Rechtsprechungsübersicht Zivilrecht: 08. 2023: „ Auto halt! “ - Fall



Sachverhalt:

K tritt in offenen Sandalen aus der Wohnung, um seine Freundin B zu begrüßen, die gerade mit ihrem Pkw angekommen und aus dem Wagen kurzzeitig ausgestiegen ist. Das Auto stand auf einem Gefälle. Während sie draußen miteinander sprachen, bemerkte K, dass der Pkw sich in Bewegung setzte und rückwärts den Hang hinunterzurollen begann. Er lief dem Auto hinterher und versuchte es aufzuhalten, wurde jedoch vom Fahrzeuggewicht niedergedrückt. Er wurde vom Pkw überrollt und etwa 20m mitgeschleift. Der Pkw kam–wie es voraussehbar war–etwa 33m vom ursprünglichen Abstellort entfernt in einem Gebüsch zum Stehen. Klag eingeklemmt unter dem zum Stehen gekommenen Pkw, bis Rettungskräfte eintrafen und ihn befreiten. Er erlitt einen Herzstillstand und musste reanimiert werden. Zudem erlitt er eine Oberschenkelfraktur, eine Rippenserienfraktur mit Pneumothorax sowie Verbrennungen und Ablederungen am Bauch. K verlangt von B Schadensersatz

 

Entscheidung:

1. Das LG hielt die Klage dem Grunde nach i.H.v. 30% begründet. K hat gegen B einen Anspruch aus § 823 I BGB (gekürzt um 70%wegen Mitverschuldens, § 253 BGB). Die Berufungen der beiden Parteien hatten keinen Erfolg.

2. Das Haftungsmerkmal„bei dem Betrieb“i.S.d. § 7 StVG ist weit zu fassen. Es ist erfüllt, wenn das Schadensgeschehen durch die von dem Kfz ausgehende Gefahr mitgeprägt worden ist, also noch ein Bezug zum Verkehr besteht. Solange das Kfz bei der Abwicklung des Verkehrs noch eine Gefahr darstellt, ist es in Betrieb, auch wenn es bereits länger abgestellt ist.

3. Der Sinn und Zweck des gesetzlichen Haftungsausschlusses nach § 8 Nr. 2 StVG besteht darin, dass der erhöhte Schutz des Gesetzes demjenigen nicht zuteilwerden soll, der sich durch seine Tätigkeit den besonderen Gefahren des Kraftfahrzeugbetriebs freiwillig aussetzt.

 

Bedeutung für die Klausur:

1. In Betracht kommen Ansprüche aus § 7I StVG und§823 I BGB.

2. Zwar liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 I StVG vor. Der Anspruch ist jedoch nach §8 Nr. 2 StVG ausgeschlossen.

3. Da B den Pkw nicht hinreichend gegen ein Wegrollen gesichert hat, hat sie K fahrlässig körperlich verletzt i.S.d. §823 I BGB.

4. Der Zurechnungszusammenhang ist nicht durch ein Dazwischentreten eines Dritten unterbrochen worden, da es keine vollkommen untypische Reaktion auf die hier gegebene Situation gewesen ist.

5. Weiteres (P) der Klausur ist das Mitverschulden des K nach § 254 BGB. Hier müssen Sie alle Umstände des Falles in die Abwägung einfließen lassen und zu einem vertretbaren Ergebnis kommen. Folgendes kann Ihnen bei der Abwägung helfen:

-Abwägung Gefahr für Auto vs. Gefahr für eigenen Körper / Leben
-Wie hoch ist der voraussehbare Sachschaden am Auto?
-Welche Kleidungsstücke trug der Geschädigte? Inwiefern erhöhen sie die Gefahr einer eigenen Gesundheitsgefährdung?
-War die Situation leicht, überschaubar und einschätzbar?



RSS Feed abonnieren