Allgemeines

Art. 2 I GG spricht von dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Garantiert wird nach h.M. die allgemeine Handlungsfreiheit in einem weiten, alle Lebensbereiche umfassenden Sinne. Jeder soll „tun und lassen“ können, was er möchte.

Lange Zeit war der genaue Aussagegehalt des „Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit“ umstritten. Es war nicht klar, was zur freien Entfaltung der Persönlichkeit gehören sollte, welche Verhaltensweisen Art. 2 I GG also schützen will. Heute ist die Lehre von der allgemeinen Handlungsfreiheit die herrschende Meinung hierzu.


 

Was ist von der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützt?

Ansicht früher: Früher war der sachliche Schutzbereich des Art. 2 I GG enger gefasst. Geschützt werden sollte nur ein auf den Kernbereich der Persönlichkeit bezogener Lebensbereich (Persönlichkeitskerntheorie).

Ansicht heute: Nach der Lehre von der allgemeinen Handlungsfreiheit ist jedes Verhalten geschützt, ohne Rücksicht darauf, welche Bedeutung ihm für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt. Das hat zur Folge, dass Art. 2 I GG im Verhältnis zu anderen Freiheitsrechten ein Auffanggrundrecht ist. Wenn aber der Schutzbereich eines anderen, spezielleren Freiheitsrechts berührt ist, tritt Art. 2 I GG hier hinter zurück und ist höchstens subsidiär anwendbar. Letztlich kann unter Berufung auf Art. 2 I GG jede hoheitliche Maßnahme mit belastendem Charakter vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen werden.




Besondere Schutzwirkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht stellt einen Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit dar und wird aus Art. 2 I iVm Art. 1 I GG entwickelt. Es betrifft sowohl den Gehalt von Art. 2 I GG, der oben beschrieben wurde, als auch die Menschenwürde aus Art. 1 I GG, weil es um den Menschen als Subjekt selbst bzw. das Menschsein geht. Geschützt werden soll die Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen in der engeren persönlichen Lebenssphäre. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat verschiedene Ausformungen:

 
  • Das Selbstbestimmungsrecht

Das Selbstbestimmungsrecht soll es jedem ermöglichen, seine eigene Identität zu bestimmen und sich dieser zu vergewissern (Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung). Die Bildung der eigenen Identität darf nicht beeinträchtigt werden (Recht auf geschlechtliche Identität, Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und selbstbestimmte Sexualität).

 
  • Das Selbstdarstellungsrecht

In der Form des Selbstdarstellungsrechts soll das allgemeine Persönlichkeitsrecht Schutz vor herabwürdigender, fälschlicher und entstellender öffentlicher Darstellung bieten. Dazu gehören das Recht auf Schutz der persönlichen Ehre, also Schutz vor Äußerungen, die das Bild von einem Einzelnen öffentlichen herabzusetzen in der Lage sind. Weiterhin wird das Recht am eigenen Bild und Wort geschützt, heimliches Ab- oder Mithören sowie das Aufnehmen von Äußerungen soll abgewehrt werden können.

 

 
  • Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Der Einzelne soll selbst entscheiden können, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Sachverhalte von ihm offenbart werden. Das betrifft das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, was staatliche Datenerhebungen und Datenverarbeitungen abwehren soll. Der Einzelne hat auch ein Recht, über Datenerhebungen in Kenntnis gesetzt zu werden. Das wirkt sich vor allem auf Videoüberwachung an öffentlichen Orten aus, bei der polizeilichen präventiven Rasterfahndung, beim Zugriff auf persönliche Daten von Telekommunikationsnutzern usw. Die öffentliche Gewalt soll jederzeit rechtfertigen müssen, weshalb Informationen von Bürgern erhoben und verarbeitet werden.

 
  • Das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme

Das Bundesverfassungsgericht hat erst in 2008 diese Ausformung entwickelt, um in Ergänzung zum bereits gewährten Schutz der Privatheit insbesondere auch die Gefahren im Zusammenhang mit dem Umgang mit informationstechnischen Systemen, die soziale Kontakte und Aktivitäten von Nutzern speichern, zu erfassen.  Dies soll Vertraulichkeitsschutz gewährleisten, indem das Nutzerinteresse an der vertraulichen Behandlung der vom System gespeicherten Daten gewahrt wird. Außerdem soll der Bürger darauf vertrauen können, dass bei der Nutzung von informationstechnischen Systemen deren Integrität gewahrt bleiben, sie also nicht angegriffen und beschädigt werden, sodass gespeicherte Daten durch Dritte genutzt werden können.


Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

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