Die Kausalität und ihre Sonderfälle im Strafrecht AT

10.01.2023 | von Hendrik Heinze

Die Kausalität ist ein wichtiger Prüfungspunkt im Rahmen des objektiven Tatbestandes der Erfolgsdelikte. In diesem Sinne bezeichnet die Kausalität die Ursächlichkeit einer Handlung für einen bestimmten tatbestandsmäßigen Erfolg.

Die conditio-sine-qua-non-Formel (Äquivalenztheorie)

Heutzutage herrschend ist die sog. Äquivalenztheorie. Auf diese sollte in der Strafrechtsklausur – sofern keine der unten beschriebenen Sonderkonstellationen vorliegen – ohne vertiefende Erörterung abgestellt werden.
Kausal ist nach der Äquivalenztheorie unter Berücksichtigung der conditio-sine-qua-non-Formel jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der eingetretene tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele (BGHSt 1, 332 ff.).

Die Sonderfälle der Kausalität im Strafrecht AT

In bestimmten Konstellationen reicht die conditio-sine-qua-non-Formel nicht aus, um die Ursächlichkeit einer Handlung für einen bestimmten tatbestandsmäßigen Erfolg sicher festzustellen. Im Wesentlichen sind die folgenden 5 Sonderfälle der Kausalität zu unterscheiden:

Atypische Kausalität

Bei der atypischen Kausalität liegt der Geschehensablauf außerhalb des nach der allgemeinen Lebenserfahrung Vorhersehbaren.
Vorliegend ist die Tathandlung für den eingetretenen tatbestandlichen Erfolg kausal. So kann sie nach der Äquivalenztheorie unter Berücksichtigung der conditio-sine-qua-non-Formel nicht hinweggedacht werden, ohne dass der betreffende Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Dieser Erfolg ist dem Täter aber nicht objektiv zurechenbar. So besteht kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen der Tathandlung und dem eingetretenen tatbestandlichen Erfolg. Es hat sich also nicht die von dem Täter geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr in dem betreffenden Erfolg realisiert, da die Tathandlung nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zu diesem Erfolg führt. Es kommt jedoch eine diesbzgl. Versuchsstrafbarkeit des Täters in Betracht (Zieschang, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 64, 65, 96 ff.).

Hypothetische Kausalität

Bei der hypothetischen Kausalität wäre der eingetretene tatbestandliche Erfolg zu irgendeinem späteren Zeitpunkt auch durch einen anderen, nicht von dem Täter verursachten Kausalverlauf eingetreten.
Vorliegend ist die Tathandlung für den eingetretenen tatbestandlichen Erfolg kausal. So kann sie nach der Äquivalenztheorie unter Berücksichtigung der conditio-sine-qua-non-Formel nicht hinweggedacht werden, ohne dass der betreffende Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Eventuelle Reserveursachen, die im Sinne einer hypothetischen Kausalität zu irgendeinem späteren Zeitpunkt den eingetretenen tatbestandlichen Erfolg herbeigeführt hätten, sind unbeachtlich. Dieser Erfolg ist dem Täter auch objektiv zurechenbar. So besteht ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen der Tathandlung und dem eingetretenen tatbestandlichen Erfolg. Es hat sich also die von dem Täter geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr in dem betreffenden Erfolg realisiert (vgl. Zieschang, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 66).

Abbrechende beziehungsweise überholende Kausalität

Bei der abbrechenden bzw. überholenden Kausalität wird die von dem Täter in Gang gesetzte Ursachenkette von einer anderen, nicht von dem Täter in Gang gesetzten Ursachenkette abgebrochen bzw. überholt, die zu dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führt.
Vorliegend ist die Tathandlung für den eingetretenen tatbestandlichen Erfolg nicht kausal. So kann sie entgegen der Äquivalenztheorie unter Berücksichtigung der conditio-sine-qua non Formel aufgrund der sie abbrechenden bzw. überholenden Ursachenkette hinweggedacht werden, ohne dass der betreffende Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Es kommt jedoch eine diesbzgl. Versuchsstrafbarkeit des Täters in Betracht (vgl. Zieschang, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 67 ff.).

Alternative Kausalität

Bei der alternativen Kausalität führen mehrere Bedingungen zu dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs, wobei bereits jede Bedingung für sich allein genommen zu dem Erfolgseintritt geführt hätte.
Vorliegend sind die Tathandlungen für den eingetretenen tatbestandlichen Erfolg kausal, wobei eine Modifikation der Äquivalenztheorie unter Berücksichtigung der conditio-sine-qua-non-Formel geboten ist. In diesem Sinne sind mehrere Tathandlungen für den eingetretenen tatbestandlichen Erfolg kausal, wenn sie zwar alternativ, nicht aber kumulativ (gemeinsam) hinweggedacht werden können, ohne dass der betreffende Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Dieser Erfolg ist den Tätern auch objektiv zurechenbar. So besteht ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen den Tathandlungen und dem eingetretenen tatbestandlichen Erfolg. Es hat sich also die von den Tätern jeweils geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr in dem betreffenden Erfolg realisiert (BGHSt 39, 195 ff.).

Kumulative Kausalität

Bei der kumulativen Kausalität führen mehrere Bedingungen zu dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs, wobei nur das Zusammenwirken dieser Bedingungen zu dem betreffenden Erfolg geführt hat. Für sich allein genommen hätten die einzelnen Bedingungen hingegen nicht zu diesem Erfolgseintritt geführt.
Vorliegend sind die Tathandlungen für den eingetretenen tatbestandlichen Erfolg kausal. So kann nach der Äquivalenztheorie unter Berücksichtigung der conditio-sine-qua-non-Formel keine der jeweiligen Tathandlungen hinweggedacht werden, ohne dass der betreffende Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Wenn sie unabhängig voneinander handeln, ist dieser Erfolg den Tätern aber aufgrund des atypischen Kausalverlaufs nicht objektiv zurechenbar. So besteht kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen den Tathandlungen und dem eingetretenen tatbestandlichen Erfolg. Es hat sich also nicht die von den Tätern geschaffene rechtlich missbilligte Gefahr in dem betreffenden Erfolg realisiert, da die Tathandlungen jeweils für sich allein genommen nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht zu diesem Erfolg führen. Es kommt jedoch eine diesbzgl. Versuchsstrafbarkeit der Täter in Betracht (BGHSt 37, 106 ff.).

Fazit zur Kausalität

Wie Ihr seht, sind die Probleme im Rahmen der Kausalität in der Strafrechtsklausur überschaubar. Dennoch werden im Rahmen der Kausalität häufig Fehler gemacht. Dies liegt einerseits daran, dass der Sachverhalt oftmals nicht genau genug gelesen wird, weshalb nicht wenige Kandidaten die 5 dargestellten Sonderfälle der Kausalität schlicht übersehen. Zum anderen wird mitunter nicht präzise genug gearbeitet. Auch werden fataler Weise regelmäßig Probleme der Kausalität mit denjenigen der objektiven Zurechnung vermischt.
Wenn Ihr in den Strafrechtsklausuren nicht über ein „ausreichend“ (4 bis 6 Punkte) kommt, dann seid Ihr nicht allein. Strafrechtsklausuren fallen im Allgemeinen nicht besonders gut aus. Nicht nur ist das Strafrecht im Detail sehr komplex, sondern man muss in der Strafrechtsklausur auch deutlich mehr Seiten zu Papier bringen als im Zivilrecht oder im öffentlichen Recht.
Unsere qualifizierten Dozenten der Akademie Kraatz (Grundstudium bis 1. Examen) und der Assessor Akademie (2. Examen) stehen Euch gerne zur Seite, wenn Ihr Euch im Strafrecht verbessern möchtet. Ruft uns gerne für einen kostenlosen Probetermin an.
 
Hendrik Heinze
Geschäftsführer der Assessor Akademie Kraatz und Heinze GbR


 

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