Prädikatsexamen Jura: Ist ein Vollbefriedigend im Examen 2025 noch notwendig?
16.12.2024 | von Dr. Robert König

Was ist ein Prädikatsexamen Jura?

Wir wollen zunächst kurz erörtern, was man unter einem Prädikat im Staatsexamen versteht. Im Anschluss gehe ich dann ausführlich auf die Fragen ein, ob man 2025 noch ein VB für den Berufseinstieg, den LL.M. oder die Promotion benötigt.

Ab vollbefriedigend (9 Punkte) in den Durchschnittsnoten

Unter einem Prädikatsexamen versteht man ein erstes oder zweites juristisches Staatsexamen, das mit einer durchschnittlichen Punktzahl ab 9 Punkten in der Abschlussnote bestanden wurde.
Hinweis: In einer Klausur spricht man erst ab 10 Punkten von einem VB. Bei der Gesamtnote, die auf zwei Nachkommastellen gerundet wird, ist dies ab den besagten 9,00 Punkten der Fall. Wenn Du mehr zur juristischen Notenskala erfahren willst, lies Dir gerne folgenden Artikel durch: Die Notenskala im Jura-Studium entschlüsselt: zwischen 0 Punkten und Prädikatsexamen.

Jurastudium in Bayern: kleines Prädikatsexamen

In Bayern spricht man vom "kleinen Prädikat" ab 6,50 Punkten, d.h. ab einer Bewertung mit befriedigend oder besser in der Gesamtnote des Examens. Diese Bezeichnung ist jedoch bundesweit unüblich.

Wie viele Studenten erreichen ein Prädikatsexamen im Jurastudium?

Das Studium der Rechtswissenschaften schließt mit der Ersten juristischen Prüfung ab. Diese besteht aus einem universitären (dem Schwerpunkt) und einem landeseinheitlichen staatlichen Teil (der staatlichen Pflichtfachprüfung).
Laut den neuesten Zahlen des Bundesamts für Justiz vom März 2024 haben 2022 bundesweit ca. 20 % der Absolventen ein Prädikatsexamen in der ersten juristischen Prüfung erreicht.
Hinweis: Seit Einführung der Schwerpunktbereichsprüfung ist der Begriff Erstes Staatsexamen im Grunde nicht richtig, da die Examensprüfung nicht mehr ausschließlich durch den Staat, d.h. das Justizprüfungsamt (JPA), erfolgt. Daher heißt das 1. Staatsexamen offiziell „Erste Juristische Prüfung“. Gleichwohl ist die Bezeichnung Erstes Staatsexamen oder Erstes Examen weiterhin - auch unter Juristen - gebräuchlich.
Ebenfalls üblich ist auch der Begriff Referendarexamen, da man mit erfolgreichem Abschluss der Ersten juristischen Prüfung das Referendariat beginnen kann.

Und die Referendare im zweiten Staatsexamen?

In der zweiten juristischen Prüfung erreichten laut den Zahlen aus dem Jahr 2022 ca. 21 % der Juristinnen und Juristen ein Prädikatsexamen. Mithin liegt der Anteil des Prädikatsexamens laut dem Bundesamt für Justiz in beiden Examina in etwa gleich hoch.
Hinweis: Offiziell heißt das 2. Staatsexamen „Zweite Juristische Prüfung“. Gebräuchlich ist außerdem die Bezeichnung Assessorexamen, da man mit dessen erfolgreichem Abschluss den Titel „Ass. iur.“ führen darf.

Braucht man heutzutage noch ein Vollbefriedigend im Jura-Examen?

Vor einigen Jahren führte - jedenfalls in begehrten Städten wie Berlin, Hamburg oder München - kein Weg am juristischen Prädikatsexamen vorbei.
Egal, ob Richter, Staatsanwalt oder Anwalt in der Großkanzlei; ohne mindestens ein Prädikatsexamen konnte man eine Bewerbung vergessen. Häufig wurden sogar zwei Prädikatexamina gefordert. Selbst in der Verwaltung hatte man es ohne ein VB schwer.
Diese Zeiten sind (zum Glück) längst vorbei. Angesichts des demografischen Wandels (immer mehr Babyboomer gehen in Rente) und den veränderten gesellschaftlichen Erwartungen hin zu mehr Work-Life-Balance sind die Anforderungen in den juristischen Berufen gefallen.
Hinweis für alle im Verbesserungsversuch: Die fallenden Notenanforderungen sollten Dich dennoch nicht davon abhalten, in den Verbesserungsversuch zu gehen! Lies Dir hierzu gerne unseren ausführlichen Artikel Pro und contra: Der Verbesserungsversuch im 1. Jura Examen durch.

Staatsdienst: Richter, Staatsanwalt & Verwaltung

Im Staatsdienst sind die Anforderungen in den letzten Jahren stark gesunken. In Berlin z.B. sind nur noch „mindestens 7,0 Punkte im ersten Staatsexamen, mindestens 7,5 Punkte im zweiten Staatsexamen und in beiden Staatsexamina zusammen mindestens 15 Punkte“ notwendig. In den übrigen Bundesländern ist es mittlerweile ähnlich.
Man kann also sagen, dass man ab ca. 7,5 Punkten auf eine Anstellung als Richter oder Staatsanwalt hoffen kann. Generell sollte man beachten, dass die Noten in der zweiten juristischen Staatsprüfung im Zweifel wichtiger sind, als diejenigen des ersten Examens.
Wenn man in der Landesverwaltung als Verwaltungsjurist arbeiten möchte, ist dies sogar noch leichter. In Berlin werden mitunter sogar Juristen mit ausreichend im 2. Examen verbeamtet.
Beim Bund liegen die Anforderungen - insbesondere in den Bundesministerien - höher. Um eine dieser sehr beehrten Stellen zu bekommen, ist ein VB nach wie vor von Vorteil; jedoch auch hier keine zwingende Voraussetzung. Auch mit zwei ordentlichen befriedigenden Examina kann man heutzutage auf eine Stelle beim Bund hoffen.

Großkanzlei: ein VB reicht häufig

Mittlerweile reicht vielen Großkanzleien ein Vollbefriedigend aus; mitunter sogar schon 8 Punkte. Auch ist es häufig möglich, ein fehlendes Prädikatsexamen mit einem LL.M. oder Doktortitel auszugleichen.
Achtung: Während der Staat naturgemäß die offizielle Endnote (staatliche Pflichtfachprüfung plus Schwerpunkt) berücksichtigen muss, lassen viele Kanzleien den Schwerpunkt außen vor.

Rechtswissenschaft (Professor)

Die formalen Voraussetzungen für eine Karriere in der Rechtswissenschaft mit dem Ziel Professorin oder Professor an einer rechtswissenschaftlichen Fakultät (Universität, nicht Fachhochschule) sind eine Doktorarbeit, Habilitation und einschlägige Lehrerfahrung.
Daneben muss man stetig und in möglichst renommierten Fachzeitschriften publizieren, um überhaupt in die engere Auswahl für eine Berufung auf eine Professorenstelle zu kommen. Im Hinblick auf die Examensnoten ist das VB die absolute Mindestvoraussetzung. Die Chancen steigen, wenn man sogar ein gut im Examen aufweisen kann.
Wenn Dich eine Karriere an der Universität interessiert, kann ich Dir folgenden Artikel der LTO empfehlen: Wie wird man eigentlich Professor, Herr Professor?

Übrige juristische Berufe: Unternehmensjurist, Verbandsjurist & Notar

In den meisten übrigen juristischen Berufen; sei es der Unternehmensjurist (Syndikus) oder als Jurist bei Verbänden, ist ein VB gleichfalls nicht zwingend erforderlich.
Als Ausnahme ist hier das Notariat zu nennen. Hierbei muss man zwischen den Anwaltsnotaren und den hauptberuflichen Notaren unterscheiden. Die Anwaltsnotare, welche gleichzeitig Anwalt und Notar sind, müssen noch ein „3. Staatsexamen“ absolvieren. In manchen Bundesländern ist es derzeit auch möglich - sofern man dieses dritte Examen mit einer guten Punktzahl absolviert hat - ohne ein VB zum Notar bestellt zu werden. Bei den reinen Notaren liegt die Sache anders. Hier reicht im Normalfall ein normales Doppel VB nicht aus. Je nach Bundesland sollte man hier in beiden Staatsexamina insgesamt mindestens 20 Punkte vorweisen können.

Promotion & LL. M., aber kein Jura Prädikatsexamen erreicht?

Für einen LL.M. (Master of Laws) ist kein vollbefriedigend im Staatsexamen notwendig.
Im Hinblick auf die Promotion kommt es auf die jeweilige Prüfungsordnung der betreffenden Fakultät an. In der Regel sind die Promotionsordnungen so aufgebaut, dass man ohne weitere Voraussetzungen nur mit mindestens 9 Punkten in der ersten oder zweiten juristischen Prüfung zur Promotion zugelassen wird. Allerdings enthalten die meisten Promotionsordnungen Ausnahmeregelungen zugunsten von Juristen mit weniger Punkten.
Beispielhaft sei an dieser Stelle die Promotionsordnung der FU Berlin genannt. In § 4 Abs. 2 steht, dass man entweder im ersten oder zweiten Staatsexamen mindestens die Note „vollbefriedigend“ haben oder aber im Fall der Note „befriedigend“ besondere zusätzliche Voraussetzungen erfüllen muss:
In diesem Falle setzt die Zulassung außerdem
a) die Vorlage eines Nachweises über ein mit „gut“ oder besser bewertetes Seminar oder eine vergleichbare Lehrveranstaltung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin oder eines rechtswissenschaftlichen Fachbereichs oder einer Juristischen Fakultät einer anderen Hochschule im Land Berlin oder im Land Brandenburg oder
b) den Grad einer Magistra oder eines Magister legum (LL.M.) oder einen verwandten Grad aufgrund eines gleichwertigen Studiengangs mindestens mit der Gesamtnote „magna cum laude (1,51 bis 2,50)“ oder „gut (1,6 bis 2,5)“ voraus.

Diese Voraussetzungen, also in der Regel eine Seminararbeit mit mehr als 13 Punkten, sind machbar. Das eigentliche Problem besteht vielmehr darin, einen Betreuer zu finden, d.h. einen Doktorvater oder eine Doktormutter. Wenn man z.B. während der Studienzeit schon am Lehrstuhl gearbeitet hat, stehen die Chancen nicht schlecht. Andernfalls kann sich die Suche etwas schwieriger gestalten. Dabei macht es natürlich auch einen großen Unterschied, ob man nur 7 Punkte oder aber 8,9 Punkte erreicht hat.

Das Prädikat im Examen ist nach wie vor ein Karriere-Booster

Bisher haben wir nur über den Berufseinstieg, d.h. die erste juristische Arbeitsstelle nach dem Referendariat, gesprochen.
Man darf jedoch nicht außer Acht lassen, dass das Prädikat langfristig förderlich für Deine Karriere ist. Wenn es nach einigen Jahren Berufspraxis um Beförderungen geht - das zeigt die Erfahrung - haben es Juristen mit einem Prädikatsexamen leichter und setzen sich meistens gegenüber einem anderen Bewerber oder einer anderen Bewerberin ohne Prädikat durch.
Das liegt auch daran, dass Juristen leider nach wie vor sehr auf die Abschlussnoten fixiert sind. Anders als in vielen anderen Berufen, wo ab dem Berufseinstieg nur noch die praktische Leistung zählt, brüsten sich gerade die älteren Juristen gerne mit ihren Examensnoten. Und es sind gerade diese älteren Juristen, die über Deine Beförderung entscheiden.
Auch wenn man sich in einem weniger „verstaubten“ beruflichen Umfeld (z.B. einem Verband) bewegt, ist ein guter Abschluss des Jura-Studiums (bzw. Referendariats) dennoch von Vorteil. Wenn sich z.B. zwei gleich geeignete Bewerber auf eine Stelle bewerben, wird bei einem Patt meistens derjenige bevorzugt, dessen Examensnote besser ist.

Zusammenfassende Übersicht zum juristischen Prädikatsexamen

BerufsgruppeNotwendigkeit des Prädikatsexamens 2025
Richter und Staatsanwältenein (ab 7,5 Punkten)
Großkanzleinur noch bei Top-Kanzleien (ansonsten ab 8,0 Punkten)
Öffentliche Verwaltung in den Ländern und Kommunennein
Bundesbeamternein (ab 7,5-8,0 Punkten i.d.R. möglich)
Rechtswissenschaft (Berufsziel Professor)ja
Unternehmensjurist, Verbandsjurist & Anwaltsnotarnein
Hauptberuflicher Notarja
Promotionja (mit Ausnahmeregelung auch mit befriedigend)
LL.M.nein
Karriereein Prädikat bringt Vorteile

Auch Du kannst im Staatsexamen mindestens 9 von 18 Punkten erreichen

Wenn man nicht das begehrte Prädikatsexamen erreicht, ist das heutzutage für die Examenskandidaten kein Beinbruch mehr. Man kann auch mit einem soliden „befriedigend“ eine vielversprechende juristische Karriere einschlagen. Mithin benötigen Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger nicht mehr zwangsläufig ein Prädikatsexamen, um einen guten Job zu bekommen.
Dennoch sollte man sich als ambitionierter Jurastudent oder Referendar immer das VB als Ziel setzen. Wer von vornherein die Examensvorbereitung nur „halbherzig“ angeht und auf 7-8 Punkte lernt (was für einen Job im Staatsdienst derzeit ausreicht), landet schnell bei der Notenstufe ausreichend im Jura-Examen. Daher sollte man weiterhin auf ein Prädikat lernen. 
Mit der richtigen Examensvorbereitung kannst auch Du das Prädikat schaffen. Die beste Vorbereitung auf das juristische Examen bietet Dir die Kraatz Group mit der Akademie Kraatz für das 1. und der Assessor Akademie für das 2. Examen. Durch unseren maßgeschneiderten individuellen Jura Unterricht bereiten wir Dich optimal auf Deine Examina vor.
Melde Dich gerne bei uns für Deinen kostenlosen Beratungstermin oder eine Probestunde. Wir freuen uns auf Dich.

Dr. Robert König
 


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