Der Fall Ofarim: LG Leipzig, Beschluss v. 28.11.2023- Az 6 KLs 607 Js 56883/21
Sachverhalt:
Der Musiker Gil Ofarim will im Oktober 2021 in ein Leipziger Hotel einchecken. Nach einer Auseinandersetzung am Check-in des Hotels hat Ofarim ein Video in den sozialen Medien veröffentlicht, in welchem er gegen das Hotel Antisemitismus-Vorwürfe erhebt. Er soll aufgefordert worden sein, für den Check-in seine (in dem veröffentlichen Video sichtbare) um den Hals getragene Davidstern-Kette (ein Zeichen des jüdischen Glaubens) abzulegen. Nachdem Ofarim Anzeige gegen das Hotel erstattet, wird Ofarim seinerseits wegen Verleumdung des Hotelmanagers angezeigt. Zentrale Frageist, ob die Kette zum Zeitpunkt des Check-ins tatsächlich sichtbar um Ofarims Hals hing oder nicht. Eine eindeutige und abschließende Klärung der Tatsachen kann nicht mehr erfolgen. Ofarim hat nach fünf Verhandlungstagen das Geständnis abgelegt, dass „die Vorwürfe“ zutreffen und entschuldigte sich bei dem Hotelmanager, der als Nebenkläger auftritt. Ofarims Verteidiger bezeichnet den Abschluss des Verfahrens als „eine Art Deal“, die die Unschuldsvermutung für Ofarim „zumindest formell“ aufrechterhält.
Entscheidung:
1. Das LG Leipzig stellt das Verfahren nach § 153a StPO (Beschluss) gegen die Zahlung einer Geldauflage ein.
2. Der Beklagte zahlt 10.000 € an gemeinnützige Einrichtungen.
Bedeutung für die Klausur:
1. Ein Verfahren vor Gericht kann entweder durch Urteil oder durch Beschluss beendet werden. Rechtsmittel gegen Urteile ist die Berufung, § 314 StPO und Revision, § 341 StPO, gegen Beschlüsse die Beschwerde, §§ 304 ff. StPO.
2. In der StPO gibt es zwei Institute die gerne als „Deal“ bezeichnet werden. Hauptfall eines „Deals“ ist der des § 257c StPO. Die dort geregelte Verständigung, welche im vorliegenden Fall nicht stattgefunden hat, soll den Angeklagten dazu bewegen, ein Geständnis abzulegen, indem hierdurch das Strafmaß herabgesetzt wird. Dies ist im Interesse der Prozessökonomie. Der Abschluss einer solchen Verständigung ist ein Urteil, welches entsprechend dem Geständnis eine Unschuldsvermutung ausschließt. Die andere Art „Deal“ ergibt sich aus § 153a StPO. Im Regelfall erfolgt der Deal vor der Erhebung der Anklage (Abs.1) und geht von der Staatsanwaltschaft aus, er kann aber auch, wie hier, nach der Klageerhebung auf Vorschlag des Gerichts erfolgen. Hierfür ist kein Geständnis nötig, zudem handelt es sich um einen Beschluss, sodass die Unschuldsvermutung weiterhin besteht.
3. Die Bezeichnung als „Deal“ rührt aus dem amerikanischen Prozessrecht her, wo die Staatsanwaltschaft mit dem Angeklagten im Gegenzug für dessen Kooperation über seine Schuld (!) und Strafmaß verhandeln kann. Interessant ist die Frage im deutschen Prozessrecht um den Unterschied in der Rechtswirkung von Urteil und Beschluss aufzuzeigen. Außerdem lassen sich hier die Grundsätze und Grenzen einer rechtstaatlichen Praxis aufzeigen, welche sogar die USA als Vorbild nehmen (nicht andersherum!).
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Sachverhalt:
Der Musiker Gil Ofarim will im Oktober 2021 in ein Leipziger Hotel einchecken. Nach einer Auseinandersetzung am Check-in des Hotels hat Ofarim ein Video in den sozialen Medien veröffentlicht, in welchem er gegen das Hotel Antisemitismus-Vorwürfe erhebt. Er soll aufgefordert worden sein, für den Check-in seine (in dem veröffentlichen Video sichtbare) um den Hals getragene Davidstern-Kette (ein Zeichen des jüdischen Glaubens) abzulegen. Nachdem Ofarim Anzeige gegen das Hotel erstattet, wird Ofarim seinerseits wegen Verleumdung des Hotelmanagers angezeigt. Zentrale Frageist, ob die Kette zum Zeitpunkt des Check-ins tatsächlich sichtbar um Ofarims Hals hing oder nicht. Eine eindeutige und abschließende Klärung der Tatsachen kann nicht mehr erfolgen. Ofarim hat nach fünf Verhandlungstagen das Geständnis abgelegt, dass „die Vorwürfe“ zutreffen und entschuldigte sich bei dem Hotelmanager, der als Nebenkläger auftritt. Ofarims Verteidiger bezeichnet den Abschluss des Verfahrens als „eine Art Deal“, die die Unschuldsvermutung für Ofarim „zumindest formell“ aufrechterhält.
Entscheidung:
1. Das LG Leipzig stellt das Verfahren nach § 153a StPO (Beschluss) gegen die Zahlung einer Geldauflage ein.
2. Der Beklagte zahlt 10.000 € an gemeinnützige Einrichtungen.
Bedeutung für die Klausur:
1. Ein Verfahren vor Gericht kann entweder durch Urteil oder durch Beschluss beendet werden. Rechtsmittel gegen Urteile ist die Berufung, § 314 StPO und Revision, § 341 StPO, gegen Beschlüsse die Beschwerde, §§ 304 ff. StPO.
2. In der StPO gibt es zwei Institute die gerne als „Deal“ bezeichnet werden. Hauptfall eines „Deals“ ist der des § 257c StPO. Die dort geregelte Verständigung, welche im vorliegenden Fall nicht stattgefunden hat, soll den Angeklagten dazu bewegen, ein Geständnis abzulegen, indem hierdurch das Strafmaß herabgesetzt wird. Dies ist im Interesse der Prozessökonomie. Der Abschluss einer solchen Verständigung ist ein Urteil, welches entsprechend dem Geständnis eine Unschuldsvermutung ausschließt. Die andere Art „Deal“ ergibt sich aus § 153a StPO. Im Regelfall erfolgt der Deal vor der Erhebung der Anklage (Abs.1) und geht von der Staatsanwaltschaft aus, er kann aber auch, wie hier, nach der Klageerhebung auf Vorschlag des Gerichts erfolgen. Hierfür ist kein Geständnis nötig, zudem handelt es sich um einen Beschluss, sodass die Unschuldsvermutung weiterhin besteht.
3. Die Bezeichnung als „Deal“ rührt aus dem amerikanischen Prozessrecht her, wo die Staatsanwaltschaft mit dem Angeklagten im Gegenzug für dessen Kooperation über seine Schuld (!) und Strafmaß verhandeln kann. Interessant ist die Frage im deutschen Prozessrecht um den Unterschied in der Rechtswirkung von Urteil und Beschluss aufzuzeigen. Außerdem lassen sich hier die Grundsätze und Grenzen einer rechtstaatlichen Praxis aufzeigen, welche sogar die USA als Vorbild nehmen (nicht andersherum!).
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