Falsa demonstratio non nocet, Der "Haakjöringsköd-Fall" (RGZ 99, 147).



Der "Haakjöringsköd-Fall", entschieden am 8. Juni 1920 unter dem Aktenzeichen RGZ 99, 147, ist ein grundlegender Fall im deutschen Zivilrecht und vermittelt wichtige Erkenntnisse für die Rechtsgeschäftslehre, insbesondere die Auslegung von Willenserklärungen. Dieser Fall ist nicht nur für das Kaufvertragsrecht, sondern auch für andere Rechtsgebiete wie das Arbeits- und Patentrecht von Bedeutung​​.

Sachverhalt:
Im konkreten Fall verkaufte der Fischgroßhändler G dem Fischhändler F 124 Fässer "Haakjöringsköd", die sich auf dem Dampfer Jessica befanden. Beide Parteien waren der Auffassung, dass es sich um Walfleisch handelte, das mit "Haakjöringsköd" korrekt bezeichnet sei. Jedoch bedeutet der Begriff "Haakjöringsköd" in Wirklichkeit Haifischfleisch. Als die Ware in Hamburg ankam, wurde sie beschlagnahmt, da für Haifischfleisch Einfuhrbeschränkungen galten. F forderte daraufhin von G die Erstattung des Kaufpreisunterschieds, da er argumentierte, die Ware sei ihm fälschlicherweise als Walfleisch verkauft worden​​.

Rechtliche Fragestellung:
Das Reichsgericht musste klären, ob ein Vertrag über Walfleisch zustande gekommen war, obwohl die Parteien irrtümlich "Haakjöringsköd" verwendeten. Die Kernfrage drehte sich also um die Auslegung der Willenserklärungen und den Grundsatz "falsa demonstratio non nocet"​​​​.

Entscheidung des Reichsgerichts:
Das Gericht entschied, dass ein wirksamer Kaufvertrag über Walfleisch bestand. Es stellte fest, dass beide Parteien übereinstimmend Walfleisch meinten, auch wenn sie fälschlicherweise "Haakjöringsköd" dafür verwendeten. Dies verdeutlicht den Grundsatz, dass der wahre Wille der Parteien entscheidend ist und nicht die wörtliche Auslegung ihrer Erklärungen​​.

Bedeutung und Auswirkungen:
Der Fall unterstreicht die Wichtigkeit der §§ 133, 157 BGB zur Auslegung von Willenserklärungen. Er betont, dass der wirkliche Wille der Parteien entscheidend ist, und zeigt, dass eine falsche Bezeichnung des Kaufgegenstandes nicht schädlich ist, wenn beide Parteien dasselbe meinen. Diese Erkenntnis ist entscheidend für das Verständnis von Rechtsgeschäften im deutschen Zivilrecht und trägt dazu bei, unbillige Ergebnisse zu vermeiden, die durch eine strikte Auslegung von Worten entstehen könnten​​​​.

Klausurrelevanz:
Für Jurastudierende ist dieser Fall besonders relevant, da er grundlegende Prinzipien der Vertragsauslegung und des Verständnisses von Willenserklärungen illustriert. Er ist ein klassisches Beispiel dafür, wie die Gerichte den wahren Willen der Vertragsparteien ergründen und wie dieser Wille in der rechtlichen Bewertung Vorrang vor dem buchstäblichen Wortlaut der Erklärungen hat.

Zusammenfassend ist der "Haakjöringsköd-Fall" ein essenzieller Bestandteil der juristischen Ausbildung und liefert wichtige Einblicke in die Auslegung von Willenserklärungen und das Verständnis von Rechtsgeschäften im deutschen Zivilrecht.


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