Der Ablauf eines Zivilprozesses
14.02.2024 | von Dr. Robert König



Jeder Jurastudent und Referendar sollte wissen, wie der Zivilprozess in seinen einzelnen Phasen abläuft. Diesbezügliche Fragen werden regelmäßig in den mündlichen Prüfungen des 1. und 2. Staatsexamens gestellt.

Der Ablauf eines Zivilprozesses im Überblick

Im Wesentlichen sind die folgenden 3 Verfahrensstadien zu unterscheiden:
  • Vorprozessuale Phase
  • Erkenntnisverfahren
  • Vollstreckungsverfahren

Vorprozessuale Phase (außergerichtlich)

Die vorprozessuale Phase erfasst alle im Hinblick auf den Rechtsstreit ausgeführten Tätigkeiten vor der Klageerhebung gem. § 253 I ZPO, also insbesondere die Schriftwechsel zwischen späterem Kläger und Beklagten.
Vereinzelt wird im Zivilprozess eine außergerichtliche Streitschlichtung nach den Streitschlichtungsgesetzen der Bundesländer i.V.m. § 15 a EGZPO vor der Klageerhebung als Zulässigkeitsvoraussetzung vorgeschrieben (BGH, Urteil vom 23.11.2004 – VI ZR 336/03). Dies wird von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt. Berlin schreibt z.B. keine außergerichtliche Streitschlichtung vor. In Brandenburg besteht gem. § 1 I BbgSchlG (Gesetz zur Einführung einer obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung im Land Brandenburg) i.V.m. § 15 a EGZPO hingegen bei Nachbarstreitigkeiten und Ehrverletzungen ein solches Erfordernis.

Erkenntnisverfahren im Zivilprozess (ab Erhebung der Klage)

Das Erkenntnisverfahren umfasst im Zivilprozessrecht das Verfahren von der Klageerhebung gem. § 253 I ZPO bis zu dem Erlangen eines vollstreckbaren Titels. Im Wesentlichen sind die folgenden Abschnitte zu unterscheiden:

Klageerhebung

Eine Klageerhebung gem. § 253 I ZPO liegt vor, wenn das Gericht dem Beklagten die durch den Kläger eingereichte Klageschrift zustellt. Anwälte müssen hierbei gem. § 130d ZPO einen elektronischen Zustellungsweg nehmen. In der Praxis erfolgt dies über das besondere elektronische Anwaltspostfach, kurz beA genannt. Am Amtsgericht besteht im Gegensatz zum Landgericht kein Anwaltszwang, so dass auch eine Privatperson die Klage erheben kann.
Die Rechtshängigkeit des Streitgegenstands im Zivilprozess gem. § 261 ZPO tritt sowohl durch die Klageerhebung gem. § 253 I ZPO (§ 261 I ZPO) als auch durch die Geltendmachung eines Anspruchs in der mündlichen Verhandlung oder aufgrund der Zustellung eines entsprechenden Schriftsatzes im Laufe des Zivilprozesses (§ 261 II ZPO) ein.

Vorbereitung auf den Haupttermin

Nach dem Beschleunigungsgrundsatz gem. Art. 20 III GG i.V.m. Art. 6 I 1 EMRK und der in diesem Sinne in § 272 ZPO enthaltenen Konzentrationsmaxime ist der Rechtsstreit gem. § 272 I ZPO möglichst in einem Haupttermin zu erledigen, wobei dieser gem. § 272 II ZPO auf 2 Arten vorbereitet werden kann:
  • Früher erster Termin (§ 275 ZPO)
  • Schriftliches Vorverfahren (§ 276 ZPO)

Ein früher erster Termin gem. § 275 ZPO wird durch das Gericht unverzüglich nach dem Eingang der Klage bei Gericht angeordnet, wenn ein Rechtsstreit so früh wie möglich erledigt werden soll. In diesem Zusammenhang kann dem Beklagten gem. § 275 I 1 ZPO eine Frist zur Klageerwiderung gesetzt werden oder aber er ist gem. § 275 I 2 ZPO ohne Fristsetzung aufzufordern, seine Verteidigungsmittel unverzüglich mitzuteilen. Wenn der Beklagte im letzteren Fall nicht oder nicht ausreichend erwidert, setzt ihm das Gericht im Termin eine Frist zur schriftlichen Klageerwiderung gem. § 275 III ZPO.
Im Gegensatz zum schriftlichen Vorverfahren gem. § 276 ZPO bietet sich der frühe erste Termin zur Vorbereitung der Hauptverhandlung v.a. bei weniger umfangreichen Fällen an. Es ist jedoch zu beachten, dass sich an den frühen ersten Termin, der einen vollwertigen Termin der mündlichen Verhandlung darstellt, nicht unbedingt ein weiterer Haupttermin anschließen muss, wenn die Sache bereits entscheidungsreif ist.
Bestimmt das Gericht keinen frühen ersten Termin gem. § 275 ZPO, setzt es i.R.d. schriftlichen Vorverfahrens gem. § 276 ZPO dem Beklagten gem. § 276 I 1, II ZPO eine zweiwöchige Notfrist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft und gem. § 276 I 2 ZPO eine Frist von weiteren 2 Wochen zur Klageerwiderung. Erfolgt keine Anzeige der Verteidigungsbereitschaft, kann gem. § 331 III ZPO ein Versäumnisurteil gem. §§ 330 ff. ZPO ergehen.
Wenn hingegen die Klageerwiderungsfrist gem. § 276 I 2 ZPO versäumt wird, ergeht kein Versäumnisurteil, sondern ein „normales“ Endurteil. Die Fristversäumnis kann sich insofern auf dieses Urteil auswirken, als dass es unter den Voraussetzungen des § 296 I ZPO zu einer Präklusion der verspäteten Angriffs- und Verteidigungsmittel kommt.
Im Gegensatz zu dem frühen ersten Termin gem. § 275 ZPO bietet sich das schriftliche Vorverfahren gem. § 276 ZPO v.a. bei umfangreicheren Fällen an, bei der sich das Gericht ein genaues Bild von dem zu entscheidenden Prozessstoff machen will. Zeigt der Beklagte seine Verteidigungsbereitschaft fristgerecht an und erwidert auf die Klage, so bestimmt das Gericht unverzüglich einen Termin zur Güteverhandlung gem. § 278 II ZPO sowie einen Termin zur mündlichen Verhandlung (Haupttermin), zu dem die Prozessparteien geladen werden.

Güteverhandlung: Bemühen des Gerichts um Einigung

Nach § 278 II ZPO geht der mündlichen Verhandlung im Zivilprozess grds. eine Güteverhandlung voraus. Durch sie soll versucht werden, den Streit einvernehmlich beizulegen, was gem. § 278 II 2 ZPO erfordert, dass das Gericht bereits an dieser Stelle den Sach- und Streitstand mit den Parteien zu erörtert. Bleibt die Güteverhandlung erfolglos, soll sich gem. § 279 I 1 ZPO grds. die mündliche Verhandlung anschließen. Darüber hinaus soll das Gericht gem. § 278 I ZPO allgemein in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinwirken.
Die Güteverhandlung gem. § 278 II ZPO gehört nicht zur mündlichen Verhandlung, weshalb bei einem betreffenden Ausbleiben der Prozessparteien kein Versäumnisurteil gem. §§ 330 ff. ZPO ergehen kann (Zeiss / Schreiber, Zivilprozessrecht, Rn. 210).

Verhandlungstermin (mündliche Verhandlung) mit Beweisaufnahme

Nach dem Beschleunigungsgrundsatz gem. Art. 20 III GG i.V.m. Art. 6 I 1 EMRK und der in diesem Sinne in § 272 ZPO enthaltenen Konzentrationsmaxime ist der Rechtsstreit gem. § 272 I ZPO möglichst in einem Haupttermin zu erledigen.
Aufgrund dessen sollen die Güteverhandlung gem. § 278 II ZPO, die streitige mündliche Verhandlung und die Beweisaufnahme gem. § 284 ZPO grds. allesamt an einem einzigen Termin stattfinden.
Der genaue Ablauf der gesamten Verhandlung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, jedoch hat sich im Wesentlichen der folgende siebenstufige Ablauf etabliert:
  • Beginn des Verhandlungstermins durch den Aufruf der Sache durch den Vorsitzenden Richter (§ 220 I ZPO)
  • Der Vorsitzende eröffnet die Verhandlung nach § 136 I ZPO und stellt die Anwesenheit der Beteiligten nach § 160 I Nr. 4 ZPO fest
  • Güteverhandlung nach § 278 II ZPO mitsamt gerichtlicher Erörterung des Sach- und Streitstands nach § 278 II 2 ZPO
  • Streitige mündliche Verhandlung, in der die Prozessparteien nach § 137 I ZPO ihre Anträge stellen und nach § 137 II ZPO ihre Ansichten über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage mitteilen
  • Unterbrechung der streitigen Verhandlung durch die Beweisaufnahme nach § 284 ZPO
  • Wiedereintritt in die streitige Verhandlung
  • Schluss der Verhandlung (§ 136 IV ZPO)

Im Hinblick auf die Beweisaufnahme gem. § 284 ZPO ist zu beachten, dass sie kein Bestandteil der mündlichen Verhandlung ist, sondern diese unterbricht. Ziel der Beweisaufnahme ist es, streitige Sachverhaltsfragen zu klären und den Rechtsstreit entscheidungsreif werden zu lassen. Im Anschluss an die Beweisaufnahme erfolgt ein Wiedereintritt in die streitige Verhandlung mitsamt einer erneuten gerichtlichen Erörterung des Sach- und Streitstands, nunmehr jedoch unter Einbeziehung der Ergebnisse der Beweisaufnahme. Nach der gerichtlichen Einschätzung erhalten die Prozessparteien die Möglichkeit, ihre aktuellen Ansichten über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage mitzuteilen und ggf. weitere Beweisanträge zu stellen. Sollte der Rechtsstreit entscheidungsreif sein, schließt der Vorsitzende Richter gem. § 136 IV ZPO die Verhandlung.

Urteil (§§ 300 ff. ZPO)

Nach dem auf § 136 IV ZPO beruhenden Schluss der mündlichen Verhandlung erlässt das Gericht ein Urteil gem. §§ 300 ff. ZPO. In diesem Zusammenhang wird gem. § 310 I ZPO grds. ein gesonderter Verkündungstermin bestimmt, bei dem nicht mehr zur Sache verhandelt, sondern nur noch die betreffende Entscheidung bekannt gegeben wird. Vereinzelt können der Schluss der mündlichen Verhandlung und der Tag der Entscheidungsverkündung jedoch auch identisch sein („Stuhlurteil“). Im Anschluss an die Verkündung wird das Urteil den Prozessparteien bzw. ihren Prozessbevollmächtigten zugestellt.

Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 ff. ZPO)

Bei der gerichtlichen Kostenentscheidung handelt sich um die Kostengrundentscheidung, die prinzipiell jedes Endurteil unter Beachtung des Grundsatzes der Kosteneinheit enthalten muss. Die Kostengrundentscheidung regelt im Zivilprozess, wer die Prozesskosten, also die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten abseits der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu tragen hat. Über die Höhe der betreffenden Kosten wird hingegen nicht entschieden. Dies erfolgt erst in den jeweiligen Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff. ZPO. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragt diejenige Prozesspartei, die nicht die Prozesskosten zu tragen hat, bei dem Gericht der 1. Instanz einen Vollstreckungstitel zur Eintreibung dieser Kosten gem. § 794 I Nr. 2 ZPO.

Vollstreckungsverfahren (Zwangsvollstreckung)

Die Zwangsvollstreckung dient der Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche, die durch einen im Erkenntnisverfahren erstrittenen Vollstreckungstitel festgestellt sind. Die entsprechenden Regelungen finden sich in den §§ 704 ff. ZPO, dem Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) sowie der Grundbuchordnung (GO).

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Dr. Robert König
 


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