In diesem Beitrag möchten wir Ihnen als Inspiration und Orientierungshilfe für Ihre eigene Examensvorbereitung ein weiteres Positivbeispiel für eine gelungene und letztlich erfolgreiche Examensvorbereitung vorstellen. Dafür haben wir ausführlich mit unserem sehr geschätzten Zivilrechtsdozenten Herrn Thomas Jäger, der gleichzeitig als Syndikusanwalt in einem internationalen Unternehmen tätig ist, gesprochen. Er hat an der Universität Köln in 2012 sein Examen absolviert und berichtet uns , wie er es erfolgreich durch das Repetitorium und das Examen selbst geschafft hat, wie er sich seine Zeit eingeteilt hat und was dabei seine effektivsten Lernstrategien waren, die er auch heute noch in seinen Zivilrechtskursen bei der Akademie Kraatz zur Anwendung bringt.

 

Was hat dich rückblickend auf deine Examensvorbereitung hauptsächlich nach vorne gebracht und was hat es dir ermöglicht, letztlich ein erfolgreiches Examen zu absolvieren?

Die wohl größte Herausforderung in der Vorbereitung auf die Jura Staatsexamina sind wohl die unübersichtlichen und wirklich riesigen Stoffmengen, die man für die Prüfungen beherrschen musst. Die Kunst besteht darin, diese für sich zu strukturieren, um sie irgendwie überblicken zu können und alle Rechtsgebiete und Themen, die die Prüfungsordnung als mögliche Prüfungsinhalte vorsieht, lückenlos abzudecken. Ich bin für mich mit dem Stoffumfang so umgegangen, dass ich mir, beispielsweise im Zivilrecht, ein System von Ansprüchen überlegt habe und wie ich diese eben überschaubar darstellen kann. Dazu habe ich mir eine Art Stammbaum überlegt, mit dem ich strukturiert habe, welche Arten von Ansprüchen es gibt und an welcher Stelle in der Prüfung diese geprüft werden müssen (Prüfungsreihenfolge). So habe ich mir beispielsweise zunächst alle zivilrechtlichen Anspruchsarten einmal angeschaut: vertragliche, vertragsähnliche, dingliche, und so weiter. In einem nächsten Schritt habe ich diese Grobgliederung feiner untergliedert, indem ich mir überlegt habe, welche Anspruchsgrundlagen jeweils unter diesen Überschriften geprüft werden und wie (Prüfungsschemata). Und dann bin ich in der Untergliederung immer detaillierter geworden, habe mir angeschaut, welche Streitstände existieren, was jeweils die Kernargumente sind, nicht unbedingt, von wem einzelne Argumente kommen. Im Staatsexamen gewinnt man nichts damit, zu wissen, was die Auffassung des BGH ist und wer welche Meinungen vertritt, sondern man muss ein eigenes Verständnis darlegen und dieses habe ich dadurch gewonnen, dass ich versucht habe, zu verstehen, warum es bestimmte Streitstände überhaupt gibt. Damit lässt sich in der Klausur an den notwendigen Stellen flexibel eine Lösung herleiten. Einer starren Wiedergabe von Meinungsständen bedarf es nicht, da diese in der Praxis ohnehin häufig verschwimmen und nicht klar voneinander abgrenzbar sind. Wichtig ist es also, vom Großen ins Kleine zu lernen und sich nicht in den Tiefen der Dogmatik zu verlieren, sondern in erster Linie die Basics gut zu beherrschen und ein gutes Systemverständnis zu entwickeln.

 

Was für eine Zeiteinteilung kannst du für einen durchschnitlichen Lerntag in der Examensvorbereitung empfehlen und wie bist du selbst vorgegangen?

Es ist in jedem Fall empfehlenswert, wenn man seine Lerntage einheitlich strukturiert, das heißt, zu den selben Zeiten mit dem Lernen beginnt, zu den selben Zeiten isst und Pausen macht und zur selben Uhrzeit auch wieder aufhört. Das fällt umso leichter, wenn man seine Wochen im Voraus plant und sich kleinere Lernziele setzt, anstatt einfach ohne Struktur drauf los zu lernen. Dabei kann auch ein Repetitorium helfen, bei denen Sie im Voraus einen Lernplan über ein ganzes Jahr erhalten und nach diesem nach und nach alle Rechtsgebiete erarbeiten und durchgehen. Wichtig ist auch, nicht sieben Tage die Woche 24/7 zu lernen. Viele Studentinnen und Studenten denken, das sei so oder sie müssten dies tun. Auch im Repetitorium ist es anzuraten, sich einen Tag in der Woche frei zu nehmen und dies auch konsequent zu tun, da sie sich sonst zu sehr verschleißen und langfristig der Belastung nicht gut standhalten können.

 

Welche Form der Examensvorbereitung/des Repetitoriums hast du damals gewählt?

In meinem Jahrgang waren damals alle Arten der Examensvorbereitung vertreten: Viele sind in ein großes Gruppenrepetitorium gegangen, manche haben sich kleine Lerngruppen mit Kommilitoninnen und Kommilitonen gesucht und für sich gelernt, und wiederum andere haben am universitären Repetitorium teilgenommen. Ich habe mir alle Varianten angesehen und habe für mich auf dieser Grundlage entschieden, das für mich das Lernen in der kleineren Einheit im Rahmen eines Repetitorium am besten funktioniert. In der Kleingruppe lernt man individueller, zielgenauer und man fühlt sich dadurch auch besser vorbereitet. Ein weiterer Vorteil der kleinen Gruppe ist, das Fragen, die sich stellen, besser geklärt werden können bzw. die Voraussetzungen zum Fragen stellen, anders als in der Großgruppe mit teilweise über 50 Teilnehmern, überhaupt geschaffen werden.
 


Welche Lernmaterialien hast du zur Vorbereitung auf deine Jura Staatsexamina verwendet?

Ich habe mir für meine Examensvorbereitung selbst Skripten geschrieben. Diese waren zwar nicht so lang und ausführlich, wie Skripten, die im Handel erhältlich sind, aber sie haben das zusammengefasst, was ich mir aus meinen vorgefertigten Lernmaterialien herausgefiltert habe. Am Ende sah diese Zusammenfassung aus wie eine Sammlung von Übersichten, wie ich sie zu Anfang beschrieben hatte, mit Primäranspruchen, Sekundäransprüchen usw. Dazu hatte ich mir dann entsprechend die Meinunsgsstände zusammengefasst und deren Kernargumente gelernt, eben aus dem Grund, dass es in der Prüfung nicht gern gesehen wird, auswendig gelernte Meinungsstreits aufzuschreiben, sondern eine Lösung zu entwickeln, die zeigt, dass der dahinter stehenden Gedanke verstanden worden oder das Problem vom Bearbeiter bzw. der Bearbeiterin erkannt worden ist.

 

Wie viele Übungsklausuren hast du während deines Repetitoriums geschrieben?

Mir wurde immer empfohlen, vor dem Examen in etwa 200 Übungsklausuren geschrieben zu haben. Diese Zahl habe ich zwar nicht erreicht, aber ich habe in etwa am Ende meiner Examensvorbereitung 40 Klausuren im Zivilrecht geschrieben und dann nochmal jeweils 20 im Strafrecht und 20 im Öffentlichen Recht.

 

Für einige Leserinnen und Leser könnte es vielleicht auch interessant sein, etwas über dein berufliches Umfeld zu erfahren, da du ja nicht in die Richtung der klassischen Jura Berufe gegangen, sondern eben Syndikusanwalt in einem Unternehmen geworden bist. Was hat dich dazu angetrieben, Unternehmensjurist zu werden?

Als Syndikusanwalt ist man rechtsberatend in einem Unternehmen tätig. Für mich war es irgendwie eine Herzensentscheidung, ich habe im Ref die Stationen beim Gericht, bei der Staatsanwaltschaft, in der Verwaltung und als viertes dann im Unternehmen absolviert und hatte dann direkt nach dem Examen die Möglichkeit, im Unternehmen einzusteigen, und habe dies auch bisher nicht bereut. Man hat ein sehr breites Spektrum an Themen: Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht, je nach Unternehmen, in dem man arbeitet und je nach Bereich, in dem man rechtlich tätig ist. Und das macht es unglaublich vielfältig und abwechslungsreich. Man lernt immer wieder etwas Neues dazu und hat die Möglichkeit, international tätig zu sein und mit Auslandskontakten Erfahrungen zu sammeln, was das ganze zusätzlich interessant macht. Einen großen Vorteil sehe ich zudem darin, dass es konstant den einen Mandanten gibt, anders als im Beruf als niedergelassener Anwalt kann man sich also auf das einstellen, was erwartet wird und lernt seinen Mandanten kennen. Als einzelner Anwalt hat man es mit vielen unterschiedlichen Mandanten zu tun, diese wechseln sehr häufig und man muss sich immer wieder an unterschiedliche Umstände anpassen.

Sehen Sie sich hierzu gerne auch unser entsprechendes YouTube-Video an:


Ihr Team der Akademie Kraatz
 

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