Fremd oder Eigen? Die drei Arten von Geschäften bei der GoA im Überblick

23.08.2024 I Sophie Goldenbogen


Für das Verständnis der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) ist es entscheidend, die verschiedenen Arten von Geschäften zu unterscheiden, die im Rahmen der GoA relevant sind.  Ob ein Geschäft als objektiv fremd, neutral oder auch-fremd eingestuft wird, ist oftmals schwer einzuschätzen, beeinflusst aber maßgeblich den Ausgang der Ansprüche. Diese Unterscheidungen sind nicht nur wesentliche Prüfungsinhalte im Examen, sondern auch von zentraler Bedeutung in der juristischen Praxis. In diesem Beitrag klären wir, wie man zwischen den drei Typen von Geschäften unterscheidet und welche Bedeutung diese Klassifikationen für die Klausur haben.

Was macht ein Geschäft fremd?

Für einen Anspruch aus der GoA muss ein fremdes Geschäft vorliegen. Ganz allgemein ist ein Geschäft dann fremd, wenn es nicht ausschließlich eine Angelegenheit des Geschäftsführers ist, sondern zumindest auch in den Rechts- oder Interessenbereich des Anspruchsgegners fällt.  Klingt alles recht schwammig? Nähern wir uns dem Problem einmal anhand der klassischen Unterteilung mit Beispielen:

Das objektiv fremde Geschäft

Bei objektiv fremden Geschäften ist es klar erkennbar, dass es sich nicht um ein eigenes Geschäft des Handelnden handelt, sondern nur um den Rechts- oder Interessenkreis eines anderen. Klassische Beispiele: Veräußerung, Verfügung oder Nutzung einer fremden Sache, Erfüllung einer ausschließlich fremden Verbindlichkeit (z.B. Beseitigung einer Störung). Auch das klassische Hilfeleisten bei Unfällen fällt hierunter oder der Schulbuchfall des Feuerlöschens, den wir in einem früheren Blogbeitrag behandelt haben .
Das Gesetz enthält in vielen Fällen Regelungen dazu, welche Person zur Ausführung einer Tätigkeit bestimmt ist. Eigentumsrechte i.S.d. § 903, Verwendungsrechte i.S.d. § 994, aber auch vertragliche Regelungen können klar bestimmen, wer für etwas zuständig ist. Das Praktische ist, dass bei objektiv fremden Geschäften der Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird, was uns in der Klausur in der Regel einen Prüfungspunkt erspart.

Das objektiv neutrale Geschäfte

Objektiv neutrale Geschäfte werden dann zu fremden Geschäften, wenn der Handelnde einerseits mit Fremdgeschäftsführungswillen handelt und dieser andererseits auch hinreichend deutlich nach außen tritt. Ein Beispiel: Wenn jemand einem fremden Kind etwas zu essen gibt, handelt es sich klar um ein objektiv fremdes Geschäft, denn für die Ernährung des Kindes haben eigentlich die Eltern Sorge zu tragen. Ganz anders ist das beim Radiokauf. Hier handelt es sich um ein objektiv neutrales Geschäft. Hier müssen schon besondere Anzeichen vorliegen, dass der Käufer für einen Dritten erwerben will, sonst kann der Erwerber weder Ersatz für den Kaufpreis fordern (§§ 683. 670) noch kann ein Dritter das Radio von ihm herausverlangen (§§ 681, 667).

Das auch fremde Geschäft

Der eigentliche Klausurdauerbrenner ist das auch fremde Geschäft. Hier nimmt der Handelnde gleichzeitig eigene und fremde Angelegenheiten wahr. Es liegt ein Doppelinteresse vor. Ein Beispiel: Der Mieter löscht einen Brand um seine Sachen zu retten und um das Haus des Vermieters zu retten. Oft liegen die Fälle aber nicht ganz so einfach.
Ein klausurrelevanter Grenzfall ist die Erfüllung eines nichtigen Vertrags. Der Schuldner erbringt hierbei im Glauben an die Wirksamkeit eines nichtigen Vertrages eine Leistung und wird dadurch gleichzeitig für den anderen tätig. Auf den ersten Blick sieht das nach einem klaren Fall für ein Doppelinteresse aus. Dagegen spricht aber einiges. Zum einen handelt die betreffende Person ja gar nicht mit Fremdgeschäftsführungswillen, sie denkt, dass eine eigene Verpflichtung erfüllt werden muss.
Zum anderen ist zu bedenken, dass man bei der Rückabwicklung nichtiger Verträge vorrangig an die §§ 812 ff. denken sollte. Die Literatur hält daher in solchen Fällen die GoA schlicht nicht für anwendbar. Der BGH hat hingegen in einem Urteil entschieden, dass auch bei der Erfüllung eines nichtigen Vertrages ein auch fremdes Geschäft vorliegen kann, ließ den Anspruch dann aber aus anderen Gründen scheitern (vgl. BGH, 25. 6. 1962 – Az. VII ZR 120/61 = NJW 1962, 2010, 2011 m.w.N.).
In einem anderen Fall ist der BGH dieser Linie der Literatur gefolgt (vgl. BGH, 27.05.2009 - VIII ZR 302/07; BGHZ 181, 188) Das schauen wir uns jetzt einmal genauer an.
In dem Fall hat ein Mieter Schönheitsreparaturen vorgenommen, weil er dachte zu diesen verpflichtet zu sein. Die Klausel im Vertrag war allerdings nichtig. Der Mieter könnte daher einen Aufwendungsersatzanspruch aus § 539 I i.V.m. §§ 677, 683 S. 1, 670 haben. Bei solchen Aufwendungen auf die Mietsache verweist § 539 nämlich partiell auf die Vorschriften der GoA. Während die Literatur in solchen Fällen ohne Umwege die §§ 812 ff. prüfen würde, prüfte der BGH, ob nicht ein fremdes Geschäft vorliegen könnte. Klar ist, dass die Renovierung eine Geschäftsbesorgung darstellt, aber handelt es sich auch um ein fremdes Geschäft? Nein, sagt der BGH, der Mieter will hier eine eigene Leistung erbringen. Der BGH argumentiert, dass die Schönheitsreparatur aus der Sicht des Mieters ein Teil des für die Gebrauchsüberlassung geschuldeten Entgelts darstellen. Auf Deutsch: aus Sicht des Mieters zahlt er nur deshalb weniger Miete, weil er sich verpflichtet hat am Ende die Schönheitsreparaturen durchzuführen. Die Durchführung der Schönheitsreparatur ist für den Mieter also ein Teil seiner Mietzahlung. Die Zahlung von Miete stellt aber kein fremdes Geschäft dar, auch wenn der Vermieter dadurch eine Vermögensmehrung erhält. Der Anspruch aus § 539 i.V.m. §§ 677 ff. wurde daher vom BGH abgelehnt. In der Folge wurde dann aber Ersatz für die Aufwendungen über eine Leistungskondiktion gem. § 812 I 1 Alt. 1 zugesprochen.

Fazit

Wir sehen: Der Handelnde kann also sogar unter Umständen auch eigene Interessen wahrnehmen. Und das ist auch sehr sinnvoll. Ansonsten würden wir uns jedes Mal in philosophische Grundsatzfragen stürzen müssen, ob der Mensch bei einer Rettungsaktion wirklich nur altruistisch gehandelt hat oder ob das bloße Eigeninteresse, am nächsten Tag wegen der Rettungsaktion in der Zeitung zu stehen, etwas an der Fremdheit des Geschäfts ändert. Aber Achtung, Geschäfte, die nur in den eigenen Rechts- oder Interessenkreis fallen, wie dem BGH zu folge etwa die Vornahme von Schönheitsreparaturen, sind nicht fremd auch wenn sie aus einem Reflex auch einem Dritten zugute kommen. Wenn ihr mehr hilfreiche Erläuterungen zur GoA lesen möchtet, abonniert gerne unseren Newsletter. Neben hilfreichen Basics werdet ihr hier auch immer mit neuester Rechtsprechung versorgt. Oder vereinbart gerne einen kostenlosen Probetermin mit einem unserer erfahrenen Dozenten um euch optimal auf das Examen vorzubereiten. Die Kraatz Group, Akademie Kraatz und der Assessor Akademie stehen Euch vom Grundstudium bis zum 2. Staatsexamen mit Rat und Tat zur Seite.

Sophie Goldenbogen
 

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