Rechtsprechungsübersicht Zivilrecht 11.23: #DubistEinMann OLG Frankfurt a.M Beschluss. v. 26.09. 2023–Az. 16 U 95/23



Sachverhalt:


Die Klägerin A ist als Journalistin tätig. Sie ist Transfrau, Aktivistin und ist auf der Plattform„X“ aktiv. Dort veröffentlichte sie den Beitrag „Beim @Frauenrat tummeln sich gerade jede Menge #TERF #TERFs [Trans-Exclusionary Radical Feminism] in den Kommentaren.
Gebt dem Frauenrat doch mal ein wenig Support [...]“
Die Beklagte B kommentierte den Beitrag der Klägerin auf der Plattform „X“ mit„ [...] #DubistEinMann“.
Die Klägerin A begehrt von der Beklagten im Eilverfahren es zu unterlassen, sie als Mann zu bezeichnen.

Entscheidung:

1. Sowohl LG als auch OLG haben den Antrag der Klägerin zurückgewiesen.

2. Der Aussagegehalt der angegriffenen Äußerung sei „im Kontext mit dem sonstigen Inhalt des Tweets aus Sicht eines verständigen und unvoreingenommenen Lesers zu ermitteln.“

3. Die Aussage hinter dem Hashtag ist nicht gegen die Klägerin direkt gerichtet, sondern stellt eine verallgemeinernde, an jede Transfrau gerichtete Aussage dar. Hashtags werden zur Verschlagwortung und Indexierung von Inhalten gegenüber der Öffentlichkeit genutzt.

4. Somit liegt keine Schmähkritik, sondern eine Meinungsäußerung vor, die Beklagte will die Klägerin nicht losgelöst vom Inhalt des Posts und des damit verlinkten Beitragsherabwürdigen und diffamieren.

Bedeutung für die Klausur:

1. Der Beschluss stellt einen klassischen Fall der mittelbaren Drittwirkung von Grundrechten im Zivilrecht dar. Das Gericht wägt zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ab.

2. Das Persönlichkeitsrecht (APR) kennt drei Schutzsphären–Sozial-, Privat- und Intimsphäre. Stellt eine Person ein Thema innerhalb einer dieser Sphären durch eigene öffentliche Äußerung dar (sog. „Selbstöffnung“ oder „Selbstbegebung“), entfällt der Diskretionsschutz lediglich in dem Umfang, in dem der Betroffene die Sphäre konkret geöffnet hat. Der Umstand, dass sich die Klägerin bereits mehrfach über ihre Transsexualität in der Öffentlichkeit geäußert hat, hat hier Einfluss auf die Abwägung.

3. Die Aussage hinter dem Hashtag stellt eine Meinung dar, weil sie nicht gegen die Klägerin als solche gerichtet ist, sondern eine ablehnende Haltung zu dem verlinkten Artikel des Deutschen Frauenrates darstellt. Wichtig für die Einordnung im Gutachten ist eine fundierte Kenntnis von Art. 5 I GG.

4. (P) Wird eine solche Konstellation in der Klausur abgefragt, sind Wertungen aus dem öffentlichen Recht zu übertragen. Im Gutachten ist insbesondere im Hinblick auf die praktische Konkordanz der Grundrechte eine Abwägung vorzunehmen.


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