wissen für Deine Jura Klausur

1. Systematik der Straßenverkehrsdelikte

In einer Klausur mit Straßenverkehrsdelikten ist es zunächst wichtig, sich deren grundlegende Systematik vor Augen zu halten.
§ 315b StGB (Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr) umfasst grds. nur Eingriffe von außen in den Straßenverkehr. Lediglich unter den Voraussetzungen des sog. pervertierten Inneneingriffs sind auch Inneneingriffe aus dem fließenden Verkehr heraus von § 315b StGB erfasst (dann häufig qualifiziert nach § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 StGB).
§ 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) stellt die Gefährdung des Straßenverkehrs (von innen) durch fahruntüchtige (Abs. 1 Nr. 1) oder durch grob verkehrswidrige und rücksichtslose (Abs. 1 Nr. 2) Fahrer unter Strafe.
§ 316 StGB, der das Fahren unter dem Einfluss von Alkohol oder anderer berauschender Substanzen unter Strafe stellt, ist zu § 315c StGB formell subsidiär.
Der (relativ neue) § 315d StGB stellt verbotene Kraftfahrzeugrennen unter Strafe.
Bei Unfällen ist zudem immer an § 142 StGB (Unfallflucht) zu denken.
Tipps fürs 2. Examen: Denkt immer auch (sofern der Bearbeitervermerk Straftatbestände außerhalb des StGB nicht ausschließt) an § 21 StVG (Fahren ohne Fahrerlaubnis), § 22 StVG (Kennzeichenmissbrauch) sowie den Gebrauch eines Fahrzeugs ohne die notwendige Haftpflicht nach § 6 PflVG. Darüber hinaus wird (v.a. in der StA-Klausur) immer auch die Entziehung der Fahrerlaubnis gem. §§ 69 ff. StGB relevant.

2. Zur Fallfrage: Wann liegt Fahruntüchtigkeit bei Rauschmittelkonsum vor?

§ 315c Abs. 1 Nr. 1a) StGB setzt im objektiven Tatbestand u.a. voraus, dass der Täter fahruntüchtig ist.
Bei der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit wird dies ab Erreichen der sog. absoluten Fahruntüchtigkeit unwiderlegbar vermutet. Die Grenze wird hier bei 1,1 Promille für Kraftfahrzeugführer (hierunter fallen auch E-Scooter!) und bei 1,6 Promille für Fahrradfahrer gezogen.
Bei anderen Substanzen müssen hingegen immer drogenbedingte Ausfallerscheinungen des Täters im konkreten Einzelfall positiv festgestellt werden. Im Gegensatz zu Alkohol gibt es hier derzeit aus wissenschaftlicher Sicht keine festen Grenzwerte.
Es bedarf deshalb nach Ansicht des BGH neben dem Blutwirkstoffbefund (Anm.: Feststellung einer Konzentration des Rauschmittels im Blut) noch „weiterer aussagekräftiger Beweisanzeichen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des betreffenden Kraftfahrzeugführers so weit herabgesetzt war, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern.“
Vorliegend wurde festgestellt, dass T diverse Amphetamine, d.h. verbotene Rauschmittel, zu sich genommen hatte. Auch war seine Fahrweise gefährlich. Jedoch kann dem Sachverhalt nicht entnommen werden, dass die gefährliche Fahrweise auf die Drogen zurückzuführen war. Das gefährliche Fahrverhalten kann vielmehr auch durch den Fluchtwillen des T, der Polizei zu entkommen, bedingt sein.
Daher liegt vorliegend keine Fahruntüchtigkeit des T vor und er hat sich nicht gem. § 315c StGB strafbar gemacht.
Hinweis: Der Fall verdeutlicht einmal mehr, wie wichtig es ist, den Sachverhalt genau zu lesen. Vorliegend wird nur mitgeteilt, dass der T waghalsig fuhr und Drogen in seinem Blut festgestellt wurden. Informationen hinsichtlich der Frage, ob seine Fahrweise drogenbedingt war, sind hingegen nicht enthalten.

Einordnung des Urteils für Jura Studium & Examen

Als Delikte der Alltagskriminalität sind die Straßenverkehrsdelikte nicht nur im 1., sondern gerade auch im 2. Staatsexamen äußerst beliebt. Gerade durch die hier dargestellten Unterschiede zum „Normalfall“ der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit, eignet sich diese Entscheidung des BGH gut für eine Examensklausur.
Generell gilt das bereits Gesagte: Lies den Sachverhalt immer aufmerksam, denn der Teufel liegt sprichwörtlich oft im Detail.
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Relevante Rechtsprechung

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