Religionsfreiheit und Bauplanungsrecht OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 22.11.2023– Az 8 A 10433/23

Sachverhalt:

Der Verein DITIB Türkisch islamische Gemeinde Germersheim beantragt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des VG, welches die Versagung einer Baugenehmigung für eine Moschee in einem besonderen Wohngebiet in Germersheim als rechtmäßig bestätigt hat.
Die Klägerin betreibt bereits auf dem Nachbargrundstück eine kleinere Moschee. Die neue Moschee sollte eine Nutzfläche von 2.226m2 und zwei Gebetsräume mit einer Gesamtfläche von insgesamt ca. 625m2 haben. Die Klägerin schätzt die Anzahl der Benutzer auf ca. 500. Allerdings übersteigt die Anzahl der Nutzer der bestehenden, kleineren Moschee dies bereits deutlich. Von den 66 geplanten Parkplätze sollen von 22:00 bis 23:00 Uhr nur 15 zugänglich gemacht werden, damit die, in einem Gutachten berechneten Lärmimmissionen durch den An-und Abfahrtsverkehr eingehalten werden können. Es ist allerdings davon auszugehen, dass während des Ramadan mit einem deutlich höheren Andrang an Verkehr gerechnet werden muss als die 15 Parkplätze auffangen könnten.

Entscheidung:

1. Die Berufung gegen die Abweisung der im August 2022 erhobenen Klage durch das VG auf Erteilung der Baugenehmigung wird nicht zugelassen. Die Versagung der Baugenehmigung ist rechtmäßig.

2. Die Gebietsverträglichkeit der Moschee ist im Hinblick auf die zu erwartenden Immissionen–Lärm und Verkehr–anhand des Antrages ist nicht sicher festzustellen. Der An- und Abfahrtsverkehr nach 22:00 auf die 15 Parkplätze wäre der Moschee zuzurechnen, weil er von ihr ausgelöst wird.

3. Die Abweisung verletzt die Klägerin auch nicht in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Zu den der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit immanenten Schranken gehört die konkretisierte Schranke des Bauordnungs- und Bauplanungsrechts.

In der Klausur:

1. Der Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung folgt aus Landesrecht (z.B. § 74 I S.1 BauONRW). Der Anspruch ergibt sich aus der Eigentumsgarantie nach Art. 14 I GG, die Regeln des Bauordnungs- und Planungsrechts stellen sich als Inhalts-und Schrankenbestimmung nach Art. 14 III GG dar.

2. Eine Baugenehmigung wird dann erteilt, wenn die formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Teil der materiellen Voraussetzungen ist die Genehmigungspflichtigkeit und Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens. Im Rahmen der Genehmigungsfähigkeit kommt es auf die Vereinbarkeit mit
(1.) dem Bauplanungsrecht
(2.)dem Bauordnungsrecht
(3.)und sonstiger öffentlich-rechtlicher Vorschriften an.

3. Im Rahmen des Bauplanungsrechts muss festgestellt werden, ob gem. § 30 I BauGB ein qualifizierter Bebauungsplan vorliegt (Festsetzung über Art und Maß, überbaubare Grundstücksflächen, örtliche Verkehrsflächen) sodass eine Prüfung des Vorhabensanhand der BauNVO stattfindet oder ob ein einfacher Bebauungsplan gem. § 30 III BauGB vorliegt, sodass nach §§ 34, 35 BauGB geprüft wird (und bei Entsprechung der Gebiete der BauNVO selbige entsprechend anzuwenden ist). Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen qualifizierten Bebauungsplan.

4. Das besondere Wohngebiet findet sich in § 4a BauNVO. Hier ist nach dem Regel-Ausnahmeprinzip (wie bei allen Gebieten der BauNVO) nach Abs.2 eine allgemeine Zulässigkeit von kirchlichen Anlagen gegeben.5. Gem. § 15 I BauNVO ist für alle Gebiete (Regel-Ausnahme!) eine Gebietsverträglichkeit erforderlich. Diese soll hier nicht vorliegen, weil die Immissionsgrenzen durch den Verkehr überschritten werden. Außerdem kann eine abschließende Entscheidung im Wege des Genehmigungsverfahrens nicht erfolgen, weil die Besucheranzahl von 500 nicht realistisch ist, sodass nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen für die Genehmigung vorliegen.

6. Die Religionsfreiheit der Gemeinde aus Art.4 I, II GG ist nicht im „ob“, sondern im „wie“ im Rahmen der durch o.g. zulässigen Schranken des Baurechts betroffen.

7. Übrigens–hätte die Gemeinde die Grundrechtsrelevanz nicht gerichtlich geltend gemacht, wäre eine Verfassungsbeschwerde möglicherweise bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis iSd Art. 19 IV GG materiell präkludiert. Das die Sache 30 km weiter südlich wandert (Germersheim-Karlsruhe) ist allerdings unwahrscheinlich.


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