Zu unterscheiden ist wie in den meisten Streitfällen die Auffassung der Rechtsprechung des BGH und die der „herrschenden Lehre“.




In welchem Verhältnis stehen Mord und Totschlag laut BGH zueinander?

Laut BGH (BGHSt 1, 368) stehen Mord gem. § 211 StGB und Totschlag gem. § 212 StGB in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander, d.h. beides sind selbständige, voneinander unabhängige Tatbestände.


 

In welchem Verhältnis stehen Mord und Totschlag laut herrschender Lehre zueinander?

Laut herrschender Lehre (Leipold / Tsambikakis / Zöller – Mitsch, § 212 StGB Rn. 1) ist der Mord gem. § 211 StGB eine Qualifikation zum Totschlag gem. § 212 StGB. Die Mordmerkmale des § 211 StGB schärfen die Strafe des Täters.


 

Bedeutung für § 28 StGB (besondere persönliche Merkmale)

Je nach dem, ob man Rechtsprechung oder Lehre folgt, sind unterschiedliche Absätze des § 28 StGB auf eine Strafbarkeitsprüfung anwendbar:
  • Folgt man der Rechtsprechung, begründen die Mordmerkmale des § 211 StGB die Strafbarkeit des Täters im Sinne von § 28 I StGB.
     
  • Folgt man der Literatur, ist § 28 II StGB anwendbar, da die Mordmerkmale strafschärfend wirken.


 

Stellungnahme: Welcher Ansicht ist zu folgen? Ist § 28 I oder § 28 II StGB anwendbar?

Pro Rechtsprechung (Exklusivität)
Für die Auffassung der Rechtsprechung spricht die Systematik des Gesetzes: § 211 StGB steht vor § 212 StGB, obwohl eine Qualifikation normalerweise nicht vor dem Grundtatbestand steht. Auch in sonstigen Fällen nenne das Gesetz nie die Qualifikation vor dem Grundtatbestand, bspw. bei § 242 und § 244 I StGB.

Außerdem seien nach Rechtsprechung Mörder und Totschläger andere Tätertypen. Dies gehe aus dem Wortlaut der beiden Tatbestände hervor: „Mörder ist, wer…“ und „Wer tötet, ohne Mörder zu sein…“. Die Tätertypenlehre gilt heute als überholt.

Es wird von der Rechtsprechung weiterhin argumentiert, dass der Unrechtsgehalt des Mordes geleugnet würde, wenn der Mord lediglich als Qualifikation anzusehen wäre. Die Tatbestände haben einen grundlegend unterschiedlichen Unrechtsgehalt und seien daher getrennt voneinander zu sehen. Anderenfalls hätte der Gesetzgeber einfach Mord als „besonders schweren Fall des Totschlags“ bezeichnen können.


Pro Literaturmeinung:
Für die Literaturmeinung spricht, dass der Mordtatbestand die Tötung eines Menschen unter Verwirklichung bestimmter Tatmodalitäten regelt. Diese erhöhen die Strafe, denn sie enthalten ein höheres Unrecht im Vergleich zum Totschlag. Dies entspricht der typischen Gesetzesstruktur von Grund- und Qualifikationsdelikten.
Über den Unwertgehalt hinaus sind keine Unterschiede ersichtlich, sodass eine Trennung in selbständige Tatbestände nicht geboten erscheint.

§ 211 StGB hat die absolut höchste Strafandrohung, was auch als Indiz für die Stellung dieses Tatbestandes im Gesetz sein könnte (Widerlegung des Systematikarguments der Rechtsprechung).
 
Aufgrund der eindeutig besseren Argumente für die Ansicht der Literaraturmeinung, ist es Gang und Gebe, sich dieser in der Klausur anzuschließen. 


Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

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