Ein Klassiker zur Stellvertretung: Missbrauch eines e-Bay-Kontos
15.11.2024 I Sophie Goldenbogen




Das Wintersemester hat im Oktober begonnen und für viele Studierenden hat damit die Reise zum ersten Staatsexamen begonnen. Mittlerweile sind die Ersti-Veranstaltungen und die Einführungswoche geschafft, die erste Aufregung hat sich gelegt. Und auch die ersten Fälle wurden in den AGs schon besprochen. An den meisten Universitäten liegt ein Schwerpunkt zu Beginn des Studiums im Zivilrecht und dort im BGB-AT. Das ist auch gut so, denn der allgemeine Teil bildet die Grundlage für alles Weitere im Zivilrecht und wird einen bis zum Examen begleiten. Ein Dauerbrenner dabei sind Stellvertretungsfragen. Im heutigen Blogbeitrag wollen wir uns deshalb einmal mit einer Grundproblematik aus dem Stellvertretungsbereich beschäftigen, dem Handeln unter fremden Namen im Zusammenspiel mit dem Missbrauch eines e-Bay Kontos.

Der Fall

Der alleinerziehende Papa P hat für sein sechsjähriges Kind die Nachbarin N als Babysitterin engagiert. P wird an dem Abend ausgehen und die Babysitterin darf sich im ganzen Haus wie zu Hause fühlen. Sie darf vor allem auch den Laptop des P benutzen. Als das Kind schläft, kommt die Babysitterin auf die Idee, sie ist selbst schon 18 Jahre alt, am Laptop des Vaters über eBay spaßeshalber ein „Angebot“ einzustellen. Sie loggt sich dazu in den Laptop ein. „Glücklicherweise“ hat der Vater sogar noch die eBay Website geöffnet und vergessen, sich aus seinem Account auszuloggen. Die Babysitterin startet also eine Auktion unter Benutzung seines Acccounts. Als Verkaufsgegenstand nimmt sie die mehrere Jahre alte Ledercouch aus dem Wohnzimmer des P. Sie macht ein Foto und stellt das Angebot online. Auktionsende soll noch am gleichen Tag um 22:00 Uhr abends sein. Bis zum Auktionsende hat sich nur der Kaufinteressent K auf das Angebot gemeldet und ein Angebot in Höhe von 200 € abgegeben.
Frage: Wenn P nicht mit dem ganzen Vorfall einverstanden ist, kann der Käufer trotzdem von P Übereignung und Übergabe der Ledercouch verlangen?

Vorüberlegungen

Es sollte klar sein, dass dazu zwischen dem P und dem Käufer ein Kaufvertrag zustande gekommen sein müsste. Aber P hat zu keiner Zeit eine eigene Willenserklärung abgegeben, die darauf gerichtet ist, seine Ledercouch zu verkaufen. An dieser Stelle kommen die Vorschriften der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) ins Spiel.

Wirksamkeit der Stellvertretung

§ 164 ff. BGB regeln, dass die Willenserklärung, die ein anderer, hier die Babysitterin, abgegeben hat, für und gegen einen anderen, hier P, gelten. Das geschieht aber nur, wenn die Babysitterin eine eigene Willenserklärung abgegeben hat, die sie offenkundig im Namen einer anderen Person abgegeben hat, die ihr dazu eine Vertretungsmacht erteilt hat. 



Zwar hat die Babysitterin mit dem Einstellen des Gebotes eine eigene Willenserklärung abgegeben. Es stellt sich aber die Frage, ob sie das offenkundig im Namen des Vaters gemacht hat oder nicht.
Die Offenkundigkeit dient dazu, festzustellen, dass aus der Sicht des Erklärungsempfängers klar ist, dass nicht die Person, die die Willenserklärung abgegeben hat, Vertragspartner ist, sondern eben eine andere Person. Die Offenkundigkeit stellt also das Drei-Personen-Verhältnis dar: Es gibt den Vertretenen, den Vertreter und den Geschäftspartner. Dieser Umstand muss für den Erklärungsempfänger, den Geschäftspartner, gemäß § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB zumindest aus den Umständen ersichtlich sein.

In unserem Fall, dem Missbrauch eines eBay Kontos, ist es nun aber so, dass die Babysitterin eindeutig nicht im Namen des Vaters handelt, sondern unter missbräuchlicher Verwendung seines Namens beziehungsweise seiner Identität. Der Käufer sieht ja nur das Profil des e-bay- Kontos, dass auf den P läuft, und denkt daher, mit diesem Geschäfte zu machen. Für den Käufer ist es nicht ersichtlich, dass es sich um eine Konstellation mit drei Beteiligten handelt. Ein solches Handeln unter fremden Namen unterfällt, aber nicht direkt den Stellvertretungsregeln.

Was nun?

In einer Klausur sollte man dann aber zu dem Ergebnis kommen, dass es am interessengerechtesten wäre, gleichwohl die Vorschriften analog anzuwenden, da die Situation des Missbrauchs eines eBay Kontos vergleichbar ist mit der klassischen Stellvertretungssituation. Denn eine Person, der eine fremde Willenserklärung unter fremder Namensverwendung zugerechnet werden soll, will das nur, wenn sie hierzu auch eine Vollmacht erteilt hat oder das Handeln nachträglich genehmigt. Der Geschäftspartner, der darauf vertraut, dass er einen Vertrag genau mit dem Namensinhaber hat, möchte zumindest die Möglichkeit haben, mit dem Träger des Namens einen Vertrag zu haben. Und wenn das mangels Vollmacht nicht der Fall ist, will er zumindest Sekundäransprüche gegen den, der den fremden Namen verwendet hat. Dieses Ergebnis erreicht man am besten, indem man die §§ 164 ff. BGB analog anwendet.

So weit, so gut: Das heißt, die § 164 ff. BGB werden abgewandelt so geprüft: Die Babysitterin muss, was wir bereits geprüft haben, eine eigene Willenserklärung abgegeben haben. Sie muss ferner unter fremder Namensverwendung gehandelt haben, was hier der Fall ist. Und schließlich muss der Vater der Babysitterin eine Art Vollmacht erteilt haben, nämlich eine „Namensverwendungsmacht“.
In unserem Fall hat der Vater der Babysitterin aber nicht die Macht erteilt, unter seinem Namen zu handeln. Er hat dies weder ausdrücklich noch konkludent durch die Bereitstellung des Laptops getan. Okay, und war es das jetzt?

Anscheins- oder Duldungsvollmacht (analog) ?

Nein, für höhere Punkteränge kann man jetzt noch andenken, ob man den Vater nicht deshalb haften lassen sollte, weil er sich nicht aus seinem Konto ausgeloggt hat. Unter diesem Aspekt kann man über eine sogenannte Anscheins- oder Duldungsvollmacht nachdenken. Für die Annahme einer Duldungsvollmacht (analog) müsste aber der Vater gewusst haben, dass die Babysitterin den Account benutzt und das einfach geduldet haben. Das ist hier aber offensichtlich nicht der Fall. Man könnte schließlich noch an eine Anscheinsvollmacht (analog) denken. Das würde bedeuten: Der Vater hätte wissen müssen, dass die Babysitterin sein Konto missbraucht. Dafür bestehen aber auch keine Anhaltspunkte. Insbesondere gelten die Grundsätze zur Anscheinsvollmacht ohnehin nur, wenn bereits mehrmals eine Person in fremden Namen gehandelt hat.
Kurz um: Der Vater muss für den ganzen Vorfall nicht haften. Die Schwierigkeit in einer solchen Klausur besteht darin, sauber herauszuarbeiten, dass gar kein wirklicher Fall einer Stellvertretung vorliegt. Die herrschende Meinung wendet aber wie gezeigt die Vorschriften analog an.

Fazit

Wir sehen – wenn man sich sauber an den Voraussetzungen der Stellvertretung entlang arbeitet, fallen die Probleme fast von selbst auf. Wenn man jetzt noch den Sinn und Zweck der Regelungen verstanden hat und insbesondere wen diese schützen sollen, kommt man in der Regel zu guten Lösungen. Einige Klassiker sollte man dennoch kennen und gerade das Nutzen eines fremden Accounts gehört hierzu. Die solide Kenntnis der Stellvertretungsregeln gehört zum Pflichtprogramm. Sie sind häufiger Gegenstand in der Zivilrechtsklausur und werden auch sehr gerne in der mündlichen Prüfung abgeprüft. Hier nicht auf Lücke zu lernen zahlt sich also aus! Wenn ihr noch mehr spannende Fälle zur Stellvertretung oder zu anderen aktuellen Fragen rund um das Zivilrecht lesen möchtet, abonniert gerne unseren Newsletter.
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Sophie Goldenbogen
 


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