Klausurtaktik bei der zivilrechtlichen Urteilsklausur (2. Staatsexamen)
31.01.2024 | von Hendrik Heinze

Klausurenschreiben ist eine wahre Kunst. Das gilt sowohl für das 1. Staatsexamen als auch für das 2. Staatsexamen!

Probleme beim Klausurenschreiben im 2. Staatsexamen

Der ungemein umfangreiche prozessuale und materiell-rechtliche Prüfungsstoff führt regelmäßig dazu, dass im Assessorexamen die Klausuren nicht vollständig gelöst werden können. Dies hat nicht nur mit dem hohen Schwierigkeitsgrad der juristischen Anforderungen zu tun, sondern auch mit mangelnder Klausurerfahrung und damit verbundenen Mängeln hinsichtlich wichtiger Bearbeitungsgrundsätze. Gerade letzteres ist ohne Weiteres vermeidbar, wie Ihr in diesem Beitrag sehen werdet, der sich der Urteilsklausur im Zivilrecht widmet.

Die richtigen 4 Schritte der Klausurbearbeitung

Allgemein empfiehlt es sich, bei der Erstellung einer zivilrechtlichen Urteilsklausur, die folgenden 4 Bearbeitungsschritte einzuhalten.

Schritt 1

Bereits vor der Inaugenscheinnahme des Akteninhalts sollte auf den Bearbeitervermerk eingegangen werden.
So werden an dieser Stelle häufig die an den Klausurbearbeiter gestellten Anforderungen begrenzt. Relevant ist in diesem Zusammenhang v.a. der Erlass bestimmter Teile des letztendlich anzufertigenden Entscheidungsentwurfs. Gegen diese Begrenzungen zu verstoßen, wäre ein fataler Fehler, der bis hin zum Nichtbestehen der Klausur führen kann. Dies gilt selbst dann, wenn die vorgenommene, aber ausdrücklich vom Prüfungsamt nicht geforderte, Erörterung rechtlich zutreffend sein sollte.
Einzig das richtige Lesen des Bearbeitervermerks kann es ermöglichen, dass frühzeitig eine richtige Schwerpunktsetzung bzgl. der noch vorzunehmenden Sachverhaltserfassung vorgenommen wird.

Schritt 2

Nach dem Studium des Bearbeitervermerks ist der Akteninhalt inhaltlich zu erfassen. Anders als im Ersten Examen ist der Sachverhalt nicht vorgegeben. Daher ist es ein wesentlicher Teil der Klausurleistung, sich diesen selbstständig zu erschließen. Während der Lektüre der Akte sollte der Klausurbearbeiter die wesentlichen Aspekte des Sachverhalts stichpunktartig niederschreiben. 
Hierbei kann es sich der Übersicht halber anbieten, dass der Klausurbearbeiter neben einem Stichpunktzettel, der relativ ausführlich auf die rechtlich zu bewertenden Ereignisse eingeht, zur besseren Übersicht auch einen Stichpunktzettel anfertigt, der lediglich einen Zeitstrahl mit den wesentlichen Daten des Sachverhalts enthält.
Im Hinblick auf den umfangreicheren Stichpunktzettel ist es hierbei vorteilhaft, diesen hälftig vertikal zu falten und sich einander widersprechende Vorträge der Prozessparteien zu einzelnen Tatumständen oder Rechtsansichten direkt gegenüberzustellen (Anfertigung eines „T-Blatts“).

Das „T-Blatt“ kann beispielsweise wie folgt ausgestaltet sein[RK1] .
 


Letzten Endes sollte der Klausurbearbeiter nach der inhaltlichen Erfassung des Akteninhalts eine möglichst lückenlose Vorstellung von den entscheidungserheblichen Tatsachen haben, bevor er sich an die Anfertigung der Lösungsskizze macht.

Schritt 3

Im Rahmen der nun folgenden komprimierten Lösungsskizze sind die in Betracht kommenden Rechts- und Anspruchsgrundlagen schemenhaft durchzuprüfen.

Schritt 4

Abschließend ist die Reinschrift der Klausur, d.h. der vom Klausurbearbeiter abzugebende Schriftsatz in der Gestalt eines Urteils und ggf. eines separaten Beschlusses, anzufertigen.
In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob zuerst der Tatbestand oder die Entscheidungsgründe verfasst werden. Dies obliegt der persönlichen Präferenz des Klausurbearbeiters, der bereits zu Beginn des Referendariats in Übungsklausuren ausprobieren sollte, welcher Beginn für ihn am vorteilhaftesten ist.

Zeitmanagement & richtige Schwerpunktsetzung

Bei der Anfertigung zivilrechtlicher Urteilsklausuren hat sich grds. das folgende Zeitmanagement bewährt, wobei einzelfallbedingt Abweichungen ratsam sein können. So divergieren die prozessualen und materiell-rechtlichen Schwerpunkte der einzelnen Urteilsklausuren so stark, dass einzig das intensive und quantitativ ausgeprägte Schreiben von Probeklausuren eine sichere Schwerpunktsetzung ermöglichen kann:
  • Studium des Bearbeitervermerks, inhaltliche Erfassung des Akteninhalts und stichpunktartiges Niederschreiben der wesentlichen Aspekte des Sachverhalts (1 Stunde)
  • Anfertigung der Lösungsskizze (1 Stunde)
  • Anfertigung des als Klausurleistung abzugebenden Schriftsatzes (3 Stunden)

Sprachliche Ausgestaltung der Klausur

Im Hinblick auf die sprachliche Ausgestaltung der zivilrechtlichen Urteilsklausur sind idealerweise mehrere Aspekte zu beachten.
Einleitend sei das konsequente Einhalten des Urteilsstils genannt. Der Urteilsstil ist eine Aufbauweise juristischen Arbeitens, bei der das Ergebnis der Begründung vorausgeht.

Bsp.: „Der Kläger hat ggü. dem Beklagten einen Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 10.000,00 EUR gem. § 433 II BGB. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht ein wirksamer Kaufvertrag. Es liegen zwei inhaltlich überstimmende Willenserklärungen in der Gestalt von Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB vor. Der Kläger machte dem Beklagten ein Angebot, indem er ihm am 30.10.2024 einen Brief in den Briefkasten warf, mit dem er dem Beklagten einen Vertragsschluss bzgl. des Autos des Klägers zu einem Kaufpreis i.H.v. 10.000,00 EUR antrug …“).
Der in einer Urteilsklausur zu vermeidende Gutachtenstil ist hingegen eine Aufbauweise juristischen Arbeitens, die über das folgende viergliedrige System verfügt: Obersatz, Definition, Subsumtion, Ergebnis.

Bsp.: „Der Kläger könnte ggü. dem Beklagten einen Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 10.000,00 EUR gem. § 433 II BGB haben. Es müsste ein wirksamer Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestehen. Ein Kaufvertrag kommt durch zwei inhaltlich überstimmende Willenserklärungen in der Gestalt von Angebot und Annahme gem. §§ 145 ff. BGB zustande. Ein Angebot ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die alle wesentlichen Vertragsbestandteile enthält und durch welche der Vertragsschluss einem anderen dergestalt angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dem Einverständnis des Empfängers abhängt. Indem der Kläger dem Beklagten am 30.10.2024 einen Brief in den Briefkasten warf, in dem er ihm sein Auto zu einem Preis i.H.v. 10.000,00 EUR offerierte, trug er dem Beklagten einen Vertragsschluss in vorgenannter Weise an. Damit liegt ein Angebot vor … Der Kläger hat ggü. dem Beklagten einen Anspruch auf die Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 10.000,00 EUR gem. § 433 II BGB“).
Auch sind in einer Urteilsklausur möglichst kurze und prägnante Sätze zu verwenden.
Hierbei sollte stets im Aktiv formuliert werden (Umkehrschluss: Vermeidet das Passiv!). Schreibt also lieber „“ als „Es wurde ein Kaufvertrag geschlossen“.
Auch gilt es, Verben anstatt von Substantiven zu nutzen. Schreibt also z.B. lieber „beeinflussen“ als „Einfluss ausüben“.

Fazit zur Klausurtaktik für das zweite Staatsexamen

Bei Jura beruhen Misserfolge häufig nicht nur auf rechtlichen Wissensmängeln, sondern auch der falschen klausurtaktischen Herangehensweise. Gerade letzteres ist ohne Weiteres vermeidbar.
In diesem Sinne stehen Dir unsere erfahrenen und hoch motivierten Dozenten zur Seite. Vom ersten Semester (Akademie Kraatz) bis zum zweiten Examen (Assessor Akademie) hilft Dir die Kraatz Group, Deine juristischen Ziele zu erreichen. Melde Dich gern bei uns für ein kostenloses Beratungsgespräch oder eine kostenlose Probestunde.
 
Hendrik Heinze
Geschäftsführer der Assessor Akademie Kraatz und Heinze GbR
 


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