Herzlich willkommen zum neuen Blogbeitrag unseres juristischen Repetitoriums!

Wie Du wahrscheinlich bereits weißt, gibt es jeden Monat eine Fülle von neuen Gerichtsentscheidungen aus den Bereichen Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht. Für alle, die im juristischen Bereich tätig sind oder sich dafür interessieren, ist es daher von großer Bedeutung, diese Entscheidungen im Auge zu behalten und ihre Auswirkungen auf die Praxis zu verstehen.

Aus diesem Grund bieten wir regelmäßig Rechtsprechungsübersichten an, in denen wir die wichtigsten Entscheidungen des vergangenen Monats aufbereiten und kommentieren.
Ob Du ein Jurastudent, Referendar oder einfach nur ein interessierter Laie bist, unser Blog soll  dabei helfen, auf dem neuesten Stand der aktuellen Rechtsprechung zu bleiben und Dein Wissen zu vertiefen.

In diesem Beitrag werden wir uns daher mit der spannenden Entscheidung „Beleidigter Staatsanwalt“-Fall BVerfG Beschl.v. 09.02.2022-1 BvR 2588/20, aus dem vergangenen Monat, beschäftigen und Dir einen Überblick über die relevanten Entwicklungen geben.



Sachverhalt:

A wurde wegen unrechtmäßigen Bezugs von Arbeitslosengeldes zu einer Geldstrafe verurteilt. Er glaubt jedoch, unrechtmäßig verfolgt worden zu sein, und verfasste daher eine Strafanzeige gegen den zuständigen Mitarbeiter der Agentur für Arbeit. Nach dem Erhalt der Einstellungsnachricht wandte sich A an den „Oberstaatsanwalt Landshut“ und beschwerte sich über die Einstellung und den zuständigen Staatsanwalt. Darin fielen u.a. folgende Aussagen: „eine absurde Anklageschrift [...], die ein achtjähriges Kind das die zweite Klasse einer Grundschule erfolgreich abgeschlossen hat, erkennen konnte. [...] ein selten „dämlicher“ Staatsanwalt, der nicht lesen und schreiben kann.“
Wegen dieser Äußerung wurde A letztlich wegen Beleidigung nach § 185 StGB verurteilt. Nach Ausschöpfen des Rechtswegs legte A die Urteilsverfassungsbeschwerde ein.

Entscheidung:

1. A hat mit der Verfassungsbeschwerde Erfolg. Die Entscheidungen verletzten ihn in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S.1 GG.

2. Art. 5 Abs. 1 S.1 GG gibt jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Grundrechtlich geschützt sind damit insbesondere Werturteile, also Äußerungen, die durch ein Element der Stellungnahme gekennzeichnet sind. Dies gilt ungeachtet des womöglich ehrschmälernden Gehalts einer Äußerung. Das seine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts.

3. Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht zur Schmähung, sodass selbst eine Strafbarkeit von Äußerungen, die die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert. Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung vielmehr erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

4. Teil dieser Freiheit ist, dass Bürger von ihnen als verantwortlich angesehene Amtsträger in anklagender und personalisierter Weise für deren Art und Weise den Machtausübung angreifen können, ohne befürchten zu müssen, dass die personenbezogenen Elemente solcher Äußerungen aus diesem Kontext herausgelöst werden und die Grundlage für einschneidende gerichtliche Sanktionen bilden.

In der Klausur:

1. A wollte sich hier primär gegen den Einstellungsbescheid wehren, sodass eine Schmähkritik nicht angenommen werden kann.

2. Liegt keine Schmähkritik vor, muss unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Äußerung eine Abwägung der jeweils geschützten Interessen erfolgen.

3. Zur Abwägung kann Folgendes berücksichtigt werden:

- Ist die Äußerung ad hoc in einer hitzigen Situation oder mit längerem Vorbedacht gefallen?

- Ist dem Betroffenen aufgrund seiner beruflichen Stellung, Bildung und Erfahrung zuzumuten, auch in besonderen Situationen die äußerungsrechtlichen Grenzen zu kennen und zu wahren?

- Bestand für die Äußerung ein konkreter und nachvollziehbarer Anlass?

- Berücksichtigung des Gesichtspunktes des sog.: „Kampfs um das Recht“, wonach grds. Erlaubt ist, besonders starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, um Rechtspositionen und Anliegen zu unterstreichen.

-Konkrete Verbreitung und Wirkung einer Äußerung.

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