Fallkonstellation: Abschleppfälle

Häufig geht es bei verwaltungsrechtlichen Klausuren mit Kostenbescheiden um Abschleppfälle, bei denen bspw. ein falsch geparktes Auto durch ein von der Polizei oder der Stadt beauftragtes Abschleppunternehmen abgeschleppt wird, woraufhin sich der Betroffene gegen die ihm auferlegte Kostenpflicht wehrt.

In solchen Fällen ist dann meist eine Anfechtungsklage gegen den in Rede stehenden Kostenbescheid zu prüfen. Diese ist ganz normal in Zulässigkeit und Begründetheit zu unterteilen, jedoch stellt die Prüfung der Rechtswidrigkeit des Gebührenbescheids im Rahmen der Begründetheit eine gewissen Schwierigkeit dar: Hier muss inzident die Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden Verwaltungsmaßnahme (Primärebene) geprüft werden.

Aufgrund dieser aufbautechnischen Besonderheiten und der dennoch einheitlichen Prüfungsstruktur aller Kostenbescheide, lohnt es sich, dies einmal darzustellen.

 

A. Zulässigkeit der Klage

I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Hier wird wie gewohnt zuerst die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges geprüft. Für die Streitigkeit bezüglich eines Kostenbescheides einer Behörde ist keine aufdrängende Sonderzuweisung gegeben, weswegen sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 I VwGO bestimmt.
Da die streitentscheidenden Normen solche des Kosten- und Vollstreckungsrechts sind, die einen Träger hoheitlicher Gewalt gerade in seiner Funktion als Hoheitsträger einseitig berechtigen, handelt es sich schon nach der modifizierten Subjektstheorie um öffentlich-rechtliche Normen. Da keine Verfassungsorgane beteiligt sind und nicht um Verfassungsrecht gestritten wird, liegt auch keine doppelte Verfassungsunmittelbarkeit vor.
Auch eine abdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich. Damit ist der Rechtsweg gem. § 40 I 1 VwGO in solchen Fällen regelmäßig eröffnet.

 

II. Beteiligten- und Prozessfähigkeit

Anschließend sind die Beteiligten- und Prozessfähigkeit anzusprechen. Dabei ist wie gewohnt unter die §§ 61 ff. VwGO zu subsumieren und kurz unter Zitieren der einschlägigen Normen die beteiligten- und Prozessfähigkeit des Klägers und des Beklagten festzustellen. Hier treten regelmäßig keine Probleme auf.

 

III. Statthafte Klageart

Im Rahmen der statthaften Klageart ist das klägerische Begehren auszulegen, §§ 88, 86 III VwGO. Wenn der Kläger die Aufhebung eines Kostenbescheides begehrt, könnte die Anfechtungsklage nach § 42 I Alt. 1 VwGO einschlägig sein. Dann müsste der Kostenbescheid ein Verwaltungsakt iSv § 35 S. 1 VwVfG sein. Der Kostenbescheid stellt eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts dar. Er entfaltet auch Regelungswirkung nach außen und ist deshalb als Verwaltungsakt zu sehen.

 

IV. Klagebefugnis

Der Kläger müsste auch klagebefugt sein, d.h. er müsste geltend machen können, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Ausreichend ist dafür, dass die Möglichkeit besteht, dass der Kläger in seinen subjektiven Rechten verletzt ist. Bei einem an den Kläger adressierten Kostenbescheid, der für diesen ein belastender Verwaltungsakt ist, besteht zumindest die Möglichkeit, dass der Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 2 I GG verletzt (Adressatentheorie).
Der Kläger ist damit klagebefugt.

 

V. Vorverfahren

Schließlich müsste das Vorverfahren erfolglos durchgeführt worden sein nach §§ 68 ff. VwGO, sowie anschließend fristgemäß Klage erhoben worden sein nach § 74 I 1 VwGO.
Hier können insbesondere bei Erheben des Widerspruchs bei der Behörde Fristenprobleme eingebaut sein. Die Widerspruchsfrist ist in § 70 I 1 VwGO geregelt, sie beginnt mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Für Die Bekanntgabe gilt die Drei-Tages-Fiktion des § 41 II VwVfG, wenn die Bekanntgabe damit auf einen Sonntag fällt, ist dies irrelevant, sodass § 193 BGB nicht gilt. Grund ist, dass es sich hierbei lediglich um eine Fiktion für den Zeitpunkt der Bekanntgabe handelt, nicht jedoch um die Einhaltung einer Frist. Für die Berechnung der Frist gelten die §§ 187 ff. BGB. Diese Normen sind über § 222 ZPO, § 57 II VwGO oder § 31 I VwVfG anwendbar. Wenn der Kläger nach diesen Maßgaben seine Klage fristgemäß eingelegt hat, ist dieser Prüfungspunkt unproblematisch und unter Zitieren der einschlägigen Normen zur Fristenberechnung abzuhandeln.

Sollte das Ergebnis sein, dass der Kläger verspätet Widerspruch erhoben hat und somit nicht ordnungsgemäß, sollte vom Prüfling immer noch überprüft werden, ob eine Rechtsbehelfsbelehrung ordnungsgemäß erfolgt ist. Dies bestimmt sich nach § 58 II VwGO. Sollten entgegenstehende Anhaltspunkte im Sachverhalt zu finden sein, sind diese genauestens dahingehend zu untersuchen, hier können ggfs. Fehler versteckt sein. Dass die Widerspruchsfrist einfach so versäumt wurde und die Klage daher schon an dieser Stelle unzulässig wird, ist in einer Prüfungsklausur eher unwahrscheinlich.
Daher sollte auch im Hinterkopf behalten werden, dass anerkannt ist, dass die Widerspruchsbehörde aufgrund ihrer verfahrensrechtlichen Sachherrschaft berechtigt ist, einen verspätet eingelegten Widerspruch sachlich zu bescheiden und damit die verspätete Einlegung heilen kann. Sollte dies in Ihrem Sachverhalt der Fall sein, sind ggfs. die Gründe für die Befugnis der Behörde, einen verspäteten Widerspruch als rechtzeitig erhoben zu behandeln, anzubringen sowie sodann die Rechtsfolge der Heilung des Fristenversäumnisses zu ziehen. Wenn die Widerspruchsbehörde in ihrer sachlichen Bescheidung den Widerspruch zurückweist, ist das Vorverfahren erfolglos durchgeführt worden.
Ansonsten ist zumindest hilfsgutachterlich der weitere Fortgang der Anfechtungsklage durchzuprüfen.

 

VI. Richtiger Beklagter

Richtiger Beklagter ist nach § 78 I Nr. 1 VwGO das Land Berlin als Rechtsträger der Polizeipräsidentin in Berlin.




B. Begründetheit

In der Begründetheit der Anfechtungsklage ist wie immer zu prüfen, ob der Kostenbescheid rechtswidrig ist. Ist dies der Fall und ist der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt, ist die Klage nach § 113 I 1 VwGO begründet.



I. Rechtswidrigkeit des Kostenbescheides

1. Welche Rechtsgrundlage kommt in Betracht?

Grundsätzlich kommen in Abschleppfällen drei Anspruchsgrundlagen in Betracht: Zum einen die Regelungen zur Kostenpflicht bei der polizeilichen Sicherstellung in § 41 III 1 ASOG oder die Regelungen in § 15 II 1 ASOG zur unmittelbaren Ausführung oder schließlich die Normen zur Kostenpflicht bei der Ersatzvornahme (Verwaltungsvollstreckung), nämlich §§ 19 I, 10 VwVG iVm 5 II VwVfG Bln.

Wann Sicherstellung? Strittig. Teilweise schon bei Ansetzen des Kfz angenommen, teilweise erst bei Verbringen des Kfz auf einen Verwahrungsplatz. Es ist der Zweck der polizeilichen Maßnahme heranzuziehen: Wurde die Sicherstellung zur Gefahrenabwehr vorgenommen und soll die Gefahrenabwehr gerade durch die Gewahrsamsbegründung erfolgen? Das ist dann der Fall, wenn es auf die Inbesitznahme der Polizei gerade ankam und das Fahrzeug nicht nur aus Platzgründen (keine Parkplätze für eine mögliche Umsetzung des Fahrzeugs in der Nähe des Standortes) auf die Verwahrstelle geschleppt wurde.

Wann unmittelbare Ausführung? Eine unmittelbare Ausführung nach § 15 I ASOG kommt dann in Betracht, wenn ohne Vorliegen eines Verwaltungsaktes eine Handlung vorgenommen worden ist. Wenn bei einem falsch geparkten Fahrzeug allerdings die Polizei nur das auf dem Straßenschild zum Ausdruck kommende Parkverbot vollzogen geschieht dies nicht unabhängig von einem Verwaltungsakt, denn mit dem Verkehrsschild liegt ein solcher vor. Zutreffend ist dann die Unterform der Allgemeinverfügung nach § 35 S. 2 Var. 3 VwVfG iVm § 1 I VwVfG Bln. Eine unmittelbare Ausführung scheidet dann aus.

Übrig bleibt sodann nur die Ersatzvornahme im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung, sodass als Rechtsgrundlage für den Gebührenbescheid die §§ 10, 19 I VwVG iVm § 5 II VwVfG zu zugrunde zu legen sind.

 

2. Formelle Rechtmäßigkeit des Kostenbescheids

Hier sind Zuständigkeit der den Bescheid erlassenden Behörde sowie die Form dieses Bescheides und das ordnungsgemäße Verfahren zu prüfen. Die Zuständigkeit der Polizei ergibt sich aus § 7 I VwVG iVm § 5 II VwVfG Bin analog.
Der Kostenbescheid war laut Sachverhalt auch mit einer Begründung versehen, sodass die Form gem. § 37 II 1, 39 I VwVFG iVm § 1 I VwVfGBln eingehalten wurde.
Bezüglich des Verfahrens ist regelmäßig das Anhörungserfordernis zu prüfen. Ist vor Erlass des Kostenbescheides keine Anhörung erfolgt, die aber nach § 28 I VwVfG erforderlich gewesen wäre, wäre der Bescheid formell rechtswidrig. Eine Anhörung des Betroffenen nach § 28 I VwVfG war bei Erlass eines Kostenbescheides erforderlich. Der Ausnahmetatbestand des § 28 II Nr. 5 VwVfG greift nicht ein, weil es sich nicht um eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung handelt. Damit wäre der Kostenbescheid formell rechtswidrig, wenn die Anhörung fehlte.

Allerdings könnte der Formfehler bis zum Ende des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach § 45 I Nr. 3, II VwVfG  nachgeholt werden. Möglicherweise wurde eine Anhörung im Widerspruchsverfahren von der Behörden nachgeholt. Hier hatte der Kläger nach § 69 VwGO die Möglichkeit, sich zum Verwaltungsakt und den Erwägungen der Behörde zu äußern, sodass die Widerspruchsbehörde die Sache erneut prüfen kann. Es ist davon auszugehen, dass sich die Behörde nach Anhörung des Betroffenen im Widerspruchsverfahen mit dessen Einwänden auseinandergesetzt hat, sodass seine Anhörung regelmäßig als nachgeholt angesehen wird nach § 45 I Nr. 3, II VwVfG, wenn das Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde.



3. Materielle Rechtmäßigkeit des Kostenbescheides

a. Tatbestand der Rechtsgrundlage

Rechtsgrundlage für die Erhebung der Kosten für Amtshandlungen nach dem VwVG ist § 19 I 1 VwVG iVm. § 5 II VwVfG Bln. Da nur für rechtmäßiges Verwaltungshandeln Kosten erhoben werden dürfen, ist es erforderlich, dass die Amtshandlung rechtmäßig war. An dieser Stelle ist inzident zu prüfen, ob das Abschleppen als Amtshandlung im konkreten Fall rechtmäßig erfolgte. Dazu ist die Rechtsgrundlage der Amtshandlung festzustellen und anschließend die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen.

 

aa) Rechtsgrundlage der Abeschleppmaßnahme

Das Umsetzen des Fahrzeugs des Klägers stellt eine vertretbare Handlung dar, die im Wege der Ersatzvornahme nach §§ 9 I a, 10 VwVG vollstreckt werden kann. Rechtsgrundlage der Abeschleppmaßnahme ist deshalb §§ 6 I, 10 iVm § 5 II VwVfG Bln.

 

bb) Formelle Rechtmäßigkeit

Hier werden Zuständigkeit, Verfahren und Form der Abschleppmaßnahme geprüft. Die Polizei hat den in dem Halteverbot liegenden Verwaltungsakt erlassen, daher ist sie als Behörde für die Vollstreckung zuständig. Dies ergibt sich aus § 7 I VwVG iVm § 5 II VwVfG Bln.

Bestimmte Formvorschriften waren bei der Abschleppung nicht einzuhalten, da es sich um einen Realakt handelte.

Bezüglich des Verfahrens ist wiederum das Anhörungserfordernis aus § 28 VwVfG anzusprechen, dann jedoch abzulehnen mit der Begründung, dass es sich hierbei um eine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung handelte und somit die Ausnahme des § 28 II Nr. 5 VwVfG greift. Eine Anhörung war daher entbehrlich.

 

cc) Materielle Rechtmäßigkeit

Innerhalb der materiellen Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme prüft man nun den Tatbestand der zuvor herausgearbeiteten Rechtsgrundlage.

Liegt ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vor?
Zunächst müsste ein vollstreckbarer Verwaltungsakt vorgelegen haben, §§ 6 I iVm 10 VwVG. Als Verwaltungsakt kommt das Halteverbotsschild als Allgemeinverfügung iSd § 35 S. 2 Var. 3 VwVfG iVm § 1 I VwVfG Bln in Betracht. Dann müsste dieses Verkehrszeichen einen vollstreckbaren Inhalt haben, das heißt auf Herausgabe einer Sache oder auf Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichtet sein. Zwar drückt das Schild zunächst nur ein Verbot aus, im betroffenen Bereich zu halten, was als solches zunächst nicht im Wege der Ersatzvornahme vollziehbar ist. Allerdings ist daraus auch das Gebot abzuleiten, den betroffenen Bereich zu verlassen. Die Anordnung „Verlassen Sie diesen Bereich“ kann wiederum im Wege der Ersatzvornahme vollzogen werden.

Die vollstreckbare Allgemeinverfügung müsste dann auch gerade dem Kläger gegenüber wirksam geworden sein. Wirksamkeit tritt grundsätzlich durch die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes nach § 41 I VwVfG ein. Auf die Rechtmäßigkeit kommt es nach h.M. zur Vollstreckung nicht an.

Allgemeinverfügungen können nach § 41 III VwVfG auch öffentlich bekannt gegeben werden. Das BVerwG hat hierzu gesagt, dass eine Bekanntgabe mit der Aufstellung des Verkehrsschildes erfolgt, sodass nicht entschieden werden muss, ob eine solche Allgemeinverfügung nach Maßgabe des VwVfG oder der StVO bekanntgegeben werden muss.

Nach Rechtsprechung des BVerwG ist das Verkehrszeichen bekanntgegeben, wenn es so aufgestellt oder angebracht ist, dass es ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann. So äußern die Verkehrsschilder Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht.

Wenn ein Fahrzeug abgeschleppt wird, während der Halter abwesend ist, bspw. gerade in einem Supermarkt einkauft, ist fraglich, ob dieser überhaupt als Verkehrsteilnehmer angesehen werden kann. Dies wurde bejaht, Verkehrsteilnehmer sei nämlich nicht nur derjenige, der sich im Straßenverkehr bewegt, sondern auch der Halter eines am Straßenrand geparkten Fahrzeugs, sofern er die tatsächlich Gewalt über das Fahrzeug innehat.
So kommt man ggfs. zu dem Ergebnis, dass das Verkehrsschild als Allgemeinverfügung auch gerade gegenüber dem Kläger bekanntgegeben und somit auch ihm gegenüber wirksam geworden ist. Ein wirksamer Verwaltungsakt mit vollstreckbarem Inhalt liegt also vor.

Der Verwaltungsakt müsste dann auch vollstreckbar gewesen sein, d.h. nach § 6 I VwVG unanfechtbar oder sofort vollziehbar sein. Unanfechtbarkeit liegt vor, wenn die Fristen zur Einlegung von Rechtsbehelfen verstrichen sind oder ein Rechtsmittelverzicht erklärt wurde. Wenn Unanfechtbarkeit nicht gegeben ist, ist die sofortige Vollziehbarkeit zu prüfen. Diese richtet sich nach § 80 II VwGO. Verkehrszeichen stehen funktional den verkehrsregelnden Anordnungen von Polizeivollzugsbeamten gleich, sodass sie nach § 80 II 1 Nr. 2 VwGO analog als sofort vollziehbar anzusehen sind.

Wurde die Vollstreckung ordnungsgemäß durchgeführt?
Die Art und Weise der Vollstreckung setzt voraus, dass das Zwangsmittel angedroht und festgesetzt wurde, vgl. §§ 13 und 14 VwVG. Außerdem müsste die Anwendung des Zwangsmittels ordnungsgemäß erfolgt sein, § 15 VwVG. Problematisch erscheint, dass das Abschleppen weder angedroht noch festgesetzt wurde. Androhung und Festsetzung könnten jedoch entbehrlich gewesen sein, weil die Vornahme der Vollstreckungsmaßnahme eilbedürftig war bzw. eine Störung der öffentlichen Sicherheit durch das verkehrswidrige Parken bereits eingetreten ist. Mithilfe eines Erst-Recht-Schlusses aus § 6 II VwVG, der selbst im gekürzten Verfahren, wo kein Verwaltungsakt vorliegt, eine sofortige Vollziehung ohne vorangegangene Androhung und Festsetzung ermöglicht wird, sofern dies zur Abwendung einer drohenden Gefahr notwendig ist, kann auch für die Situation, wo sogar ein Verwaltungsakt gegeben ist und eine Gefahr sich  bereits realisiert hat, eine Entbehrlichkeit der Androhung und Festsetzung der Maßnahme abgeleitet werden.
Also sind Androhung und Festsetzung des Zwangsmittels bei Abschleppfällen, in denen eine Störung bereits vorliegt, entbehrlich. Deren Ausbleiben ist dann für die materielle Rechtmäßigkeit der Maßnahme unschädlich.

Liegen Vollstreckungshindernisse vor?
Solche sind meist nicht ersichtlich. Sie können sich aber grundsätzlich aus §§ 775, 776 ZPO ergeben.

Was ist die Rechtsfolge der Anspruchsgrundlage bei Vorliegen ihres Tatbestandes?
Die Vorschrift zur Ersatzvornahme eröffnet der Behörde ein pflichtgemäßes Ermessen, vgl. § 10 VwVG. Die Vornahme der Vollstreckungsmaßnahme müsste also ermessensfehlerfrei sein. Das Abschleppen war noch nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil ein Verstoß gegen die StVO vorlag, was regelmäßig der Fall ist, wenn das Fahrzeug im Halteverbot geparkt wurde (12 StVO, § 45 StVO). Wenn aber bereits Bauarbeiten behindert wurden, ist das Abschleppen nicht unverhältnismäßig.

Wenn die Besonderheit vorliegt, dass das Fahrzeug vom Kl#ger zunächst rechtmäßig geparkt worden ist und die Störung der Baustelle erst später wegen des Aufstellens des Schildes eintrat, könnte sich eine Unverhältnismäßigkeit evtl. hieraus ergeben. Auf Primärebene, wo es um die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme geht, müssen diese Umstände jedoch außer Betracht bleiben. Die Polizeibeamten vor Ort haben zu Zwecken der effektiven Gefahrenabwehr lediglich auf Grundlage der Gefahrenlage im aktuellen Zeitpunktes zu entscheiden.

Das Ermessen ist mithin nicht zu beanstanden, wenn im Entscheidungszeitpunkt aus Sicht der Polizeibeamten ein Einschreiten geboten war.

Ergebnis der materiellen Rechtmäßigkeit: Das Abschleppen war rechtmäßig.

 

b) Rechtsfolge der Rechtsgrundlage

Nachdem die Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage für den Erlass des Gebührenbescheids und darin inzident die Rechtmäßigkeit der Primärmaßnahme geprüft worden sind, ist nun die Rechtsfolge zu prüfen. Nach § 19 I VwVG sind Kosten für die Ersatzvornahme zu erheben. Ermessen ist nicht eröffnet.

Hier könnte die Kostenerhebung dennoch ausnahmsweise dann unverhältnismäßig sein, wenn der Kläger bzw. der Halter des abgeschleppten Fahrzeugs das Schild nicht zur Kenntnis nehmen konnte und deshalb sein Fahrzeug falsch geparkt hat. Dann wäre der Kostenbescheid ggfs. doch noch rechtswidrig.
Fraglich ist, wer das Risiko dafür trägt, dass sich die Verkehrslage innerhalb der Haltedauer an der betreffenden Stelle verändert und das einst rechtmäßig abgestellte Fahrzeug so ggfs. in einen mobilen Halteverbotsbereich gerät.

Nach Auffassung des BVerwG ist es so, dass bei mobilen Halteverboten der Bürger nach Ablauf von vier Tagen nach Aufstellung des Verkehrsschildes das Risiko trägt, abgeschleppt zu werden.

Argumentation nach BVerwG NJW 1997, 1021, 1022:

Zwar gehöre der ruhende Verkehr und auch das Dauerparken grundsätzlich zu den erlaubten Formen der Teilnahme am Straßenverkehr. Der Verkehrsteilnehmer muss aber mit Situationen rechnen, die kurzfristig eine Änderung bestehender Verkehrsregelungen verlangen und kann nicht darauf vertrauen, dass ein zunächst erlaubtes Parken an einer bestimmten Stelle des öffentlichen Straßenraumes auch noch vier Tage später erlaubt ist. Bei einer solchen „Vorlaufzeit“ ist es nicht unverhältnismäßig, das Abschlepp- und Kostenrisiko eines längerfristigen Parkens statt der Allgemeinheit demjenigen zuzuweisen, der die Sachherrschaft über das betreffende Lastfahrzeug hat und Vorsorge für den Fall einer Änderung der Verkehrslage treffen kann.

 

c) Zwischenergebnis

Der Kostenbescheid ist folglich materiell rechtmäßig.

 

II. Ergebnis

Der Verwaltungsakt ist rechtmäßig.

 

C. Ergebnis

Die Klage ist unbegründet. Das Gericht wird die Klage daher als unbegründet abweisen.


Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie 

RSS Feed abonnieren