Die gesetzgeberische Vorgeschichte
Seit 2017 wird im Deutschen Bundestag über eine Neufassun bzw. Streichung des Paragrafen § 219a StGB diskutiert. Besonders Linke und Grüne setzen sich seit langem dafür ein, dass er umstrittene Paragraph aus dem Strafgesetzbuch gestritten und Ärztinnen und Ärzten der Weg zu uneingeschränkter Aufklärung freigemacht wird.
Wie ist die Abtreibungsdebatte in die Öffentlichkeit gelangt?
Die durch ihre Verurteilung wegen Vertoßes gegen § 219a StGB bekannt gewordene Gießener Ärztin Kristina Hänel hat durch die Verfassungsbeschwere gegen ihr Urteil einen Stein ins Rollen gebracht. Sie sollte für illegale Werbung für den Schwangerschaftsabbruch bestraft werden. Seit 2009 wurden Anzeigen gegen Sie erstattet.
Hänel und andere sachverständige Befürworter führen seit Jahren eine hitzige Debatte zum Thema und machen darauf aufmerksam, dass es dringend notwendig sei, Frauen, die von ungewollter Schwangerschaft betroffen sind, Informationen zur Abtreibung erteilen zu dürfen, ohne sich dabei strafbar zu machen. Es gäbe keinen ersichtlichen Grund, wieso diese Informationen vorenthalten werden sollten. Im Gegenteil: Die Versorgungslage von Frauen, die von ungewollter Schwangerschaft betroffen sind, würde sich stetig verschlechtern.
Juristische Sachverständige zum Thema Abschaffung des § 219a StGB
Die 2022 zur Anhörung im Rechtsausschuss eingeladenen Strafrechts-Sachverständigen vertraten unterschiedliche Meinungen zur Abschaffung bzw. Modifizierung des § 219a StGB. Bei den Fragen der Abgeordneten ging es vor allem um die Sicherung der Versorgungslage von ungewollt Schwangeren, die Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte, die Abtreibungen durchführen, den Sinn einer möglichen Modifizierung des Paragrafen 219a, den Schutz des ungeborenen Lebens und die Rehabilitierung verurteilter Ärztinnen und Ärzte.
Pro Abschaffung
Zum einen wurde von Strafrechtlern darauf hingewiesen, dass der § 219a StGB in seiner derzeitigen Form immer noch Handlungen unter Strafe stellt, die keinen Unrechtsgehalt aufweisen. Das Zur-Verfügung-Stellen neutraler Informationen über die Art und Weise von Schwangerschaftsabbrüchen zu bestrafen, sei verfassungsrechtlich bedenklich. Die Bestrafung dessen sei für den Schutz des ungeborenen Lebens weder geeignet noch erforderlich. Das Beharren der CDU/CSU-Fraktion auf der Strafnorm von 219a wurde hierbei kritisiert. Es entspreche nicht mehr der heutigen Lebenswirklichkeit. Seit Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Bedingungen nicht mehr unter Strafe gestellt sind, mache es keinen Sinn mehr, das Informationsverbot aufrecht zu erhalten.
Es wurde konsequent auch die Aufhebung verfassungswidriger Verurteilungen wegen wegen Verstoßes gegen den verfassungswidrigen Paragrafen 219a StGB in seinen seit 1990 geltenden Fassungen begrüßt. Es gebe keinen verfassungsrechtlich legitimen Zweck, der die Eingriffe in Berufsfreiheit einerseits und Informationsfreiheit andererseits zu rechtfertigen könnte.
Contra Abschaffung
Aus Sicht anderer Strafrechter sei die Streichung des Paragrafen verfassungsrechtlich problematisch. Das Ziel des Gesetzesentwurfes, mehr sachliche Information zu den Schwangerschaftsabbruch-Methoden zu ermöglichen, lasse sich mit einer Änderung des Paragrafen zielgenauer erreichen. Eine Modifizierung sei also der Weg zum Ziel.
Zudem eröffne die Abschaffung Möglichkeiten für aggressive Darstellung und Werbung. Dies widerspreche aber der Forderung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Schutzkonzept, dass nämlich der Gesetzgeber den Eindruck verhindern müsse, bei einem Schwangerschaftsabbruch handele es sich um einen „alltäglichen, also der Normalität entsprechenden Vorgang“.
Standpunkt der CDU/CSU-Fraktion: Gegen Abschaffung des § 219a StGB, für Modifizierung
Die Union lehnt die von der Bundesregierung geplante Streichung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche seit jeher ab. Stattdessen soll der Paragraf 219a laut Fraktionsantrag so modifiziert werden, dass Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und Einrichtungen auf ihrer Internetseite wertungsfreie Angaben zu den von ihnen angewendeten Abtreibungsmethoden machen können.
Hinsichtlich möglicher Rechtsunsicherheiten für Ärztinnen und Ärzte bestehe kein Handlungsbedarf. Die Rechtslage hierzu sei „unmissverständlich und einfach einzuhalten“: Ärztinnen und Ärzte können öffentlichen darauf hinweisen hinweisen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen und sich auf die Liste der Bundesärztekammer setzen lassen sowie Beratungsstellen über ihr Angebot informieren.
Vor allem müsse § 219a StGB wegen einer drohenden Kommerzialisierung und gesellschaftlichen Normalisierung des Schwangerschaftsabbruchs bestehen bleiben.
24. Juni 2022: Aufhebung des § 219a StGB
Die Aufhebung des Paragrafen § 219a StGB durch Beschluss des Gesetzentwurfes, der eine ersatzlose Streichung von Paragraf 219a StGB vorsieht, nach der 2./3. Lesung am 24. Juni 2022.
Praktische Bedeutung
Ärztinnen und Ärzte können ab nun Informationen über Schwangerschaftsabbrüche bereitstellen, ohne Strafanzeigen oder Strafverfolgung fürchten zu müssen. Der Zugang zu Informationen für ungewollt Schwangere wird ungemein verbessert.Wie seht ihr das Thema? Hattet ihr von Anfang an eine klare Meinung oder könnt ihr die dargestellten Expertenmeinungen aus rechtswissenschaftlicher Sicht nachvollziehen?
Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie
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