Die Rechtfertigungsgründe § 127 I StPO und die rechtfertigende Einwilligung
07.08.2024 I Florian BiekerFür die Klausur im Strafrecht haben die Rechtfertigungsgründe besondere Bedeutung. Sie sind Teil des Strafrechts AT und daher in allen möglichen Varianten in einer Klausur des Strafrechts einbaufähig. Im folgenden Beitrag soll eine nähere Betrachtung der Rechtfertigungsgründe § 127 I StPO und der rechtfertigenden Einwilligung erfolgen.
Die Bedeutung der Rechtfertigungsgründe in der Klausur
Jeder Examenskandidat muss die Rechtfertigungsgründe im Strafrecht sicher beherrschen. Ihre Kenntnis ist elementar, um im Examen Fälle mit dieser Thematik sicher lösen zu können.Gerade bei der rechtfertigenden Einwilligung findet man im Unterschied zum Festnahmerecht nach § 127 I StPO keinen gesetzlichen Anknüpfungspunkt, sodass eine vertiefte Vorbereitung und Auseinandersetzung damit unentbehrlich sind. Aber auch das Festnahmerecht, welches in der StPO normiert ist, kann in der Klausur gerne abgefragt werden, wenn man nicht die gängigen Rechtfertigungsgründe, wie § 32 oder § 34 StGB, abfragen möchte. Lücken in diesem Bereich werden hart abgestraft, da es sich um Themen aus dem Strafrecht AT handelt, mithin Grundlagenwissen.
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher die wichtigsten Grundsätze dieser Rechtfertigungsgründe im Rahmen einer schematischen Darstellung näherbringen.
Das Festnahmerecht - § 127 I StPO
§ 127 I 1 StPO: Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtigt ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.Daraus ergibt sich folgendes Prüfungsschema. Dieses wird im Folgenden näher beleuchtet.
Die Festnahmelage gliedert sich in 4 Prüfungspunkte, welche nun eine nähere Betrachtung erfahren.
- Tat
Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass nur bei Vorliegen einer tatsächlich rechtswidrig begangenen Straftat eine Tat i.S.d. § 11 I Nr. 5 StGB vorliegt. Für diese Ansicht ist ins Feld zu führen, dass der Wortlaut des § 127 I StPO von einer Tat spricht und der Rechtfertigungsgrund als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist.
Andererseits wird die Ansicht vertreten, dass für die Tat i.S.d. § 127 I StPO bereits das Vorliegen eines Tatverdachts genügt. Dies wird damit begründet, dass es sich bei der Vorschrift um eine strafprozessuale Vorschrift handelt, die gewohnheitsgemäß dringenden Tatverdacht ausreichen lässt. Außerdem ist erste Ansicht in Hinsicht der Zivilcourage bedenklich, denn sichere Erkenntnis, dass eine Straftat wirklich vorliegt, besteht nur sehr selten.
Beide Ansichten sind vertretbar. Allerdings ist hier zu beachten, dass bei Klausuren im Zusammenhang mit diesem Problem auch ein Erlaubnistatbestandsirrtum (ETBI) integriert werden kann, sodass es empfehlenswert ist, der Ansicht zu folgen, die einen dringenden Tatverdacht nicht genügen lässt und somit eine Rechtswidrigkeit der Tat gegeben ist. Im Anschluss erfolgt dann eine Prüfung des ETBI auf Schuldebene.
- auf frischer Tat betroffen oder verfolgt
- Festnahmegrund
- Festnahmeberechtigung: Jedermann
2. Festnahmehandlung
Im Rahmen der Festnahmehandlung darf der Täter auch körperliche Gewalt anwenden, welche verhältnismäßig ist. Eine Tötung des Opfers geht jedoch darüber hinaus und ist logischerweise nicht mehr als Festnahmehandlung zu werten.3. subjektive Rechtfertigungselement
Das bedeutet, dass der Täter in Kenntnis der Festnahmelage und zwecks Strafverfolgung des Tatverdächtigen festnehmen muss. Ansonsten entfällt das Rechtfertigungselement beispielsweise dann, wenn der Täter im Opfer einen alten Erzrivalen wiedererkennt und die Gelegenheiten nutzen möchte, ihn festzuhalten und zu mobben.4. Fazit zu § 127 I StPO
Liegen die Voraussetzungen kumulativ vor, so handelt der Täter rechtmäßig, sodass die Rechtswidrigkeit der Tat entfällt. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine nicht allzu gängige Vorschrift, die gerne mal in einer Klausur abgeprüft werden kann, sodass eine vertiefte Kenntnis und Auseinandersetzung auch zu reichlich Punktgewinn in der Klausur führen.Die rechtfertigende Einwilligung
Die rechtfertigende Einwilligung findet keine Stütze im Gesetz, ist jedoch bei Vorliegen der Voraussetzungen ebenfalls als Rechtfertigungsgrund anerkannt.- Zulässigkeit einer Einwilligung
- Wirksamkeit der Einwilligung
Bei Körperverletzungen ist zu beachten, dass die Tat nicht sittenwidrig sein darf, § 228 StGB. Sittenwidrigkeit ist dann gegeben, wenn die Tat gegen das Anstandsgefühl aller Billig und Gerecht Denkenden verstößt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um verabredete Schlägereien handelt, welche aufgrund der Eskalationsgefahr und Gruppendynamik unbeherrschbar sind und somit gegen § 228 StGB verstoßen. Außerdem ist bei der Gefahr einer Tötung eine solche Sittenwidrigkeit ebenfalls gegeben.
- subjektive Rechtfertigungselement
Liegen dann alle Voraussetzungen vor, so handelt der Täter rechtmäßig und die Strafbarkeit scheidet mangels Rechtswidrigkeit aus.
- Sonderfall Patientenverfügung
Fazit zu den Rechtfertigungsgründen
Die Bedeutung der juristischen Grundlagen der dargestellten Rechtfertigungsgründe sollten nicht unbekannt sein.Die solide Kenntnis der Grundsätze gehört schon im 1. Staatsexamen zum Pflichtprogramm. Sie sind häufiger Gegenstand von Strafrechtsklausuren, die Bezüge zum Strafrecht AT aufweisen. Insbesondere § 127 I StPO ist möglicherweise für einige eine nicht so geläufige Norm, wie § 32 StGB, sodass bei Lücken definitiv nachgearbeitet werden muss.
Wie man jedoch sieht, sind die Voraussetzungen und die Grundzüge kein Hexenwerk. Vielmehr orientiert sich der Rechtfertigungsgrund nach § 127 I StPO sehr nah am Gesetz. Bei der Einwilligung sieht es dagegen anders aus, hier bleibt ein Auswendiglernen nicht erspart.
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Florian Bieker
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