Herzlich willkommen zum neuen Blogbeitrag unseres juristischen Repetitoriums!

Wie Du wahrscheinlich bereits weißt, gibt es jeden Monat eine Fülle von neuen Gerichtsentscheidungen aus den Bereichen Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht. Für alle, die im juristischen Bereich tätig sind oder sich dafür interessieren, ist es daher von großer Bedeutung, diese Entscheidungen im Auge zu behalten und ihre Auswirkungen auf die Praxis zu verstehen.

Aus diesem Grund bieten wir regelmäßig Rechtsprechungsübersichten an, in denen wir die wichtigsten Entscheidungen des vergangenen Monats aufbereiten und kommentieren.
Ob Du ein Jurastudent, Referendar oder einfach nur ein interessierter Laie bist, unser Blog soll  dabei helfen, auf dem neuesten Stand der aktuellen Rechtsprechung zu bleiben und Dein Wissen zu vertiefen.

In diesem Beitrag werden wir uns daher mit der spannenden Entscheidung  „ Wenn nicht aus diesem, dann aus einem anderen Grund! “ OVG NRW Urt. v. 20.08.2020–5A2289/18, aus dem vergangenen Monat, beschäftigen und Dir einen Überblick über die relevanten Entwicklungen geben.



Sachverhalt:

K parkte im absoluten Halteverbot. Die Ordnungsbehörde(O)hat den PKW abschleppen lassen. Bei Abholung des Fahrzeugs bezahlte K die Kosten an den beauftragtenAbschleppunternehmer(A). O verlangte von K weitere Verwaltungsgebühren, die dieser jedoch nicht bezahlte. Von der L-Straße ginge eine weitere Straße ab, die nach einem U-förmigen Verlauf wieder in die L-Straße münde. K’s Auto stand am fraglichen Tag hinter dieser „Einmündung“, wo das Verkehrsschild keine Wirkung mehr entfalte. Nach O’s Meinung handle es sich dabei jedoch nicht um eine Einmündung, die den Geltungsbereich des Halteverbots aufhebe. Vielmehr sei die„Einmündung“mit einer Grundstückszufahrt vergleichbar. K erhebt daraufhin Klage beim zuständigen VG und beantragt die Aufhebung des Gebührenfestsetzungsbescheids und Erstattung der gezahlten Abschleppkosten. O ergänzte im Verfahren, dass das Abschleppen überdies aufgrund des Parkens in einem Bereich von 5 m hinter einer Einmündung gerechtfertigt sei. Das VG wies die Klage ab und stellte dabei auf die ergänzten Ermessenserwägungen (§ 114 S. 2 VwGO) ab. K ging sodann in die Berufung.

Entscheidung

1. Die Berufung des K hat Erfolg.

2. Es handle sich vorliegend um eine Einmündung, die den Geltungsbereich des Halteverbots begrenzt. K’s PKW befand sich somit nicht im Halteverbot.

3. Die Abschleppmaßnahme lässt sich auch nicht auf einen fiktiven Grundverwaltungsakt stützen, der einen Verstoß gegen die 5 m-Regelung (§12 III Nr. 1 HS. 1 StVO) beseitigen soll. O hat diesbezüglich jedenfalls ihr Ermessen nicht rechtsfehlerfrei ausgeübt, da sie nur auf das Verkehrsschild abgestellt hatte. Eine Ergänzung nach § 114 S. 2 VwGO war nichtzulässig.


In der Klausur:

1. Mithilfe der einschlägigen StVO-Vorschriften müssen Sie anhand der Sachverhaltsangaben genauestens untersuchen, ob es sich um eine Einmündung oder Zufahrt handelt. Davon hängt ab, wie weit der Geltungsbereich des Halteverbots reicht.

2. § 114 S.2VwGO lässt nur die Ergänzung der Ermessenserwägungen, nicht deren vollständige Nachholung zu. Sofern wesentliche Teile der Ermessenserwägungen ausgetauscht oder erst nachträglich nachgeschoben wurden, liegt eine neue Ermessensentscheidung vor. Das ist etwa anzunehmen, wenn der Streitstoff wesentlich geändert wird oder wenn die Behörde die Entscheidung mit einem neuen argumentativen Unterbau versieht.

3. Unterscheiden Sie die Zwecke der Normen. Das Halteverbot dient der Sicherung des fließenden Verkehrs. Die 5m-Regelung dient hingegen der Verhinderung der Gefahr, die durch die fehlende Überschaubarkeit einer Einmündung bestehen könnte. Geschützt ist hierbei der in die weiterführende Straße einmündende ebenso wie der durchgehende Verkehr, wobei auch Fußgänger und Radfahrer eingeschlossen sind.



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