Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in der Klausur. So schwierig zu erkennen oder doch ganz einfach?



Stellen wir uns simpel folgenden Fall vor:

Der Mieter M kommt abends unten im Hausflur durch die Haupteingangstür des Mietshauses gehend nach Hause. Er ist nicht alleine unterwegs, sondern möchte seiner langjährigen Verlobten L endlich einmal seine Wohnung zeigen. Die L ist schon ganz aufgeregt und kann es nicht abwarten die Wohnung des M „zu begutachten“. Die Freude währt nicht lange. Als Beide gemütlich, in trauter Zweisamkeit, die Treppe in das dritte Stockwerk nach oben gehen, rutscht die L auf einmal auf einer Treppenstufe aus, weil sich der Hausflurteppich von der Befestigung und damit von Holzboden einer Treppenstufe gelöst hat. Ursache des Schlamassels war eine lockere Schraube. Der Angestellte A (Hausmeister) des Vermieters V, auf Minijobbasis arbeitend, hat nämlich, weil er sich „einen Lenz machen wollte“, die übliche jährliche vorgeschriebene Überprüfung der Teppichbefestigungen, unterlassen. Der A, seit 20 Jahren für den V tätig, arbeitet sonst immer sorgfältig und V überprüfte den A auch stetig im erforderlichen Maße. L muss leider mit einem gebrochenen Bein sofort ins Krankenhaus gebracht werden. Die Krankenhauskosten betragen nach 2 Wochen Aufenthalt 5.000 €.

Fallfrage: Wie ist die Rechtslage?

Abgekürzt gesprochen, wird die L auf gar keinen Fall nach der hiesigen Fallgestaltung irgend welche Ansprüche gegen den L haben. Der ggf. in Betracht kommende § 823 I BGB scheitert schon an einer entsprechenden Verletzungshandlung/einem Unterlassen.

Ebenso wird die L zwar rein rechtlich gegen den A aus § 823 I BGB vorgehen können (alle Tatbestandsmerkmale liegen unstreitig vor), ggf. auch aus § 823 II BGB i.V.m. 229 StGB. Gleichwohl, da der A auf Minijobbasis angestellt ist, wird er nicht sonderlich solvent sein, um die hohen Krankenhauskosten (in der Praxis) bezahlen zu können.

Gegen den V vorgehend, rein am Gesetz arbeitend, werden vertragliche Ansprüche direkt aus einem eigenen Vertrag mit dem V nicht in Betracht zu ziehen sein, da unsere L keinen eigenen Mietvertrag mit dem V geschlossen hat. Einzig bleiben deliktische Ansprüche in Betracht zu ziehen. Der § 831 BGB wird hier augenfällig am S. 2 der Vorschrift scheitern. Unser V hat den A immer sorgfältig überwacht und auch keinen Anlass gehabt von einer unsorgfältigen Ausübung der Hausmeistertätigkeit des A auszugehen. Von der daher wird eine Exculpation möglich sein. Ein Anspruch aus § 823 I BGB gegen den V wird spätestens am Verschulden scheitern (wenn nicht schon oben bei der Prüfung des Handelns/Unterlassens). Ein eigenes Verschulden aus § 276 I BGB ist nicht ersichtlich, ebenso wenig darf § 278 BGB im Deliktsrecht herangezogen werden.

Die einzige Möglichkeit für die L an valide Ansprüche heranzukommen wird nun über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bestehen:

Die L wird per se auf Basis dieses Rechtsinstituts in den Schutzbereich des Mietvertrages des M mit dem V einbezogen. Kurz dargestellt sähe eine Prüfung wie folgt aus:

Anspruch aus §§ 536a Abs. 1 BGB i.Vm. den Grundsätzen des VmSzD (+)

I) Wirksamer Mietvertrag (M-V) à (+)

Vorliegen der Vss. des VmSzD (+)
 
  1. Leistungsnähe (L kommt typischer Weise mit den Leistungen des V genauso in Kontakt wie der Vertragspartner M) (+)
 
  1. Gläubigernähe (Gläubiger der vertraglichen Leistung des V ist der M. M hat auch (Wohl und Wehe) ein Einbeziehungsinteresse hinsichtlich der L (Verlobtenstatus) (+)
 
  1. Erkennbarkeit (für den Schuldner der vertraglichen Leistung V ist nach objektiven Gesichtspunkten auch erkennbar, dass ein Mieter nahe Verwandte/Verlobte usw. mit in das Haus/die Wohnung bringt (+)
 
  1. Schutzbedürftigkeit (die L hat auch keinen eigenen vertraglichen gleichwertigen Anspruch (siehe oben) gegen den V (+)

II) Pflichtverletzung (A hat die Befestigung nicht gewartet) (+)

III) Verschulden (Fahrlässigkeit (Vermutung über § 280 I S. 2 BGB) des A wird über 278 BGB zugerechnet) (+)

IV) Kausaler Schaden (5.000 € KH-Kosten) (+)

Wie Ihr seht, kommt die L über dieses „Konstrukt“ des VmSzD in den „Genuss“ aller Vorteile einer vertraglichen Haftung:

I) Vorteile der Verschuldensvermutung aus § 280 I S. 2 BGB

II) Vor allem Vorteil der Anwendbarkeit des § 278 BGB (was im Deliktsrecht nicht möglich ist!!!!)

III) Ein Vorgehen gegen den „solventeren“ Chef ist damit in der Praxis möglich


Wir wünschen viel Erfolg beim Lernen! Euer Team der Akademie Kraatz und Assessor Akademie!“

 

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