Herzlich willkommen zum neuen Blogbeitrag unseres juristischen Repetitoriums!

Wie Sie wahrscheinlich bereits wissen, gibt es jeden Monat eine Fülle von neuen Gerichtsentscheidungen aus den Bereichen Zivilrecht, Öffentliches Recht und Strafrecht. Für alle, die im juristischen Bereich tätig sind oder sich dafür interessieren, ist es daher von großer Bedeutung, diese Entscheidungen im Auge zu behalten und ihre Auswirkungen auf die Praxis zu verstehen.

Aus diesem Grund bieten wir regelmäßig Rechtsprechungsübersichten an, in denen wir die wichtigsten Entscheidungen des vergangenen Monats aufbereiten und kommentieren.
Ob Sie ein Jurastudent, Referendar oder einfach nur ein interessierter Laie sind, unser Blog soll Ihnen dabei helfen, auf dem neuesten Stand der aktuellen Rechtsprechung zu bleiben und Ihr Wissen zu vertiefen.

In diesem Beitrag werden wir uns daher mit der spannenden Entscheidung: der „Tauben“ -Fall LG Frankfurt a.M. Urt. v.08.02.2023–2-01 S 64/22, aus dem vergangenen Monat, beschäftigen und Ihnen einen Überblick über die relevanten Entwicklungen geben.



Sachverhalt:

Auf dem Dachboden der K konnten durch ein geöffnetes Dachbodenfenster Tauben rein- und herausfliegen. Als K von ihren Mietern darauf aufmerksam gemacht wurde, schickte sie den S zur Überprüfung auf den Dachboden. S fand in dem übersichtlichen Raum keine Tauben und verschloss das Fenster. Später wurde von den Nachbarn der Verein B darüber informiert, dass auf dem Dachboden der K möglicherweise Tauben eingeschlossen wurden. B schickte Hund N dorthin, die mittels eines Werkzeugs die Dachbodentür öffneten und sie dabei beschädigten. Die Polizei oder Feuerwehr wurde davor nicht kontaktiert. K verlangt von B ca. 600 € für die beschädigte Tür.

Entscheidung:

1. K hat Erfolg. Ihr steht entweder ein Anspruch aus § 904 S. 2 BGB (bei Annahme eines Rechtfertigungsgrundes) oder aus §§ 823 I, 31 BGB bzw. §§ 823 II, 31 BGB i.V.m. § 303StGB (bei Verneinung des Rechtfertigungsgrundes) zu.
Ob ein Rechtfertigungsgrund zugunsten des B vorliegt, könne daher dahinstehen.
Insbesondere müsse nicht näher erörtert werden, ob ein geschütztes Rechtsgut betroffen gewesen ist und ob die Polizei oder Feuerwehr zuerst hätte kontaktiert werden müssen.

2. Eine Rechtfertigung nach § 228 BGB kommt von vornherein nicht in Betracht, da die Gefahr für das zu schützende Rechtsgut nicht von der Tür ausgegangen ist.

Bedeutung für die Klausur:

1. (P) Richtiger Anspruchsgegner i.S.d. § 904 S.2 BGB?
- e.A.: Derjenige, der tatsächlich auf die Sache einwirkt
- Rspr.: Auch Hintermann, sofern Einwirkender in Ausübung einer Dienstverrichtung handelt oder Zurechnung nach § 31 BGB (analog)

2. (P) schuldhaft herbeigeführte Notstandslage durch K / S?
-Die Beweislast trägt B.
-Aufgrund der vorliegenden Übersichtlichkeit des Raumes bedurfte es keiner Begehung aller Ecken, sodass keine schuldhaft herbeigeführte Notstandslage bestand.
-Hier ist auf die genauen Sachverhaltsangaben zu achten!

3. (P) Aufrechnung (B gegen K)
-Wenn Rechtfertigung (-): Aufrechnungsverbot nach § 393 BGB
-Wenn Rechtfertigung (+): keine Aufrechnungslage, da sonst Sinn und Zweck des §904 S. 2 BGB konterkariert und die Schadensersatzpflicht nach § 904 S.2 BGB leerlaufen würde

4.In Ihrem Gutachten prüfen Sie die Ansprüche (beginnend mit § 904 S.2 BGB) sorgfältig durch und lassen die Frage nach der Rechtfertigung nicht offen. Arbeiten Sie dabei genau mit den Sachverhaltsangaben.

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