Die Anfechtungsklage – alles Wissenswerte kompakt für Dich dargestellt


04.10.2024 I Florian Bieker

Die Anfechtungsklage ist einer der examensrelevantesten Klagen aus dem Bereich des öffentlichen Rechts. Sie ist dem Bereich Verwaltungsrecht AT zuzuordnen und zählt somit zu den Grundlagen des öffentlichen Rechts. Klausuren, die eine Anfechtungsklage zum Gegenstand haben, sind nicht selten. Daher bietet es sich an die Anfechtungsklage in diesem Beitrag in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen.

Die Bedeutung der Anfechtungsklage in der Klausur

Jeder Examenskandidat muss das Schema und die Definitionen der Anfechtungsklage sicher beherrschen. Im Rahmen einer Klausur werden vor allem Fehler im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung besonders hart bestraft, da hier meistens wenig Probleme eingebaut werden und es somit häufig auf einen sauberen Aufbau, eine ordentliche Definition und saubere Subsumtion ankommt. In der Begründetheit folgt dann oftmals der anspruchsvolle Teil der Klausur. Allerdings existiert auch hier ein grundlegendes Schema, um jegliche Fälle in den Griff zu bekommen.
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher den Aufbau einer Anfechtungsklage näherbringen.

Die Zulässigkeit und Begründetheit der Anfechtungsklage

Die Anfechtungsklage hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.
 

A) Zulässigkeit

1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gem. § 40 I VwGO

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges richtet sich bei Fehlen einer aufdrängenden Sonderzuweisung nach § 40 I 1 VwGO. Aufdrängende Sonderzuweisungen sind beispielsweise § 54 I BeamtStG oder § 126 I BBG. Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind, § 40 I 1 VwGO. Öffentlich-rechtlich ist eine Streitigkeit dann, wenn das Rechtsverhältnis, aus dem sich der Klageanspruch ableitet, öffentlich-rechtlich ist. Zur Ermittlung, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt, werden dem Grunde nach fünf Theorien vertreten, die nicht alle in einer Klausur dargestellt werden müssen, sondern die jeweils passende Theorie herangezogen werden kann.
Zum einen ist die modifizierte Subjektstheorie in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Demnach handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, wenn sich die streitentscheidenden Normen ausschließlich an einen Hoheitsträger richten und diesen in seiner Eigenschaft als Hoheitsträger berechtigen und verpflichten, wie beispielsweise die §§ 48, 49 VwVfG.
Außerdem wird die sog. Subordinationstheorie vertreten, die besagt, dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit dann vorliegt, wenn ein Über – und Unterordnungsverhältnis besteht, wie insbesondere bei dem Begehren oder Erlass eines Verwaltungsaktes.
Eine weitere Theorie, die in diesem Zusammenhang vertreten wird, ist die sog. Kehrseitentheorie, welche besagt, dass die Maßnahme die gleiche Rechtsnatur hat, wie die zu rückgängig machende Maßnahme (sog. Kehrseitentheorie).
Außerdem wird die Ansicht vertreten, dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit dann vorliegt, wenn ein eindeutiger Sachzusammenhang mit einem öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich besteht, was unter anderem dann der Fall ist, wenn sich z.B. ein Bürgermeister öffentlich über gewisse Parteien oder Kollegen äußert oder eine Geruchsbelästigung durch eine städtische Kläranlage vorliegt (Sachzusammenhangstheorie).
Zuletzt wird noch die sog. Zweistufentheorie im Rahmen der Leistungsverwaltung vertreten, die besagt, dass zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“ zu differenzieren ist. Auf der Stufe des „Wie“ kann es sich sowohl um eine privatrechtliche als auch eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handeln. Handelt es sich jedoch um eine Streitigkeit, die das „Ob“ der Leistungsgewährung betrifft, so handelt es sich stets um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, wie beispielsweise dann, wenn es um die Frage geht, ob eine Subvention gewährt werden muss.
In einem weiteren Schritt ist dann zu klären, ob die öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art ist. Eine Streitigkeit ist dann verfassungsrechtlicher Art, wenn Staatsverfassungsorgane über Verfassungsrecht im formellen Sinne streiten. Bei diesem Prüfungspunkt handelt es sich selten um einen problematischen Prüfungspunkt, sodass man sich hier kurz halten kann.
Zuallerletzt ist dann noch zu prüfen, ob eine abdrängende Sonderzuweisung vorliegt. Hier ist beispielsweise an § 40 II 1 VwGO oder besonders im Polizeirecht an die §§ 23 ff. EGGVG zu denken und diese auch unbedingt dann anzusprechen, welche jedoch nur dann greifen, wenn es sich um eine repressive Maßnahme handelt. Bei präventiven Maßnahmen ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.
Ergibt sich nach der Prüfung, dass es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art handelt, wo nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist, so ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 I 1 VwGO eröffnet. Wichtig zu wissen ist noch, dass eine bei einem falschen Gericht erhobene Klage nicht zur Unzulässigkeit der Klage führt, sondern die Klage gemäß § 83 VwGO i.V.m. §§ 17a I, 17b I 2 GVG an das richtige Gericht verwiesen wird.

2. statthafte Klageart § 88 VwGO

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren. Bei einer Anfechtungsklage nach § 42 I Alt. 1 VwGO muss der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehren. Was ein Verwaltungsakt ist, ist in § 35 S.1 VwVfG geregelt. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Besonders beliebt und problematisch sind hier die Merkmale Regelung und Außenwirkung.
Eine Regelung meint, dass die Maßnahme darauf gerichtet sein muss eine Rechtsfolge herbeizuführen. Reine Realakte (z.B. reine Geldauszahlungen oder Ingewahrsamnahme), Hinweise, Wiederholungen eines Verwaltungsaktes oder Äußerungen eines Bürgermeisters beispielsweise sind keine Regelungen und somit keine Verwaltungsakte.
Außenwirkung des Verwaltungsaktes ist dann gegeben, wenn er den verwaltungsinternen Bereich verlässt, was zum Beispiel bei Maßnahmen gegenüber Beamten durchaus problematisch sein kann und nur dann von Außenwirkung gesprochen werden kann, wenn der Beamte in seiner Eigenschaft als Privatperson betroffen ist.
Auf alle weiteren Merkmale wird im Blogartikel speziell zu Verwaltungsakten näher eingegangen.
Begehrt der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, so handelt es sich bei der Anfechtungsklage nach § 42 I Alt. 1 VwGO um die statthafte Klageart.

3. Vorverfahren §§ 68 ff. VwGO

Weiterhin muss ein Vorverfahren erfolglos durchgeführt worden sein. Der Zweck des Vorverfahrens besteht darin, dass die Gerichte entlastet werden, dem Rechtsschutz des Bürgers Genüge getan wird und die Selbstkontrolle der Verwaltung ermöglicht wird. Gem. § 68 I 1 VwGO ist vor Erhebung einer Anfechtungsklage ein solches Vorverfahren grundsätzlich durchzuführen. Ausnahmen sind in § 68 I 2 VwGO und im jeweiligen Landesrecht vorgesehen.

4. Klagebefugnis § 42 II VwGO

Die Klagebefugnis richtet sich nach § 42 II VwGO. Demnach ist der Kläger klagebefugt, wenn nach seinen substanziierten Behauptungen die Möglichkeit besteht, dass er in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten möglicherweise verletzt ist (sog. Möglichkeitstheorie). Nach der sog. Adressatentheorie ist der Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes immer klagebefugt, weil hier eine Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten nicht ausgeschlossen und somit möglich ist. Wichtig ist in diesem Prüfungspunkt, dass nur die Möglichkeit einer Verletzung geprüft wird. Ob eine tatsächliche Verletzung des Klägers vorliegt, ist eine Frage der Begründetheit. 

5. Richtiger Klagegegner § 78 I Nr. 1 VwGO

Der richtige Klagegegner ist nach dem sog. Rechtsträgerprinzip gemäß § 78 I Nr. 1 VwGO zu ermitteln.

6. Klagefrist § 74 I VwGO

Die Klagefrist richtet sich nach § 74 I 1 VwGO. Demnach ist die Klage innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheid zu erheben. Ist ein Widerspruchsbescheid nach § 68 VwGO nicht erforderlich, so ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben, § 74 I 2 VwGO.

7. Beteiligungs – und Prozessfähigkeit §§ 61, 62 VwGO

Die Beteiligungs – und Prozessfähigkeit richtet sich nach den §§ 61, 62 VwGO. Hier ist Gesetzesarbeit gefragt und Kläger und Beklagter jeweils unter die passende Vorschrift zu subsumieren.

8. Form §§ 81, 82 VwGO

Die Form der Klage ist in §§ 81, 82 VwGO geregelt. Gemäß § 81 I 1 VwGO ist die Klage schriftlich bei dem Gericht zu erheben.

9. Zwischenergebnis

Ergibt sich bei einer Prüfung dieser Punkte, dass die Voraussetzungen alle vorliegen, so ist die Klage im Ergebnis zulässig.
 

B) Begründetheit

Die Anfechtungsklage ist gemäß § 113 I 1 VwGO dann begründet, wenn der Verwaltungsakt tatsächlich rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist. Auch hier sollte man nach einem festen Schema vorgehen. Das bedeutet, dass man zunächst die Ermächtigungsgrundlage des Verwaltungsakts ermittelt und anschließend prüft, ob der Verwaltungsakt formell und materiell rechtmäßig ist. Zuletzt ist eine Prüfung der Rechtsverletzung des Klägers erforderlich. Das Erfordernis für eine Ermächtigungsgrundlage ergibt sich aus der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes, welche sich aus dem Rechtsstaatprinzip nach Art. 20 III GG ableitet. Im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit ist die Zuständigkeit der Behörde (z.B. 60 HBO), das Verfahren (z.B. § 28 VwVfG oder § 36 BauGB) und die Form (z.B. § 37 VwVfG) zu prüfen. Im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeitsprüfung erfolgt dann eine Tatbestandsprüfung der Ermächtigungsgrundlage und eine Rechtsfolgenprüfung (oftmals, ob die Behörde ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt hat). Zuletzt ist dann noch zu prüfen, ob der Kläger durch den rechtswidrigen Verwaltungsakt in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist, was bei einem rechtswidrigen Verwaltungsakt unproblematisch für die allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG zu bejahen ist. 
Ist die Klage ebenfalls begründet, so hat sie Aussicht auf Erfolg.

Fazit zur Anfechtungsklage

Die herausragende Bedeutung der Anfechtungsklage sollte jedem Studenten und Examenskandidat bewusst sein. Das Prüfungsschema muss unbedingt beherrscht werden, bevor eine Klausur im öffentlichen Recht angetreten wird. Gerade Fehler in der Zulässigkeit werden besonders hart abgestraft. Prüfungspunkte dürfen hier ebenfalls keine ausgelassen werden, es sei denn diese werden vom Bearbeitervermerk ausgeschlossen.
Die solide Kenntnis der Grundsätze der Anfechtungsklage gehört schon im 1. Staatsexamen zum Pflichtprogramm. Sie sind häufiger Gegenstand der Klausuren im öffentlichen Recht.
Solltet Ihr Euch im Verwaltungsrecht AT noch nicht examensreif fühlen, vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin. Unsere erfahrenen Dozenten der Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite.

Florian Bieker
 

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