Die Irrtümer über Rechtfertigungsgründe im Strafrecht – verständlich für Dich aufbereitet

20.12.2024 | von Florian Bieker



Bei den Irrtümern über Rechtfertigungsgründen handelt es sich um einen Themenkomplex aus dem Strafrecht AT, welcher von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist, denn die Irrtümer über Rechtfertigungsgründe sind sehr beliebt in den Strafrechtklausuren. Die Thematik stellt Studenten bereits im Grundstudium schon oftmals vor große Probleme. Nähert man sich der Materie jedoch schrittweise, so stellt sich heraus, dass die Irrtumsproblematik kein Hexenwerk ist. Für das Verständnis des Strafrechts ist es unerlässlich, dass man sich mit diesen Irrtümern auseinandersetzt, denn in Klausuren werden solche Irrtümer immer wieder integriert. Diese kann man beim Lesen der (unbekannten) Klausur nur „entdecken“, wenn man die Grundprinzipien verstanden hat. Daher dient der Beitrag über die Irrtümer auf Rechtfertigungsebene dazu, dass Deine Verständnisschwierigkeiten beseitigt werden und Du Deinen Klausuren im Grundstudium, Hauptstudium oder auch in der Examensklausur sicher bewältigen kannst. Im folgenden Beitrag werden die wichtigsten Irrtümer über Rechtfertigungsgründe für Dich kurz und kompakt aufbereitet.

Die Bedeutung der Irrtümer in der Klausur

Zunächst einmal gilt es einen derartigen Irrtum über Rechtfertigungsgründe in der Klausur bzw. in einem Tatkomplex zu erkennen. Das ist unter Umständen gar nicht so leicht. Hat man einen derartigen Irrtum erkannt, hat man schon einen entscheidenden Vorteil gegenüber allen anderen Klausurkandidaten. Nichtsdestotrotz sollte man sich frühzeitig mit der Irrtumsproblematik auseinandersetzen, weil es sich bei diesem Themenkomplex um einen Themenkomplex des Allgemeinen Teils handelt, sodass spätestens auch jeder Examenskandidat diese Irrtümer beherrschen muss. Ihre Kenntnis ist elementar, um im Examen auch unbekannte Sachverhalte mit dieser Thematik in den Griff zu bekommen.
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher die wichtigsten Irrtümer über Rechtsfertigungsgründe aus dem Strafrecht AT näherbringen. Möchtet Ihr zuvor noch einen Blogbeitrag zu Rechtfertigungsgründen lesen, dann klickt gerne hier.

Die wichtigsten Irrtümer im Strafrecht

1. Allgemeines

Die Irrtümer über Rechtfertigungsgründe werden auf der Schuldebene geprüft. Die konkret in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe sind oftmals auf der Ebene der Rechtswidrigkeit vorher zu prüfen. Handelt es sich um eine derartige Irrtumsklausur wird man sich in aller Regel auf der Ebene Rechtswidrigkeit „rausschreiben“ und so weiter im Rahmen der Schuld zu der Prüfung der Irrtümer gelangen. Ferner ist für das Verständnis wichtig, dass zwischen einem Irrtum auf Sachverhaltsebene und einem Irrtum auf Wertungsebene unterschieden wird. Bei einem Sachverhaltsirrtum irrt der Täter über den zugrundeliegenden Sachverhalt. Im Gegensatz dazu irrt der Täter bei einem Wertungsirrtum über die rechtliche Bewertung des Sachverhalts. 

2. Verbotsirrtum

Bei einem direkten Verbotsirrtum hat der Täter Unkenntnis von der Verbotsnorm, denkt sie sei verfassungswidrig, aufgehoben oder interpretiert sie falsch, mithin irrt der Täter darüber, wie das Gesetz sein strafrechtlich relevantes Verhalten behandelt. Gutes Beispiel ist in dem Zusammenhang, dass der Täter denkt, die Firmenwand, die er beschädigt oder beschmiert ist kein taugliches Tatobjekt i.S.d. § 303 I, II StGB, weil er denkt, dass nur bewegliche Sachen von § 303 I, II StGB erfasst werden. Bei einem indirekten Verbotsirrtum irrt der Täter ebenfalls auf der Wertungsebene, welcher auch als Erlaubnisirrtum bezeichnet wird. Bekanntestes Beispiel ist hier wohl das irrtümlicherweise angenommene Züchtigungsrecht bei Kindern, dem sog. Existenzirrtum, welcher einen Unterfall eines indirekten Verbotsirrtums darstellt. Davon abzugrenzen ist der sog. Grenzirrtum als weiterer Unterfall. Hier zieht die Täter die rechtlichen Grenzen des Erlaubten zu weit. Gutes Beispiel in diesem Zusammenhang ist unter anderem der Fall, dass der Täter, der beklaut wird, denkt, dass er den Dieb sofort erschießen darf, obwohl auch mildere Mittel zur Verfügung standen, die diesen rechtswidrigen und gegenwärtigen Angriff ebenfalls sicher beendet hätten (beachte unter anderem die Faustregel bei Schusswaffengebrauch im Rahmen der Erforderlichkeit). Liegt einer der genannten Irrtümer vor, führt das zur Anwendung des § 17 StGB. § 17 StGB lautet: Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden. An die Unvermeidbarkeit werden sehr hohe Anforderungen gestellt. Der Irrtum war vermeidbar, wenn der Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten und notfalls unter Heranziehung rechtlichen Rats dazu in der Lage gewesen wäre, das Unrecht der Tat einzusehen. Falls dies der Fall war, ist die Strafmilderung nach der Schuld gemäß §§ 17 I 2, 49 I StGB kurz anzusprechen.

3. Erlaubnistatbestandsirrtum (ETBI)

Der ETBI kann sowohl auf Rechtswidrigkeitsebene als auch auf Schuldebene geprüft werden. Beides ist vertretbar. Bei einem ETBI handelt es sich um einen Sachverhaltsirrtum, sodass der Täter einem Irrtum auf Sachverhaltsebene unterliegt. Der Täter irrt über den zugrundeliegenden Sachverhalt, bei dessem tatsächlichen Vorliegen er jedoch gerechtfertigt wäre. Das bedeutet, dass man hier inzident den entsprechenden Rechtfertigungsgrund, den man bestenfalls vorher auf Rechtswidrigkeitsebene angeprüft und abgelehnt hat, auf Schuldebene ebenfalls erneut auf Basis der Tätervorstellungen prüft. Als Rechtfertigungsgründe kommen hier alle gängigen Rechtfertigungsgründe in Betracht, wie unter anderem die Notwehr nach § 32 StGB oder die rechtfertigende Einwilligung. Kommt man zu dem Ergebnis, dass ein derartiger Irrtum vorliegt, stellt sich die Frage, wie ein ETBI rechtlich zu behandeln ist. Das ist strittig. Aus Platzgründen können hier nicht alle Theorien dargestellt werden. Es wird lediglich die strenge Schuldtheorie und die eingeschränkte Schuldtheorie vorgestellt. Alle weiteren Theorien werden in unseren Unterrichten intensiv behandelt und näher beleuchtet. Mehr zu unseren Unterrichtsangeboten erfahrt Ihr unter dem folgenden Link. Nach der strengen Schuldtheorie handelt es sich bei dem ETBI um einen nach § 17 StGB zu behandelnden Irrtum. Diese Theorie verkennt allerdings, dass der Täter gerade nicht auf Wertungsebene irrt, sondern einem Irrtum auf Sachverhaltsebene unterliegt. Die eingeschränkte Schuldtheorie zieht daher § 16 I 1 StGB analog heran. Die Anwendung des § 16 I 1 StGB ist sachnäher, denn andernfalls wird der „lediglich schusselige“ Täter ggf. wegen vollendeten Vorsatzdelikt bestraft. Allerdings ist ihm lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf bei Wahrnehmung des Sachverhalts zu machen, sodass eine Bestrafung wegen eines Fahrlässigkeitsdelikts sachnäher erscheint, was auch nach § 16 I 2 StGB weiterhin möglich ist. Folglich ist die strenge Schuldtheorie abzulehnen und letztgenannter Ansicht zu folgen.

4. Doppelirrtum

Bei einem Doppelirrtum irrt der Täter sowohl auf rechtlicher Ebene als auch auf Sachverhaltsebene. Um einen derartigen Doppelirrtum zu erkennen, bietet es sich an, mit der Prüfung eines ETBI zu beginnen. Im Rahmen der Prüfung des Rechtfertigungsgrunds auf Basis der Vorstellungen, wird man sich dann bei Vorliegen eines Doppelirrtums ebenfalls aus dem Rechtfertigungsgrund „rausschreiben“ und zu dem Ergebnis gelangen, dass der Täter auch auf Basis seiner Vorstellungen nicht rechtmäßig gehandelt hat, weil er beispielsweise auch aufgrund seiner Vorstellungen die Grenzen der Erforderlichkeit einer Notwehr gemäß § 32 StGB zu weit gezogen hat. Anschließend stellt sich die Frage, wie man einen derartigen Irrtum behandelt. Im Vergleich zum Verbotsirrtum unterliegt der Täter einem weiteren Irrtum über den Sachverhalt, sodass ihn dieser Irrtum weiter von der Rechtmäßigkeit entfernt und es ihn nicht privilegieren kann, sodass eine Anwendung des § 17 StGB sachgerecht ist.

Fazit zu den Irrtümern

Die herausragende Bedeutung der juristischen Grundlagen der Irrtümer über die Rechtfertigungsgründe sollte jedem Studenten und Referendar bewusst sein.
Die solide Kenntnis der Irrtümer gehört schon im 1. Staatsexamen zum Pflichtprogramm. Gerade der ETBI wird gerne in Klausuren eingebaut und abgeprüft, da sich hier einerseits ein Rechtfertigungsgrund schön strukturiert auf Basis des tatsächlichen Sachverhalts und auf Basis der Tätervorstellungen abprüfen lässt und andererseits ein anschließender Streitstand hinsichtlich der rechtlichen Behandlung einhergeht. Auch mit einer Teilnahmestrafbarkeit ist der ETBI gut zu kombinieren, wie in einem anderen Beitrag näher erläutert wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass die anderen Irrtümer vernachlässigt werden dürfen. Auch hier ist sichere Kenntnis nötig, um den ETBI von den anderen Irrtümern sicher abgrenzen zu können.
Solltet Ihr Euch in der Irrtumsproblematik noch nicht examensreif fühlen oder bereits im Grund – oder Hauptstudium merken, dass Ihr Unterstützung benötigt, vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin. Unsere erfahrenen Dozenten der Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite. Seit über 20 Jahren haben unsere erfahrenen Dozenten, die teilweise sogar über Prüfererfahrung verfügen, tausende von Jurastudierenden zu einem erfolgreichen Staatsexamen verholfen. Daher zögere nicht, sondern vereinbare jetzt Deinen kostenlosen Probetermin und überzeuge Dich selbst von unserer Expertise.

Florian Bieker
 


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