Die wichtigsten Prinzipien und Allgemeines aus dem BGB – für das Verständnis des Zivilrechts unverzichtbar

 07.10.2024 | von Florian Bieker



Für das Verständnis des Zivilrechts muss man einige Prinzipien verstanden haben und diese auch anwenden können, damit man eine erfolgreiche Zivilrechtsklausur schreibt. Dazu zählen unter anderem die Prüfungsreihenfolge, die Grundsätze einer Analoge, das Klammerprinzip oder das Trennungs – und Abstraktionsprinzip. Darüber hinaus tauchen Probleme aus dem Bereich BGB AT immer wieder in Examensklausuren auf.

Die Bedeutung der Prinzipien in der Klausur

Jeder Examenskandidat muss die Grundsätze und Prinzipien des Zivilrechts beherrschen. Verstöße gegen das Trennungs – und Abtraktionsprinzip beispielsweise sind besonders dramatisch, da in derartigen Fällen die Klausur „im Teich ist“. Die grundlegenden Fragen des Zivilrechts werden durch die allgemeinen Prinzipien geregelt. Ihre Kenntnis ist elementar, um im Examen im Zivilrecht auch unbekannte Sachverhalte in den Griff zu bekommen. Des Weiteren sehen es die Prüfer gerne, wenn eine Analogie beispielsweise sauber am Gesetz hergeleitet wird. Dadurch kann man punkten und sich auch von anderen Kandidaten absetzen.
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher die wichtigsten Grundsätze und Prinzipien des Zivilrechts näherbringen.

Die wichtigsten Grundsätze und Prinzipien des Zivilrechts

1. Prüfungsreihenfolge im Zivilrecht

In einer Zivilrechtsklausur wird in den allermeisten Klausurfragen eine Anspruchsprüfung abgefragt. Dann gilt es, dass die Prüfungsreihenfolge der Ansprüche streng eingehalten wird. Anders ist dies nur dann, wenn die Frage und der Bearbeitervermerk eine Abweichung vorsieht oder die Frage derart konkretisiert ist, dass nur ein Anspruch zu prüfen ist. Ist dies jedoch nicht der Fall, darf man beim Prüfen der Ansprüche in der richtigen Reihenfolge keine Schwäche zeigen, da dies andernfalls als Grundlagenfehler besonders hart abgestraft wird. Die Prüfungsreihenfolge im Zivilrecht lautet wie folgt:



Diese Reihenfolge mag auf den ersten Blick Fragen aufwerfen. Allerdings gibt es viele Gründe warum in dieser Reihenfolge zu prüfen ist. Beispielsweise spricht § 677 BGB davon, dass jemand ein Geschäft ausführt, ohne beauftragt zu sein. Würde es sich um einen Auftrag handeln, so müssten vorrangig vertragliche Ansprüche aus dem Auftragsrecht zu prüfen sein. Vertragliche und quasivertragliche Ansprüche sind vor dinglichen Ansprüchen zu prüfen, weil beispielsweise ein Kaufvertrag oder eine echte berechtigte GoA ein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 I 1 Alt. 1 BGB darstellen können. Dingliche Ansprüche sind wiederum vor deliktischen Ansprüchen zu prüfen, weil diese ggf. nach § 993 I a.E. BGB Sperrwirkung entfalten. Gesperrte Ansprüche dürfen niemals inhaltlich angeprüft werden, weil das ein Verstoß gegen eben diese Sperrwirkung darstellt und demnach besonders hart bestraft wird. Deliktische Ansprüche nach § 823 I i.V.m. § 249 I BGB können ebenfalls in gewissen Fällen einen Rechtsgrund i.S.d. § 812 I BGB zum Behaltendürfen darstellen, wie Kaufverträge oder auch eine echte berechtigte GoA. Das sind nur beispielshafte Argumente, warum die Prüfungsreihenfolge im Zivilrecht so ist, wie sie ist, was im Rahmen einer Klausur auch nicht zu erläutern ist, jedoch ungemein wichtig für das Verständnis des Zivilrechts ist. Die Hauptsache ist, dass diese Prüfungsreihenfolge konsequent beachtet wird.
Zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang unser Video auf unserem Youtube-Channel zu der gleichen Thematik (https://www.youtube.com/watch?v=vVkAD8daJ4k).

2. Trennungs – und Abstraktionsprinzip

Weitere wichtige Prinzipien sind das Trennungs – und Abtraktionsprinzip. Diese Prinzipien besagen, dass streng zwischen Verpflichtungs – und Verfügungsgeschäft zu trennen ist. Ferner sind diese Rechtsgeschäfte in ihrer Wirksamkeit getrennt voneinander zu betrachten. Ist beispielsweise der Kaufvertrag gemäß §§ 311b I, 125 S.1 BGB unwirksam, bedeutet dies nicht automatisch, dass das Verfügungsgeschäft ebenfalls unwirksam ist. Dies ist gesondert nach den §§ 873, 925 BGB zu prüfen. Ferner ist zu beachten, dass man sich zu schuldrechtlich zu beliebig vielen Verträgen verpflichten kann (z.B. eine Sache an einen Käufer gemäß § 433 I 1BGB zu übergeben und übereignen, vereinfacht gesagt zu verkaufen). Zur Erfüllung gemäß §§ 362 I, 929 ff. BGB ist man jedoch nur einmal in der Lage. Auch hier ist die dingliche Einigung im Rahmen § 929 BGB unabhängig von dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft zu prüfen. Es darf niemals formuliert werden, dass der Käufer durch Kaufvertrag Eigentum erwirbt oder so ähnlich, weil dies als Verstoß gegen Trennungs- und Abstraktionsprinzip gewertet wird.

3. Klammerprinzip

Das Klammerprinzip ist ebenfalls elementar, um die Systematik des Zivilrechts zu verstehen. Das Klammerprinzip besagt, dass vom man im Zivilrecht vom Speziellen zum Allgemeinen vorgehen muss. Die allgemeinen Regeln werden vereinfacht gesagt vor die Klammer gezogen. Wenn beispielsweise dingliche Ansprüche auf Schadensersatz aus den §§ 989 ff. BGB geprüft werden, werden dort keine Regelungen zum Schadensrecht zu finden sein. Das bedeutet, dass man in das Schuldrecht AT in die §§ 249 ff. BGB springen und diese zur Ermittlung des Schadensersatzes heranziehen muss, weil sich im Schuldrecht BT und Sachenrecht solche Regelungen nicht finden. Gleiches gilt beispielsweise im Rahmen der Prüfung, ob eine wirksame dingliche Einigung i.S.d. § 929 S.1 BGB vorliegt. Was eine dingliche Einigung ist, ist im Sachenrecht nicht geregelt. Jedoch sind die Vorschriften über Willenserklärungen aus dem Bereich des BGB AT gemäß den §§ 116 ff. BGB anwendbar, sodass ein Blick in die §§ 116 ff. BGB geworfen werden muss, um zu ermitteln, ob eine wirksame dingliche Einigung vorliegt. Auch hier finden sich im Schuldrecht BT und sogar im Schuldrecht AT keine Regelungen dazu, sodass auf das BGB AT zurückzugreifen ist, welches bildlich gesprochen ganz vorne steht und alle anderen zivilrechtlichen Bereiche umklammert. Hier ist ebenfalls auf folgendes Video zu verweisen, wo Ihr auch einen weiteren Beitrag zu dieser Thematik finden könnt (https://www.youtube.com/shorts/FJuo7mqtRcQ).

4. juristische Auslegungsmethoden

Im Rahmen einer Klausur wird abgeprüft, ob das Gesetz richtig ausgelegt und angewendet wird. Hierzu existieren vier Auslegungsmethoden, die in einer Klausur im besten Falle kumulativ angewendet werden. Dabei handelt es sich um die historische, systematische, wortgetreue Auslegung und der Auslegung nach Sinn und Zweck. Die historische Auslegung wird in einer Klausur selten funktionieren, da die BT-Drucksachen nicht vorhanden sind, sodass ohne diese Kenntnis eine historische Auslegung einer Vorschrift nicht funktionieren wird. Daher sollte man zunächst mit der Wortlautauslegung starten, was bedeutet, dass zunächst das Gesetz sorgsam gelesen wird. Jedes Wort kann hier entscheidend sein. Anschließend ist zu prüfen in welcher Systematik die Vorschrift zu anderen Vorschriften steht. Dazu muss geprüft werden in welchem Bereich die Vorschrift eingeordnet ist und in welchem Verhältnis die entsprechende Vorschrift zu anderen steht. Zuletzt ist zu fragen, welcher Sinn und Zweck hinter der Vorschrift steht. Dies wird in aller Regel am anspruchsvollsten sein, bringt jedoch einige Punkte. Gerade die letzten drei Auslegungsmethoden sollte man regelmäßig im Rahmen von Klausuren trainieren, weil es sich hierbei um das juristische Handwerk und die Grundlagen handelt.

5. Analogie

Die Analogie bedeutet im Allgemeinen, dass die Rechtsfolge einer Vorschrift entsprechend angewendet wird. Dazu müssen eine planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlagen vorliegen. Eine planwidrige Regelungslücke liegt dann vor, wenn der Gesetzgeber einen Umstand unbewusst nicht geregelt hat und dieser Zustand zu einem verfassungswidrigen Zustand führt, wo nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber diesen Zustand hinnehmen möchte. Vergleichbare Interessenlagen liegen dann vor, wenn der nicht geregelte Sachverhalt mit dem geregelten Sachverhalt vergleichbar ist.  Liegen beide Voraussetzungen vor, ist die Vorschrift bzw. deren Rechtsfolge entsprechend anwendbar. Musterbeispiel ist hier § 31 BGB, welcher analog auf die GmbH für das Verhalten des Geschäftsführers angewendet wird, weil eine solche Zurechnungsnorm im GmbHG fehlt, aber vergleichbare Interessenlagen derart bestehen, dass es sich bei der GmbH ebenfalls, wie bei dem Verein um eine juristische Person des Privatrechts handelt, welcher das Verhalten ihrer Organe zugerechnet werden muss.

6. Willenserklärungen, Realakte und geschäftsähnliche Handlungen

Willenserklärungen sind Erklärungen, die auf den Eintritt einer bestimmten zivilrechtlichen Rechtsfolge gerichtet sind. Realakte dagegen sind faktische Handlungen, wo die Rechtsfolgen kraft Gesetz eintreten, wie beispielsweise bei § 950 I BGB. Geschäftsähnliche Handlungen sind keine Willenserklärungen und somit keine Erklärungen, die auf den Eintritt einer zivilrechtlichen Rechtsfolge gerichtet ist. Hier treten die zivilrechtlichen Rechtsfolgen als Nebenfolge ein, wie unter anderem bei einer Mahnung. Die Vorschriften über Willenserklärungen gelten allerdings entsprechend.

7. Arten von Rechtsgeschäften

Bei den Rechtsgeschäften ist zwischen einseitigen und zweiseitigen Rechtsgeschäften zu unterscheiden. Einseitig Rechtsgeschäfte unterscheiden sich noch in einseitig empfangsbedürftigen Rechtsgeschäften und einseitig nicht empfangsbedürftigen Rechtsgeschäften. Beide haben gemeinsam, dass die Willenserklärung des Erklärenden nötig ist, allerdings ist jeweils zwischen der Empfangsbedürftigkeit zu differenzieren. Beispiele für empfangsbedürftige einseitige Rechtsgeschäfte sind unter anderem die Anfechtung und die Kündigung. Nicht empfangsbedürftige einseitige Rechtsgeschäfte sind beispielsweise die Auslobung nach § 657 oder das Testament.
Zweiseitige Rechtsgeschäfte sind solche, wo zwei übereinstimmende Willenserklärungen nötig sind. Hier ist zwischen einseitig verpflichtenden Rechtsgeschäften und beidseitigen verpflichtenden Rechtsgeschäften zu unterscheiden. Beispiele für einseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte sind die Bürgschaft nach §§ 765 ff. BGB oder die Schenkung nach §§ 516 ff. BGB. Mehrseitig verpflichtende Rechtsgeschäfte sind z.B. der Kaufvertrag nach § 433 BGB oder der Werkvertrag nach § 631 BGB.  

8. Die wichtigsten Problemkreise

Zuletzt ist es vorteilhaft sich zu vergegenwärtigen, welche Problemkreise aus dem Bereich BGB AT besonders relevant sind und bis und inklusive während der Examenszeit regelmäßig wiederholt werden müssen. Die wichtigsten Problemkreise aus dem Bereich BGB AT sind unter anderem in der folgenden Liste überblicksartig dargestellt.
  • Allgemeine Prinzipien (s. oben)
  • Minderjährigenrecht gem. §§ 106 ff. BGB
    • § 107 BGB (Problem wann lediglich rechtlich vorteilhaft?)
    • § 110 BGB (Problem wann Leistung mit eigenen Mitteln bewirkt und Zweckbindung)
    • Problem Verknüpfung des Minderjährigenrecht mit anderen Rechtsgebiete
  • Willenserklärungen
    • Problem Abgrenzung zu Realakten und rechtsgeschäftsähnlichen Handlungen (s. oben)
    • Prüfungsschema und Definitionen
    • Problem abhandengekommene Willenserklärungen
    • Problem Rechtsbindungswille und Abgrenzung Gefälligkeitsvertrag zur bloßen Gefälligkeit
    • Problem fehlendes Erklärungsbewusstsein
  • Anfechtungsrecht gem. §§ 119 ff. BGB
    • Prüfungsschema und Definitionen
    • Problem Abgrenzung anfechtungsrelevanter Irrtum und Motivirrtum
    • Problem Anfechtung bereits ausgeübter Innenvollmacht
    • Problem Verknüpfung des Anfechtungsrecht mit anderen Rechtsgebieten
  • Formnichtigkeit und Sittenwidrigkeit (§§ 125 S.1 BGB, § 138 BGB)
    • Problem Beachtung Formvorschriften für entsprechenden Vertrag
    • Problem Beachtung Heilungsvorschrift
    • Problem Sittenwidrigkeit bei Geliebtentestament, Wucher – und wucherähnlichen Geschäften, Knebelverträge und Titelhandel
    • Problem Verknüpfung mit anderen Rechtsgebieten
  • Stellvertretungsrecht gem. §§ 164 ff. BGB
    • Problem Abgrenzung Botenschaft/Stellvertreter
    • Problem Handeln im fremden Namen
    • Problem Abgrenzung verschiedenen Vertretungsmachten
    • Problem § 181 BGB
    • Problem Missbrauch der Vertretungsmacht
    • Problem Verknüpfung mit anderen Rechtsgebieten

Fazit

Die herausragende Bedeutung der juristischen Grundlagen und der allgemeinen Prinzipien des Zivilrechts sollten jedem Studenten bewusst sein.
Die solide Kenntnis dieser Prinzipien und der Grundlagen ist elementar, um das Zivilrecht in seiner Gänze zu verstehen und zivilrechtliche Fälle in den Griff zu bekommen. Sie werden auch sehr gerne in der mündlichen Prüfung abgeprüft und abgefragt, damit die Prüfer sehen, ob die Examenskandidaten das Zivilrecht und die Systematik durchdrungen haben.
Daher sollte man sich frühzeitig mit den Grundlagen beschäftigen. Besonders empfehlenswert ist das Klausurentraining, um die zivilrechtlichen Prinzipien zu verinnerlichen.
Solltet Ihr Euch im Zivilrecht noch nicht examensreif fühlen, vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin. Unsere erfahrenen Dozenten der Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite.

Florian Bieker
 


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