Die Sprungrevision im Strafrecht (§ 335 StPO): Prozessuale Besonderheiten einfach erklärt
05.07.2024 I Hendrik HeinzeBei der Wahl des statthaften Rechtsmittels bietet die sogenannte Sprungrevision gem. § 335 StPO zahlreiche examensrelevante Klausursituationen. Diese sind im Zweiten Staatsexamen regelmäßig Prüfungsgegenstand von strafrechtlichen Revisionsklausuren, können aber auch bereits im Ersten Staatsexamen im Rahmen der prozessualen Zusatzfrage sowie in der mündlichen Prüfung Bedeutung erlangen.
Statthaftigkeit der Revision im Strafrecht
Nach §§ 333, 335 StPO ist die Revision nicht nur gegen erstinstanzliche Urteile und Berufungsurteile des Landgerichts (Strafkammern oder Schwurgerichte) und gegen Urteile des Oberlandesgerichts als erster Instanz statthaft, sondern auch als Sprungrevision gegen Urteile des Amtsgerichts (Amtsrichter oder Schöffengericht).Die Sprungrevision ist in allen Prozessordnungen vorgesehen (siehe § 76 ArbGG; § 161 SGG; § 134 VwGO; § 566 ZPO und § 335 StPO). Mit ihr kann ein am Verfahren Beteiligter gegen ein erstinstanzliches Urteil anstatt einer Berufung direkt die Revision einlegen und damit die Berufungsinstanz überspringen. Sie kann zweckmäßig sein, wenn bei einem eindeutigen Sachverhalt nur über Rechtsfragen gestritten wird.
Sonderfall Sprungrevision (§ 335 StPO) & examensrelevante Klausursituationen
Der vorliegende Blogbeitrag widmet sich 4 Fallkonstellationen, die regelmäßig Prüfungsgegenstand (vor allem im 2. Staatsexamen) sind. Diese sind sämtlich unter dem Prüfungspunkt „Statthaftigkeit der Revision“ im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu verorten.Einlegung unterschiedlicher Rechtsmittel gegen das anzufechtende Urteil
Wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen das anzufechtende Urteil eine Sprungrevision gem. § 335 StPO und ein anderer Verfahrensbeteiligter eine Berufung gem. §§ 312 ff. StPO einlegt, wird die Sprungrevision gem. § 335 III 1 StPO rechtlich als Berufung behandelt.Dies wird damit begründet, dass nicht verschiedene Rechtsmittelgerichte mit der gleichen Sache befasst sein sollen und die Berufung als umfassenderes Rechtsmittel der Revision vorgeht.
Hierbei tritt jedoch keine endgültige Umwandlung der Sprungrevision in eine Berufung ein. Vielmehr bleibt das Rechtsmittel als Sprungrevision bis zu einer Sachentscheidung über die gleichzeitig eingelegte Berufung bedingt bestehen und lebt wieder auf, wenn die Berufung durch Rücknahme gem. § 302 StPO oder Verwerfung als unzulässig erledigt ist (Gercke / Temming / Zöller – Temming, § 335 StPO Rn. 7).
Die in § 335 III 2 StPO vorgeschriebene Beachtung der Vorschriften über die Revisionsbegründung gem. §§ 344 ff. StPO ist nicht erforderlich, damit die Sprungrevision rechtlich als Berufung behandelt wird. Dieses Begründungserfordernis wird erst dann relevant, wenn das Rechtsmittel wieder als Sprungrevision auflebt (Gercke / Temming / Zöller – Temming, § 335 StPO Rn. 9).
Sprungrevision oder Annahmeberufung?
Wenn eine Sprungrevision eingelegt wird, wobei eine Berufung aufgrund von § 313 I StPO annahmebedürftig wäre, ist die betreffende Sprungrevision nach zutreffender Ansicht sofort möglich (BGHSt 40, 395, 397; OLG Dresden StV 2016, 803).Zwar wird vereinzelt gefordert, dass zunächst einmal eine Berufung eingelegt und diese gem. § 322a StPO durch das Berufungsgericht (also nicht durch das erstinstanzliche Gericht) angenommen werden muss. Erst nach dieser Annahme könne anschließend zur Sprungrevision übergegangen werden.
Die Möglichkeit einer sofortigen Einlegung der Sprungrevision würde dem mit der Einführung der Annahmeberufung gem. § 313 StPO verfolgten gesetzgeberischen Ziel der Entlastung der Justiz widersprechen. Wenn man die Zulässigkeit der Sprungrevision nicht von der Annahme der Berufung abhängig machen würde, hätte es zudem sachwidriger Weise der Rechtsmittelgegner in der Hand, durch die Einlegung der Berufung eine annahmefreie Sprungrevision zu einer annahmepflichtigen Berufung zu machen (Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 335 StPO Rn. 21).
Für die zutreffende Ansicht spricht jedoch, dass mit der Einführung des § 313 StPO lediglich die Berufung und nicht auch die Revision eingeschränkt werden sollte. Auch zielt der Wortlaut der „zulässigen Berufung“ i.R.d. § 335 I StPO nicht auf die Erfüllung spezieller Zulässigkeitsvoraussetzungen ab, sondern lediglich auf die allgemeine „Statthaftigkeit“ der Berufung im Sinne einer prinzipiellen Anfechtbarkeit durch dieses Rechtsmittel.
Einlegung eines unbenannten Rechtsmittels
Die Einlegung eines unbenannten Rechtsmittels ist bis zu dem Abschluss der Revisionsbegründungsfrist gem. § 345 StPO zulässig (Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 335 StPO Rn. 2, 3).Wird bis zu diesem Zeitpunkt keine Konkretisierung des Rechtsmittels vorgenommen oder verbleiben diesbzgl. Zweifel, so gilt das eingelegte Rechtsmittel rechtlich als Berufung. Dies wird damit begründet, dass die Berufung als umfassenderes Rechtsmittel der Revision vorgeht (Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 335 StPO Rn. 2 ff.).
Angeklagter möchte von Berufung auf die Revision wechseln
Die Einlegung der Berufung stellt keinen Revisionsverzicht dar (BGH, NJW 1962, 820). Bis zu dem Ablauf der Revisionsbegründungsfrist gem. § 345 StPO hat der Angeklagte daher grds. einmal die Möglichkeit, seine Rechtsmittelwahl zu ändern (BGH, NJW 1962, 820; Meyer-Goßner / Schmitt – Schmitt, § 335 StPO Rn. 2, 3). Dies gilt jedoch nicht, wenn er bereits anstelle der Berufung zweifelsfrei die Revision gewählt hat (BGHSt 13, 388, 392).Die Einlegung eines unbenannten Rechtsmittels bietet sich in der Praxis v.a. dann an, wenn der Rechtsmittelführer noch vor dem Vorliegen der zu überprüfenden Urteilsgründe, die grds. erst mehrere Wochen nach der gerichtlichen Entscheidung zugestellt werden, ein Rechtsmittel einlegen möchte. Schließlich weiß der Rechtsmittelführer zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit Sicherheit, ob er das betreffende Urteil nur in rechtlicher Hinsicht mit der Revision oder sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht durch die Berufung anfechten möchte.
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Hendrik Heinze
Geschäftsführer der Assessor Akademie Kraatz und Heinze GbR
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