Rechtsprechungsübersicht Strafrecht: 08. 2023: Der „ Kneipenrache “ - Fall




Sachverhalt:

Nachdem bei einem Einbruch in die Bar des T mehrere tausend Euro entwendet wurden, lobte dieser zur Ergreifung der Täter eine Belohnung aus. B wurde darauf aufmerksam. Aus einem Gespräch mit seinem Bekannten O schlussfolgert er, dass O mit 2 weiteren Personen an dem Einbruch beteiligt war. B teilt dem T die Namen und den Lagerort–die Kneipe des C–mit. Zusammen mit anderen beschließt T, den O für seine „Verfehlungen zu bestrafen“.
Dazu trifft sich die Gruppe mit B nachts vor der geschlossenen Kneipe des C. Nachdem B bestätigt, dass sich O dort befindet, verlässt er den Ort. B weiß nicht, dass T eine Schusswaffe bei sich führt.In diesem Moment taucht C auf, den die Gruppe in ihre Gewalt bringt, indem sie ihm die Waffe an den Kopf halten und in den Vorraum der Kneipe drängen. Das Gruppenmitglied A verweilt bei C und hindert ihn am Eingreifen in das Geschehen, während der Rest der Gruppe das Kneipeninnere betritt. Mit stumpfer Gewalt und Schüssen in die Oberarme werden die Beteiligten des vorherigen Einbruchs verletzt. T hielt den O von der Flucht ab, während ein Gruppenmitglied auf O’s Oberkörper schießt. O verstirbt kurz darauf. Aus technischen Gründen gelingt es den Tätern nicht, die übrigen Verletzten zu erschießen. Anschließend fliehen sie aus der Kneipe.


Entscheidung

1. Das LG verurteilt A u.a. wegen Beihilfe zum Heimtückemord gem. §§ 211 I, II Gr. 2 Var.1, 27 I StGB und B u.a. wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge gem. §§ 227I, 27 I StGB zum Nachteil des O. A und B legen dagegen erfolgreich Revision zum BGH ein.

2. Für die Annahme des Gehilfenvorsatzes braucht der Teilnehmer nicht alle Einzelheiten der Haupttat zu kennen; indes muss er jedenfalls den wesentlichen Unrechtsgehalt und die Angriffsrichtung der Haupttat erfassen.

3. Hiervon ausgehend habe das LG bei der Beurteilung des Gehilfenvorsatzes wesentliche Umstände nicht erörtert, die gegen die Annahme sprechen können, der A habe Beihilfe zu Tötungsdelikten leisten wollen.

4. Anders als bei optischer Wahrnehmung lässt sich allein aus der Geräuschentwicklung eines Schusses regelmäßig nicht dessen Zielrichtung ableiten.

5. Der qualifizierte Taterfolg des § 227I StGB kann dem B nur dann zugerechnet werden, wenn dieser ausgehend von der von seinem Vorsatz umfassten Körperverletzungshandlung darauf hätte schließen können, dass diese den Tod des Tatopfers zur Folge haben konnte.
 

Bedeutung für die Klausur:

1. Die subjektive Seite einer Tat ist schwer zu beweisen und deshalb auch in der Klausur genauestens unter die Lupe zu nehmen, wenn der Vorsatz im Sachverhalt nicht festgestellt wird.

2. Folgende Aspekte können zur Beurteilung des Vorsatzes herangezogen werden:

-Was lässt sich aus dem Tatplan schließen?
-Welche Reaktion des Gehilfen wäre zu erwarten, sollte er mit der Tötungshandlung der Gruppe nicht einverstanden gewesen sein?
-Hatte der Gehilfe überhaupt eine Möglichkeit, den Tötungsvorsatz der anderen zuerkennen und ggf. aufzuhalten?

3. Beachten Sie bei der Prüfung, dass der Haupttäter hier einen Heimtückemord begeht und § 227 StGB dabei zurücktritt und daher nicht geprüft wird. Dies gilt aber nicht für B, da dieser keine Beihilfe zur Haupttat geleistet hat, sodass eine Beihilfe zu § 227StGB nicht zurücktreten kann. Dies dürfen Sie nicht übersehen!

4. Der Fahrlässigkeitsvorwurf muss beim Gehilfen gesondert geprüft werden (§ 18StGB), denn er haftet nur für die Folgen der Tat, die er in seine Vorstellung mit aufgenommen hat.

5. Sie können gleich die Beihilfe zu § 227 StGB des B prüfen oder aber zuerst mit einer Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung beginnen, um eine Inzidentprüfung zu vermeiden.

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