Fallbesprechung: Die Trierer Weinversteigerung: 



Der Fall "Die Trierer Weinversteigerung" behandelt das Thema des fehlenden Erklärungsbewusstseins bei einer Willenserklärung. Der Sachverhalt dreht sich um eine Person (A), die bei einer Weinversteigerung seinem Freund zuwinkt, wobei der Auktionator dieses Winken als Gebot interpretiert und A den Zuschlag für den Wein gibt. Der Weinversteigerer (C) verlangt daraufhin von A die Abnahme und Bezahlung des Weines​​.
Der Fall wurde von Hermann Isay im Jahr 1899 in seinem Buch "Die Willenserklärung im Tatbestande des Rechtsgeschäfts" eingeführt​​.

Das zentrale juristische Problem dieses Falles ist die Frage, welchen Einfluss das Fehlen des Erklärungsbewusstseins auf eine Willenserklärung hat. In diesem Kontext ist entscheidend, ob ein sogenanntes potentielles Erklärungsbewusstsein ausreicht oder ob ein aktuelles Erklärungsbewusstsein notwendig ist​​.

Die Lösung des Falles erfolgt in einer detaillierten Analyse. Sie beinhaltet die Untersuchung des objektiven und subjektiven Tatbestandes einer Willenserklärung, wobei insbesondere das Erklärungsbewusstsein im Fokus steht. Es werden die Willenstheorie, die eine aktuelle Willenserklärung fordert, und die Erklärungstheorie, die auf das potentielle Erklärungsbewusstsein abstellt, gegenübergestellt. Letztlich wird argumentiert, dass gemäß der Erklärungstheorie und der Rechtsprechung des BGH das potentielle Erklärungsbewusstsein für eine Willenserklärung ausreicht. Dies bedeutet, dass A's Handlung als wirksame Willenserklärung angesehen wird, auch wenn er sich des rechtlichen Charakters seiner Handlung nicht bewusst war. A hat jedoch die Möglichkeit, seine Willenserklärung anzufechten​​.

In der Entscheidung "Die Trierer Weinversteigerung" wurde das Problem des fehlenden Erklärungsbewusstseins durch Anwendung der Erklärungstheorie gelöst. Diese Theorie basiert auf dem Prinzip des Vertrauensschutzes und argumentiert, dass eine Willenserklärung auch ohne aktuelles Erklärungsbewusstsein gültig sein kann, wenn sie vom Erklärenden bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt als solche hätte erkannt werden können. Das bedeutet, dass ein potentielles Erklärungsbewusstsein für die Bejahung einer zurechenbaren Willenserklärung ausreicht​​.

Die zwei Haupttheorien, die in diesem Kontext diskutiert werden, sind:
  1. Willenstheorie:
    Diese Theorie betont die Bedeutung des tatsächlichen Willens des Erklärenden. Sie geht davon aus, dass eine Willenserklärung nur dann wirksam ist, wenn der Erklärende sich des rechtlichen Charakters seiner Handlung bewusst ist. Nach dieser Theorie wäre A's Handlung im Weinversteigerungsfall als nichtig angesehen worden, da ihm das Erklärungsbewusstsein fehlte. Die Willenstheorie sieht das Erklärungsbewusstsein als notwendigen Bestandteil einer Willenserklärung an.

     
  2. Erklärungstheorie:
    Im Gegensatz dazu basiert die Erklärungstheorie auf dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und argumentiert, dass eine Willenserklärung auch dann wirksam sein kann, wenn der Erklärende das potentielle Erklärungsbewusstsein besitzt. Das bedeutet, der Erklärende hätte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst wird. Diese Theorie wurde im Fall der Trierer Weinversteigerung angewendet, und es wurde festgestellt, dass A's Handlung als wirksame Willenserklärung anzusehen ist, obwohl ihm das aktuelle Erklärungsbewusstsein fehlte.
Die Entscheidung in diesem Fall illustriert die Anwendung der Erklärungstheorie und die Anerkennung des potentiellen Erklärungsbewusstseins in der deutschen Rechtsprechung.

Für Jurastudenten sind die wichtigsten Learnings aus diesem Fall:
  1. Die Bedeutung des Erklärungsbewusstseins bei Willenserklärungen.
  2. Die Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand einer Willenserklärung.
  3. Die Differenzierung zwischen Willenstheorie und Erklärungstheorie.
  4. Das Konzept des potentiellen Erklärungsbewusstseins und dessen Relevanz im Vertragsrecht.
  5. Die Möglichkeit der Anfechtung einer Willenserklärung unter bestimmten Voraussetzungen.


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