Die Bürgschaft gem. § 765 BGB

27.12.2024| von Florian Bieker



Die Bürgschaft ist in den §§ 765 ff. BGB geregelt und stellt ein akzessorisches Sicherungsmittel dar und setzt ein bei den Klausurerstellern beliebtes Dreipersonenverhältnis voraus. Das stellt Studenten oftmals vor großen Herausforderungen, da hier genau zwischen den im Sachverhalt vorhandenen Personen differenziert werden muss. Es ist genau darauf zu achten, welche Anspruchsrichtung abgefragt wird. Darüber hinaus sind viele Einwendungen, die eigentlich nur im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner bestehen, aufgrund der Eigenschaft der Bürgschaft als akzessorisches Sicherungsmittel auch im Verhältnis zwischen Gläubiger und Bürge zu berücksichtigen. Das ermöglicht es dem Klausurersteller eine komplizierte Klausur zu erstellen, auf die Du nach der Lektüre des Blogbeitrags besser vorbereitest sein solltest. Der Beitrag konzentriert sich auf die wichtigsten Prüfungspunkte bei Ansprüchen des Gläubigers gegen einen Bürgen.

Die Bedeutung der Bürgschaft in der Klausur

Jeder Examenskandidat muss die Grundzüge der Bürgschaft beherrschen. Besonders attraktiv und beliebt ist die Bürgschaft deshalb, weil ein Dreipersonenverhältnis nötig ist, um einen Bürgschaftsfall zu konstruieren. Die Kenntnis und richtige Anwendung der §§ 765 ff. BGB ist für das Gelingen einer Klausur elementar.
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher das Wichtigste rund um die Bürgschaft und ihrer Prüfung näherbringen.

Die Bürgschaft

1. Allgemeines

Wie eingangs erwähnt, ist die Bürgschaft in den §§ 765 ff. BGB geregelt und ein akzessorisches Sicherungsmittel. Die Akzessorietät bedeutet, dass die Bürgschaft von dem Vorliegen einer Hauptforderung abhängig ist. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass wenn die Hauptforderung erlischt, dann erlischt auch die Bürgschaft. Oftmals werden nach Ansprüchen vom Gläubiger gegen den Bürgen gefragt, weil der Schuldner insolvent ist. Anspruchsgrundlage ist hier § 765 I BGB i.V.m. der zu sichernden Forderung (z.B. § 488 I 2 BGB).

Zur Verdeutlichung folgende Personenskizze und Prüfungsschema.




Anspruchsgrundlage § 765 I i.V.m. der zu sichernden Forderung

  1. wirksam bestehende zu sichernde Forderung (§ z.B. § 488 I 2 BGB)

  2. wirksamer Bürgschaftsvertrag

  3. Schriftform§ 766 S. 1 BGB

  4. keine sonstigen Nichtigkeitsgründe

  5. keine Einwendungen aus dem Hauptschuldverhältnis

  6. keine Einreden nach § 770 BGB

  7. keine Einrede aus der zu sichernden Forderung § 768 I 1 BGB

  8. keine Einrede der Vorausklage § 771 BGB

2. wirksame bestehende zu sichernde Forderung

Hier prüft man ggf. inzident, ob die (Haupt)Forderung wirksam ist und besteht. Ergeben sich hier keine Probleme, hat man sich kurzzuhalten und in einem Satz festzustellen, dass beispielsweise im Verhältnis von Gläubiger zu Schuldner die zu sichernde Forderung § 488 I 2 BGB besteht.

3. wirksamer Bürgschaftsvertrag

Weitere Voraussetzung ist, dass ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zwischen Gläubiger und Bürgen vorliegt. Dieser dient dazu den Gläubiger im Falle der Insolvenz des Schuldners abzusichern. Zu beachten ist, dass die Bürgschaft gemäß § 765 II BGB auch für künftige oder bedingte Verbindlichkeiten übernommen werden kann. Abzugrenzen ist die Bürgschaft vom Schuldbeitritt, Schuldübernahme gem. den §§ 414 ff. BGB und dem Garantievertrag. Garantievertrag bedeutet, dass der Dritte verschuldensunabhängig für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs einsteht. Schuldbeitritt heißt, dass der Dritte die Schuld als eigene übernimmt und eine Gesamtschuld entsteht. Ein Garantievertrag ist in der Regel sehr selten gegeben, weil hier zum Ausdruck kommen muss, dass der Dritte verschuldensunabhängig für einen gewissen Erfolg einsteht, was jedoch meistens nicht der Fall ist, weil dies zu einer sehr weiten Haftung führen würde. Ein Schuldbeitritt kann dagegen durchaus mal vorliegen und ist auch nicht ganz so leicht von der Bürgschaft abzugrenzen. Abzugrenzen ist anhand des Wortlauts des Vertrags (z.B. „ich bürge für die Schuld des XY“ oder „ich trete der Schuld des XY bei“). Weiteres Indiz für eine Bürgschaft ist unter anderem, wenn die Einrede der Vorausklage gemäß § 773 I Nr. 1 BGB ausgeschlossen wird. Außerdem hat der Bürge üblicherweise einen nachrangigen Haftungswille. Bei dem Schuldbeitritt hat der Dritte dagegen einen gleichrangigen Haftungswille und eigenes Interesse an der Erfüllung der Verbindlichkeit. Er tritt als Gesamtschuldner neben den ursprünglichen Schuldner. Bei der Schuldübernahme gelten im Übrigen die gleichen Grundsätze wie bei dem Schuldbeitritt, mit dem Unterschied, dass der ursprüngliche Schuldner aus der Haftung entlassen werden soll.
Ferner ist zu beachten, dass die zu sichernde Forderung hinreichend bestimmbar ist. Dies bedeutet, dass eine Forderung gesichert wird, die aus einem festgelegten Kreis an Rechtsbeziehungen entstehen kann.

4. Schriftform § 766 S. 1 BGB

Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrags ist die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung nötig, § 766 S.1 BGB. Darüber hinaus ist wichtig, dass die Erteilung der Bürgschaft in elektronischer Form ausgeschlossen ist (§ 766 S.2 BGB) und sich in § 766 S.3 BGB eine Heilungsmöglichkeit findet, wenn die Schriftform missachtet wurde. Die fehlende Schriftform wird geheilt, wenn der Bürge die Hauptverbindlichkeit erfüllt. 
Eine Ausnahme vom Schriftformerfordernis besteht unter anderem dann, wenn § 350 HGB einschlägig ist. § 350 HGB ist dann einschlägig, wenn es sich bei der Bürgschaft auf der Seite des Bürgen um ein Handelsgeschäft handelt. Ist das der Fall, ist § 766 S.1,2 BGB nicht anwendbar.

5. keine sonstigen Nichtigkeitsgründe

Bei den sonstigen Nichtigkeitsgründen ist unter anderem an die Sittenwidrigkeit gemäß § 138 I BGB oder § 125 S.1 BGB.
Darüber hinaus kann der Bürge auch alle Einwendungen aus dem Bürgschaftsverhältnis dem Gläubiger entgegenhalten. Denkbar wäre hier unter anderem eine Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung § 123 I Alt. 2 BGB oder „der Exot“ § 777 BGB.

6. keine Einwendungen aus dem Hauptschuldverhältnis

Der Bürge kann auch die Einwendungen aus dem Hauptschuldverhältnis dem Gläubiger entgegenhalten. Dies folgt aus dem Grundsatz der Akzessorietät nach § 767 I 1 BGB. Dementsprechend sind hier ggf. alle in Betracht kommenden Einwendungen inzident zu prüfen. Zu denken wäre hier unter anderem an den Widerruf.

7. keine Einreden aus § 770 BGB

Hier kann der Bürge nach § 770 I BGB die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seine Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft angefochten werden kann. Die gleiche Befugnis hat der Bürger, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann, § 770 II BGB.

8. keine Einrede aus dem Hauptschuldverhältnis § 768 I 1 BGB

Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen, § 768 I 1 BGB. Hier ist beispielsweise an die Verjährung nach § 214 I BGB oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrag nach § 320 I 1 BGB zu denken.

9. keine Einrede der Vorausklage § 771 BGB

Demnach kann der Bürge die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger die Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat, § 771 S.1 BGB. Dies bedeutet vereinfacht gesagt, dass der Gläubiger zunächst gegen den Schuldner vorgehen muss, um seine Forderung geltend zu machen. Hier ist jedoch zu beachten, dass unter gewissen Voraussetzungen die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen ist. Zu denken ist hier an § 773 I BGB und § 349 HGB.

Fazit zur Bürgschaft

Die Bedeutung der juristischen Grundlagen der Bürgschaft sollte jedem Studenten und Referendar bewusst sein. Themen aus dem allgemeinen Bereich, wie beispielsweise die Formnichtigkeit § 125 S.1 BGB, die Anfechtung oder auch der Widerruf lassen sich mit einer Bürgschaft in einer Dreipersonenkonstellation integrieren und abprüfen, sodass die Bürgschaft im Rahmen der Klausurvorbereitung nicht vernachlässigt werden sollte, damit man diese Thematiken an der richtigen Stelle im Gutachten einbaut.
Die solide Kenntnis der Grundzüge der Bürgschaft gehört schon im 1. Staatsexamen zum Pflichtprogramm. Insbesondere ist im Rahmen des Gutachtens gründlich zwischen dem Bürgschafts – und Hauptschuldverhältnis zu differenzieren, auch wenn die Bürgschaft streng akzessorisch zum Hauptschuldverhältnis ist. Hierbei hilft eine vorab angefertigte Personenskizze mit allen rechtlichen Beziehungen zwischen den Personen. Außerdem solltet ihr Euch noch in der Skizze mit einem weiteren Pfeil deutlich machen, nach welcher Anspruchsrichtung gefragt wird. Das kann helfen, um in der Klausur den Überblick zu behalten.
Solltet Ihr Euch im Bürgschaftsrecht noch nicht examensreif fühlen, vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin. Unsere erfahrenen Dozenten der Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite.

Florian Bieker



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