In diesem Beitrag wird es um einzelne und (aus unserer Sicht) examensrelevante Änderungen im Kaufrecht gehen, die voraussichtlich ab Januar 2022 in Kraft treten werden. Bitte beachten Sie, dass wir keine Gewähr für die Vollständigkeit dieser Neuerungen übernehmen. Wir wollen Sie lediglich überblicksartig und mit genauerem Blick auf einige Hauptmerkmale des Gesetzesentwurfs in das neue Kaufrecht einführen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Die Änderungen des aktuellen Gesetzesentwurfes zum Kaufrecht werden in den kommenden Examenskampagnen sehr relevant werden, denn das Kaufrecht ist schon jetzt ein Klausurklassiker. Auch die anstehenden Reformen bieten genügend Vorlagen für mögliche Klausurkonstellationen und -probleme. Daher ist es wichtig, dass Sie sich schon jetzt einen Überblick verschaffen.

 

Die Warenkaufrichtlinie 

Unser bisheriges Kaufrecht in der Form, wie wir es kennen und anwenden, beruht auf der sogenannten Verbrauchsgüterkaufrichtlinie der Europäischen Union. Wir schauen uns heute den Gesetzesentwurf der Bundesregierung an, der nunmehr im Rahmen der Umsetzung der sogenannten Warenkaufrichtlinie ergangen ist. Sobald das neue Gesetz in Kraft ist, wird es mit Wirkung zum 1. Januar das bisherige vollkommen ersetzen. Es handelt sich bei der genannten Warenkaufrichtlinie um eine vollharmonisierende Richtlinie, die also vollständig ins nationale Recht übernommen wird.

 

Vollharmonisierung/Mindestharmonisierung

Der Mitgliedstaat darf bei Vollharmonisierung keine von der Richtlinie abweichenden Gesetze im nationalen Recht beibehalten und muss es in der Folge auch unterlassen, abweichende Regelungen zukünftig zu erlassen. Das innerstaatliche Recht wird dadurch vollständig an die Warenkaufrichtlinie angepasst.
Bei einer Mindestharmonisierung hingegeben regelt die Richtlinie bestimmte Mindeststandards, die nationalen Rechtsordnungen dürfen dann aber weitergehende Regelungen oder höhere Standards festlegen. Sie müssen aber mindestens das Regelungsniveau erreichen, welches die Richtlinie als Mindestharmonisierung vorgibt.

Es folgt eine Übersicht mit einzelnen Punkten aus dem Gesetzesentwurf zur Neuerung des Kaufrechts:



1. Sachmangelbegriff, § 434 BGB-E

Nach dem Gesetzesentwurf ist die Sache frei von Mängeln, wenn sie den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen des § 434 BGB-E entspricht. Der subjektive Mangelbegriff, der auf die Vereinbarung der Parteien abstellt, bleibt erhalten. Es gibt jetzt aber eine Gleichrangigkeit zwischen subjektivem und objektivem Mangelbegriff und Montageanforderungen, was eine grobe Änderung der bisherigen Rechtslage darstellt, bei der der subjektive Mangelbegriff vorrangig geprüft wird.

 

2. Anwendbare Vorschriften im Verbrauchsgüterkauf, § 475 BGB-E

Der § 475 BGB-E regelt in seinem Grundgedanken, welche Vorschriften aus dem allgemeinen Kaufrecht auch beim Verbrauchsgüterkauf Anwendung finden sollen. Ein großes Klausurproblem hierbei wird sein: Die bisherigen Absätze 4 und 5 der Norm wurden gestrichen, bisher war dort geregelt, dass der Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf Nachbesserung und Nachlieferung wegen unverhältnismäßigen Kosten nicht verweigern kann. Es wurde ihm also die Verweigerung untersagt, sodass die Folge die Nacherfüllungspflicht war, selbst wenn die Kosten unverhältnismäßig waren. Der Gesetzgeber ist nun der Meinung, dass dies dem Verkäufer beim Verbrauchsgüterkauf nicht zuzumuten sei. Dem Käufer sei vielmehr zuzumuten, dass er vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern kann. Dies stellt eine enorme Änderung zur aktuellen Rechtslage dar. Sie führt zu einer Einschneidung der Rechte des Verbrauchers, aber wird damit gerechtfertigt, dass dieser andere Schutzmöglichkeiten hat, s.o.

 

3. Sachmangel einer Sache mit digitalen Elementen, § 475b BGB-E

Außerdem wird es den neuen § 475b BGB-E geben. In Absatz 1 Satz 2 der Norm findet sich eine Definition für Sachen mit digitalen Elementen. Damit sind beispielsweise Smart Watches oder Smart TVs gemeint. Wenn man einen Sachverhalt mit einer Sache mit digitalen Elementen hat, muss man sowohl § 434 BGB-E als auch ergänzend § 475b BGB-E zur Lösung heranziehen. Systemarisch ist der § 475b BGB-E an den § 434 BGB-E angelehnt. In Absatz 2 ist geregelt, wann eine Sache mit digitalen Elementen frei von Sachmängeln ist. Absatz 3 konkretisiert sodann die subjektiven Anforderungen, Absatz 4 die objektiven. Von diesen Vorschriften kann zwar abgewichen werden, es braucht dann aber eine ausdrückliche Vereinbarung.

In Absatz 3 Nr. 2  ist außerdem die Rede von vereinbarten Aktualisierungen. In Absatz 4 spricht man von Aktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit erforderlich sind, also z.B. Sicherheitsupdates. Dadurch wird klausurtaktisch wohl eher Absatz 4 relevant werden, denn es stellt dich unter anderem die Frage, wie lange diese Sicherheitsupdates vorgenommen werden müssen. Dies richtet sich nach dem Erwartungshorizont eines Durchschnittskäufers. Welchen Erwartungshorizont ein Durchschnittskäufer hat und haben darf, müssen Gerichte im Einzelfall konkretisieren. Derartige weit gefasste Begrifflichkeiten werden reichlich Anlass geben für zukünftige Streitigkeiten zwischen den Parteien und richterliche Einzelfallauslegung.

In Absatz 5 ist geregelt, dass der Unternehmer nicht für Mängel haftet, die darauf beruhen, dass der Käufer das bereitgestellte Sicherheitsupdate o.ä. nicht installiert hat. Dies ist also eine Ausnahme vom Grundsatz der Unternehmerhaftung, nämlich eine Haftungsfreistellung. Insofern eignet sich auch diese Norm mit ihrer Regel-Ausnahme-Systematik hervorragend für Klausurkonstellationen.

 

4. Sachmangel einer Sache mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente, § 475c BGB-E

In § 475c BGB-E sind Sachen mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente geregelt. Damit sind beispielsweise Verkehrsdaten in einem Navigationssystem gemeint. Bemerkenswert ist hierbei vor allem der maßgebliche Zeitpunkt für die Mängelgewährleistung. Dieser ist der Bereitstellungszeitraum, der Mindestzeitraum beträgt dabei zwei Jahre. Dies ist eine drastische Veränderung zur aktuellen Rechtslage mit weitreichenden Auswirkungen für Unternehmer.

 

5. Abweichende Vereinbarungen, § 476 BGB-E

In § 476 BGB-E sind abweichende Vereinbarungen zwischen Unternehmer und Verbraucher geregelt. Nach Absatz 1 Satz 2 kann unter geregelten Voraussetzungen von bestimmten Anforderungen vor Mängelanzeige beim Unternehmer vertraglich abgewichen werden, aber das allgemeine Umgehungsverbot des Absatz 1 Satz 1 bleibt bestehen.

 

6. Beweislastumkehr, § 477 BGB-E

Die Beweislastumkehr ist in § 477 BGB-E geregelt. Dort ist die Verlängerung des Zeitraums, für den die Beweislastumkehr gilt, auffällig. Sie wurde von sechs Monaten auf ein Jahr verlängert, was sich positiv auf den Verbraucher auswirkt. Die Beweislastregel gilt sowohl für Sachen mit einer Mangelhaftigkeit nach § 434 BGB-E als auch nach 475b BGB-E.

 

Wann bzw. für wen wird das neue Kaufrecht relevant werden?

Das hier Dargestellte wird voraussichtlich für die Examenskandidatinnen und -kandidaten ab der Frühjahrskampagne in 2022 relevant werden. Die Studentinnen und Studenten, die noch im Oktober 2021 ihr Examen schreiben, werden noch das alte Kaufrecht anwenden. Dennoch werden die darauf folgenden mündlichen Prüfungen im Januar des Folgejahres sich dann vermutlich schon auf die neuen Regelungen des Kaufrechts beziehen, sodass Sie hier beide Rechtslagen im Blick behalten sollten.

Sehen Sie sich hierzu gerne auch unser entsprechendes Youtube-Video an:


Ihr Team der Akademie Kraatz

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