Die wichtigsten Verfahrensgrundsätze (Prozessmaximen) der ZPO

03.01.2024 von Dr. Robert König



Für das Verständnis des Zivilprozessrechts ist die Kenntnis der Prozessmaximen der Zivilprozessordnung (ZPO) elementar. Sie sind nicht nur regelmäßig Gegenstand von Examensklausuren, sondern auch in den mündlichen Prüfungen des 1. und 2. Examens ein beliebtes Thema.

Die Bedeutung der Verfahrensgrundsätze in der Klausur

Jeder Examenskandidat muss die Verfahrensgrundsätze (sog. Prozessmaximen) der ZPO beherrschen. Die grundlegenden Fragen des Zivilprozesses werden durch diese Verfahrensgrundsätze geregelt. Ihre Kenntnis ist elementar, um im Examen auch unbekannte zivilprozessuale Sachverhalte in den Griff zu bekommen. Des Weiteren sehen es die Prüfer gerne, wenn die Prozessmaximen bei der Erörterung von Meinungsstreiten zur Untermauerung der eigenen Argumentation herangezogen werden.
Im heutigen Blogbeitrag wollen wir Euch daher die wichtigsten Prozessgrundsätze der ZPO, die am häufigsten in Klausuren und mündlichen Prüfungen abgefragt werden, näherbringen.

Die wichtigsten Verfahrensgrundsätze in der ZPO

1. Dispositionsmaxime

Nach der Dispositionsmaxime des Zivilprozesses steht es grds. allen Prozessparteien zu, sowohl über den Klagegegenstand als auch den Beginn und das Ende des jeweiligen Prozesses zu bestimmen. Die Dispositionsmaxime des Zivilprozesses findet daher insbesondere in der Klageerhebung gem. § 253 I ZPO und der Klagerücknahme gem. § 269 ZPO Ausdruck.
Die Dispositionsmaxime ist von dem Offizialprinzip des Strafprozesses gem. § 152 I StPO abzugrenzen, nach welchem das Anklagemonopol bei der Staatsanwaltschaft liegt.

2. Beibringungsgrundsatz (Verhandlungsmaxime)

Nach dem Beibringungsgrundsatz aus § 282 ZPO (auch Verhandlungsgrundsatz, Verhandlungsmaxime oder Beibringungsmaxime genannt) bestimmen die Prozessparteien über den Umfang des Sachverhalts im Zivilprozess. Es liegt in ihrer Verantwortung, diejenigen Tatsachen, die dem Urteil zugrunde liegen, in den Prozess einzuführen.
So obliegt es primär Kläger und Beklagten, sich zu streitentscheidenden Tatschen zu äußern und Beweisanträge zu stellen. Das Zivilgericht ermittelt im Normalfall hingegen nicht von Amts wegen, d.h. nicht aus eigenem Antrieb heraus.
Der zivilprozessuale Beibringungsgrundsatz unterscheidet sich damit erheblich von dem verwaltungsprozessualen Untersuchungsgrundsatz von Behörden gem. § 24 VwVfG und Gerichten gem. § 86 I VwGO sowie dem strafprozessualen Ermittlungsgrundsatz gem. §§ 155 II, 160 II, 163, 244 II StPO. Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass die einschlägigen Behörden und Gerichte von Amts wegen dazu verpflichtet sind, einen Sachverhalt vollständig zu erforschen.

3. Anspruch auf rechtliches Gehör

Nach dem Grundsatz des Rechts auf ein rechtliches Gehör gem. Art. 103 I GG dürfen sich die Prozessparteien im zivilgerichtlichen Verfahren äußern, da sie nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens degradiert werden sollen. Mithin haben Kläger und Beklagte das Recht, vom Gericht gehört zu werden.

4. Grundsatz der Mündlichkeit

Nach dem Mündlichkeitsgrundsatz gem. § 128 I ZPO darf nur der in einer Hauptverhandlung mündlich vorgetragene und erörterte Prozessstoff einem Zivilurteil zugrunde gelegt werden. Ausnahmen finden sich u.a. im schriftlichen Verfahren gem. § 128 II ZPO.

5. Grundsatz der Unmittelbarkeit

Nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz gem. §§ 128 I, 355 I 1 ZPO haben sowohl die mündliche Verhandlung als auch die Beweisaufnahme gem. § 284 ZPO vor demselben erkennenden Gericht stattzufinden.

6. Beschleunigungsgrundsatz

Nach dem Beschleunigungsgrundsatz gem. Art. 20 III GG i.V.m. Art. 6 I 1 EMRK ist der Zivilprozess innerhalb einer angemessenen Zeit durchzuführen. In diesem Sinne besagt die in § 272 ZPO enthaltene Konzentrationsmaxime, dass der Rechtsstreit möglichst in einem Haupttermin erledigt wird. Mit anderen Worten soll der Zivilprozess nach Möglichkeit an einem Tag verhandelt werden.

7. Grundsatz der Öffentlichkeit

Nach dem Öffentlichkeitsgrundsatz gem. § 169 S. 1 GVG i.V.m. Art. 6 I 1 EMRK muss die mündliche Hauptverhandlung Zuschauern zwecks einer Kontrollfunktion zugänglich sein (sog. „Saalöffentlichkeit“).

8. Grundsatz der Einheit der mündlichen Verhandlung

Alle Verhandlungstermine bilden im Zivilprozess eine Einheit. Unabhängig von der Anzahl der Verhandlungstage verfügt ein Zivilprozess also nur über eine mündliche Verhandlung.
Aufgrund dessen können die Prozessparteien auch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung neue Tatsachen einführen, die insgesamt den Prozessstoff des Urteils bilden. Da die ganze mündliche Verhandlung eine Einheit bildet, ist im Hinblick auf die vorgetragenen Tatsachen nur entscheidend, was am Ende streitig oder unstreitig ist. Unstreitige Tatsachen können also im Laufe der mündlichen Verhandlung streitig werden und umgekehrt.

9. Anspruch auf ein faires Verfahren

Nach der st. Rspr. des BVerfG haben die Parteien des Zivilprozesses einen Anspruch auf ein faires Verfahren (häufig auch „fair trail“-Grundsatz genannt). Aufgrund dieses Verfahrensgrundsatzes muss sich das Gericht neutral gegenüber den Prozessparteien verhalten und darf nur nach Recht und Gesetz entscheiden.
Das BVerfG leitet dieses prozessuale Grundrecht insbesondere aus dem Rechtsstaatsprinzip her (BVerfG, NJW 2014, 205). Aber auch in der Zivilprozessordnung selbst finden sich Vorschriften, die ein faires Verfahren gewährleisten sollen. Zu nennen sind insbesondere die Regelungen zur Befangenheit des Richters in den §§ 42 ff. ZPO und das Verbot von Überraschungsentscheidungen gem. § 139 II ZPO.

Fazit zu den Verfahrensmaximen der ZPO

Die herausragende Bedeutung der juristischen Grundlagen, des juristischen Handwerkskoffers, sollte jedem Studenten und Referendar bewusst sein.
Die solide Kenntnis der Prozessgrundsätze der ZPO gehört schon im 1. Staatsexamen zum Pflichtprogramm. Sie sind häufiger Gegenstand der prozessualen Zusatzfrage in der Zivilrechtsklausur und werden auch sehr gerne in der mündlichen Prüfung abgeprüft.
Dass die Kenntnis der Prozessmaximen für ein erfolgreiches 2. Staatsexamen wichtig ist, liegt auf der Hand. Schließlich besteht das 2. Staatsexamen zu einem wesentlichen Anteil aus Prozessrecht. Gerade bei unbekannten Sachverhalten oder bei der Darstellung von Meinungsstreitigkeiten kann daher auf die Kenntnis der betreffenden Grundlagen zurückgegriffen werden.
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Dr. Robert König

 

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