Der Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 StGB – Das Wichtigste für Deinen Klausurerfolg in schematischer Form dargestellt

14.10.2024 | von Florian Bieker



Bei einer Versuchsprüfung ist es regelmäßig so, dass der Sachverhalt so konstruiert ist, dass ein Rücktritt vom Versuch gemäß § 24 StGB zu prüfen ist. Die Bedeutung und Relevanz für die Strafrechtsklausur sind daher als sehr hoch einzustufen.

Die Bedeutung des Rücktritts in der Strafrechtklausur

Jeder Examenskandidat muss die Grundsätze zum Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB beherrschen. Die grundlegenden Voraussetzungen des Rücktritts werden in § 24 StGB geregelt. Die Kenntnis ist elementar, um im Examen auch unbekannte strafrechtliche Sachverhalte in den Griff zu bekommen. Außerdem handelt es sich um ein Grundlagenthema aus dem Strafrecht AT, sodass dieses Thema in sämtlichen Fallkonstruktionen eingebaut werden kann.
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher die wichtigsten Grundsätze, Prüfungspunkte und Definitionen des Rücktritts näherbringen.

Das Wichtigste zum Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB

1. Allgemeines

Bei dem Rücktritt handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund. Dieser wird nach der Schuld geprüft, sodass sich folgendes Prüfungsschema ergibt.
        

2. kein Fehlschlag

Zunächst ist zu fragen, ob der Versuch fehlgeschlagen ist. Von einem fehlgeschlagenen Versuch kann der Täter nicht mehr zurücktreten. Ein Versuch ist dann fehlgeschlagen, wenn der Täter aus seiner Sicht mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln den tatbestandlichen Erfolg nicht mehr oder nicht mehr ohne zeitliche Zäsur erreichen kann, obwohl er es noch will. Beispiele hierfür sind, dass der Täter nach seinen Vorstellungen von der Tat das Opfer nicht mehr töten kann, weil es sich vermeintlich in Sicherheit gebracht hat, obwohl dies de facto nicht der Fall ist. Im Rahmen des Fehlschlags stellt sich das Sonderproblem des Fehlschlags beim (potenziell) mehraktigen Versuch. Das kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn der Täter mehrfach mit Tötungsvorsatz auf das Opfer schießt, es jedoch nicht tödlich trifft, nach seinen zutreffenden Vorstellungen von der Tat den Erfolg allerdings noch erreichen könnte. Hier stellt sich die Frage, ob der Versuch dann fehlgeschlagen und ein Rücktritt somit ausgeschlossen ist. Das ist strittig.
Einerseits könnte man die Ansicht vertreten, dass die mehreren Einzelakte für sich betrachtet fehlgeschlagen sind und zu einem einheitlichen Geschehen zusammengefasst werden und somit insgesamt ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, sodass ein Rücktritt ausgeschlossen ist (sog. Einzelaktstheorie). Demnach wäre der Versuch fehlgeschlagen und ein Rücktritt ausgeschlossen.
Andererseits könnte man die Ansicht vertreten, dass der Versuch dann fehlgeschlagen ist, wenn der Täter nach seinem Tatplan die Tat nicht mehr vollenden kann (sog. Tatplantheorie). Demnach wäre der Versuch nicht fehlgeschlagen und ein Rücktritt möglich.
Zuletzt könnte man noch die Ansicht vertreten, dass der Versuch dann fehlgeschlagen ist, wenn nach einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles der Täter nach seinen Vorstellungen von der Tat den tatbestandlichen Erfolg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr oder nicht mehr ohne zeitliche Zäsur erreichen kann (sog. Gesamtbetrachtungslehre). Demnach wäre eine Vollendung nach Tätervorstellungen noch möglich und der Versuch nicht fehlgeschlagen und ein Rücktritt möglich.
Oftmals führt letzte und zweite Ansicht zu einem gleichen Ergebnis, sodass ein Streitentscheid zwischen diesen und erster Ansicht nötig ist. Gegen erste Ansicht spricht, dass diese ein einheitliches Geschehen zerstückelt wird und darüber hinaus ist diese Ansicht auch opferfeindlich. Wenn der Täter wegen der Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs nicht mehr zurücktreten kann, so stellt sich die Frage, warum er dann seine Handlungen noch abbrechen soll. Daher ist diese Ansicht abzulehnen.

3. Rücktrittshandlung

Bei der nötigen Rücktrittshandlung ist zwischen § 24 I und § 24 II StGB zu differenzieren. § 24 I StGB findet bei der Alleintäterschaft Anwendung, § 24 II StGB dagegen bei mehreren Tätern.
Zunächst ist bei § 24 I 1StGB zwischen beendeten und unbeendeten Versuch zu unterscheiden. Bei einem beendeten Versuch hat der Täter nach seinen Vorstellungen von der Tat schon alles Erforderliche zur Tatbestandsverwirklichung getan, sodass er die Vollendung aktiv verhindern muss. Bei einem unbeendeten Versuch hat der Täter noch nicht alles Erforderliche zur Tatbestandsverwirklichung getan, sodass es genügt, wenn der Täter weitere Ausführungen aufgibt.
Bei § 24 I 2 StGB handelt es sich um eine Sondervorschrift, die aus Opferschutzgesichtspunkten existiert. Sie greift dann, wenn der Täter nicht kausale Rücktrittshandlungen und ernsthafte Bemühungen anstellt, um die Tatbestandsverwirklichung zu verhindern.
Bei mehreren Beteiligten ist gemäß § 24 II 1 StGB erforderlich, dass der entsprechende Beteiligte die Vollendung aktiv verhindert. Einfaches Aufgeben der Tatausführung genügt nicht. Ausnahmsweise kann bei Vorliegen der Voraussetzungen § 24 II 2 StGB eingreifen. § 24 II StGB greift nicht nur bei der Mittäterschaft, sondern auch in Konstellationen der Teilnahme.
Im Rahmen der Rücktrittshandlung stellt sich unter anderem das Problem des halbherzigen Rücktritts, welches dann vorliegt, wenn der Täter beispielsweise ein schwer verletztes Opfer in der Nähe eines Sanitäterzelts bei einem Volksfest aussetzt und dieses dann von den Sanitätern oder Besuchern aufgegriffen und gerettet wird. Die Behandlung von dem halbherzigen Rücktritt ist strittig.
Einerseits könnte man die Ansicht vertreten, dass der Täter nicht ausreichende Rücktrittshandlungen ergriffen hat und demnach ein Rücktritt ausscheidet (sog. Belastungstheorie).
Andererseits könnte man die Ansicht vertreten, dass der Täter ein Rettungsgeschehen kausal veranlasst hat und das für das Vorliegen einer Rücktrittshandlung genügt (sog. Chanceneröffnungstheorie). Demnach würde eine Rücktrittshandlung vorliegen und ein strafbefreiender Rücktritt ist möglich.
Entscheidend für letzte Ansicht spricht, dass erste Ansicht opferfeindlich ist und den Täter dazu veranlassen könnte gar keine Rettungshandlungen zu ergreifen. Daher sind nicht zu überzogene Anforderungen an die Rücktrittshandlungen zu fordern. Konkrete Anforderungen an die Rücktrittshandlungen lassen sich dem Gesetz auch nicht entnehmen.

4. Freiwilligkeit

Zuletzt müsste der Täter freiwillig zurückgetreten sein. Das bedeutet, dass der Täter aus autonomen Motiven zurücktreten muss und Herr seiner Entschlüsse ist. Beispiele hierfür sind unter anderem, dass der Täter wegen Reue oder Schamgefühl von der Tatbestandsverwirklichung absieht. Die Freiwilligkeit entfällt beispielsweise bei Erhöhung des Entdeckungsrisikos derart, dass der Täter alleine aufgrund dieses Risikos von der Tatverwirklichung absieht.

5. Rechtsfolge

Rechtsfolge des strafbefreienden Rücktritts nach § 24 StGB ist, dass der Täter straffrei ist. Zu beachten ist, dass eine Teilnahme an einem Versuch mit strafbefreiendem Rücktritt trotzdem möglich bleibt, weil es sich eben nur um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund handelt.

Fazit zum Rücktritt gemäß § 24 StGB

Die herausragende Bedeutung der juristischen Grundlagen der Rücktrittsprüfung im Rahmen des Strafrechts AT sollte jedem Studenten bewusst sein.
Die solide Kenntnis des Prüfungsschemas und des klassischen Meinungsstreits des Rücktritts gehört schon im 1. Staatsexamen zum Pflichtprogramm. Sie sind sehr häufiger Gegenstand einer Strafrechtsklausur, weil sich die Versuchsstrafbarkeit inklusive Rücktritt in jeder Strafrechtsklausur einbauen lässt.
Insbesondere bei einer Klausur mit Rücktrittsprüfung ist der Sachverhalt oftmals auch darauf angelegt, sodass die meisten Studenten diesen auch prüfen werden und man sich mit nur mit einer sauberen Prüfung und Darstellung der Streitstände von den übrigen Mitstreitern absetzen kann.
Solltet Ihr Euch im Strafrecht AT und speziell der Rücktrittsprüfung noch nicht examensreif fühlen, vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin. Unsere erfahrenen Dozenten der Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite.

Florian Bieker

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