Um das neue Verbrauchsgüterkaufrecht zu verstehen, ist es entscheidend, Kaufverträge, die nach dem allgemeinen Kaufrecht gem. §§ 433 ff. BGB und dem Verbrauchsgüterkaufrecht gem. §§ 474 ff. BGB behandelt werden, von Verbrauchsgüterkaufverträgen über digitale Produkte gem. dem neugeschaffenen § 475 a BGB abgrenzen zu können. Die rechtliche Behandlung letzterer Verträge bestimmt sich schließlich im Wesentlichen nach den neugeschaffenen §§ 327 ff. BGB, also den Verbraucherverträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte in der Gestalt von digitalen Inhalten und digitalen Dienstleistungen.
Digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen (§ 327 II BGB)
Digitale Inhalte sind gem. Paragraph 327 II 1 BGB in digitaler Form erstellte und bereitgestellte Daten. Dies umfasst z.B. digitale Computerspiele und Computerprogramme einschließlich Apps.Digitale Dienstleistungen sind gem. § 327 II 2 Nr. 1 BGB zum einen solche Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, die Verarbeitung oder die Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen. Hierunter fällt insbesondere das Datei-Hosting. Zum anderen sind digitale Dienstleistungen gem. § 327 II 2 Nr. 2 BGB solche Dienstleistungen, die dem Verbraucher die gemeinsame Nutzung der von dem Verbraucher oder von anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktionen mit diesen Daten ermöglichen. Dies umfasst im Wesentlichen Social-Media-Dienste wie Facebook und Instagram, Messenger-Dienste wie WhatsApp, aber auch online-Verkaufs- und Buchungsplattformen wie „eBay“ oder „Airbnb“. Letztes Endes zielt § 327 II 2 Nr. 1 BGB also auf die individuelle Nutzung von digitalen Dienstleistungen durch den Verbraucher ab, wohingegen § 327 II 2 Nr. 2 BGB die gemeinsame Nutzung digitaler Dienstleistungen durch mehrere Personen umfasst.
Anwendbares Recht bei Verbrauchsgüterkaufverträgen über digitale Produkte nach § 475 a BGB
Wenn der Gegenstand eines Verbrauchsgüterkaufvertrags ein digitaler Inhalt i.S.d. § 327 II 1 BGB ist, der auf einem körperlichen Datenträger zur Verfügung gestellt wird (das ist z.B. bei auf CD´s gespeicherten Filmen, Spielen und Musik der Fall), schließt § 475 a I BGB entscheidende Regelungen des Kaufrechts und des Verbrauchsgüterkaufrechts aus. Stattdessen finden die Regelungen der §§ 327 ff. BGB Anwendung.§ 475 a II BGB nennt wiederum die anwendbaren Regelungen des allgemeinen Kaufrechts und des Verbrauchsgüterkaufrechts im Hinblick auf Verbrauchsgüterkaufverträge über eine Ware, „die in einer Weise digitale Produkte enthält oder mit digitalen Produkten verbunden ist, dass die Ware ihre Funktionen auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen kann“.
Eine solche Ware ist z.B. eine Glühbirne mit einer Steuerungsmöglichkeit per App. So kann die Glühbirne ihre Primärfunktion in der Gestalt des Lichterzeugens auch ohne die betreffende Steuerungssoftware hinsichtlich der App erfüllen.
Je nachdem welcher Bestandteil des Vertrags über Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit digitalen Produkten dergestalt verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen können, betroffen ist, kommt ein unterschiedliches Gewährleistungsrecht zur Anwendung. Wenn der Mangel die Ware selbst betrifft, sind entsprechend dem Umkehrschluss aus § 475 a II BGB die Regelungen des allgemeinen Kaufrechts und des Verbrauchsgüterkaufrechts anwendbar. Wenn hingegen ein Mangel der vorgenannten digitalen Produkte vorliegt, schließt § 475 a II 1 BGB entscheidende Regelungen des Kaufrechts und des Verbrauchsgüterkaufrechts aus. Stattdessen kommen gem. § 475 a II 2 BGB die Regelungen der §§ 327 ff. BGB zur Anwendung.
Für mehr Informationen hinsichtlich des Verbrauchsgüterkaufrechts (insbesondere im Hinblick auf den Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen gem. § 475 b BGB, den Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente gem. § 475 c BGB und allgemein für das Verbrauchsgüterkaufrecht geltende Sonderbestimmungen bezüglich der Sekundärechte gem. § 475 d I Nr. 1, 2 BGB) sehen Sie sich auch unser entsprechendes YouTube-Video an:
Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie
Wichtige Quellen:
HK-BGB, 11. Auflage 2021, §§ 433 ff. BGB
Lorenz, NJW 2021, 2065 ff.
RSS Feed abonnieren