In unserem letzten Blogbeitrag zum Thema Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht haben Sie bereits gelernt, dass es einen Numerus Clausus an Verfahrensarten vor dem Bundesverfassungsgericht gibt, der in Art. 93 Abs. 1 GG katalogartig festgeschrieben ist.
Die meisten der dort gelisteten Streitverfahren sind staatsorganisationsrechtlicher Natur. Welche Verfahren dies sind, können Sie im genannten Beitrag nachlesen.

Heute soll es um die Verfassungsbeschwerde gehen. Diese hat eine Maßnahme der öffentlichen Staatsgewalt zum Gegenstand, die den sich zur Wehr setzenden Bürger möglicherweise in seinen grundgesetzlichen gewährten Rechte verletzt.

 

Was unterscheidet die Verfassungsbeschwerde von den restlichen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht?

Bei den meisten der Verfahren handelt es sich um solche im staatsorganisationsrechtlichen Sinne, das heißt im Mittelpunkt steht der Staat in seinem Innenverhältnis: Das betrifft seine Organe, deren Beziehung untereinander, deren Aufbau und wie sie im Einzelnen und in ihren Teilen funktionieren.
Bei einer Verfassungsbeschwerde hingegen tritt ein subjektives Element in den Vordergrund: Der Bürger wehrt sich gegen den Staat, es geht also im Kern um das Spannungverhältnis und das Machtgefälle zwischen Staatsmacht und dem einzelnen Bürger. So kann sich der Einzelne gegen staatliche Maßnahmen zur Wehr setzen, wenn er plausibel darlegt, dass die Möglichkeit einer Rechtsgutsverletzung bei ihm besteht. Hierzu kann er sich auf seine Grundrechte berufen, die ihm als subjektive Abwehrrechte gegen den Staat hierzu verhelfen.



Worum genau geht es bei der Verfassungsbeschwerde?

Worum es bei einer Verfassungsbeschwerde genau geht, regelt Art. 93 I Nr. 4a GG. Diese Regelung wird durch die §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BverfGG konkretisiert.
Danach kann jedermann mittels einer Verfassungsbeschwerde die Behauptung erheben, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4 GG, 33 , 38, 101, 103 und 104 GG enthaltenen Rechte verletzt zu sein.

 

Gegen welche Rechtsverletzungen ist die Verfassungsbeschwerde statthaft?

Art. 93 I Nr. 4a GG listet hierzu die Grundrechtsartikel auf, die die subjektiven Rechtspositionen verbürgen, bei deren Verletzung dem Bürger zur Abwehr die Verfassungsbeschwerde offen steht. Dort werden Grundrechte sowie Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG genannt.

Die Grundrechte sind in Art. 1 - 19 GG verankert. Diese sind subjektive Rechte des Bürgers gegen den Staat, s.o. Die restlichen der in Art. 93 I Nr. 4a GG genannten Grundrechtsartikel bezeichnen grundrechtsgleiche Rechte. Sie sind systematisch zwar nicht Teil des Grundrechtskatalogs des Ersten Abschnitts des Grundgesetzes, dennoch schreibt Art. 93 I Nr. 4a GG vor, dass gegen sie ebenfalls die Verfassungsbeschwerde zulässig sein soll.

Art. 20 Abs. 4 GG enthält das so genannte Widerstandrecht, d.h. jeder Deutsche hat das Recht, jedem, der es unternimmt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu gefährden, Widerstand zu leisten, sofern andere Abhilfe nicht möglich ist.

Art. 33 GG verbürgt die staatsbürgerlichen Gleichheitsrechte, wonach jeder Deutsche die gleichen Rechte und Pflichten und gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Ämtern hat, dies unabhängig von etwaigen religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnissen.

Art. 38 GG regelt das aktive und passive Wahlrecht, welches auch subjektiv dazu berechtigt, unter dort den dort beschriebenen Voraussetzungen zu wählen und gewählt zu werden.

Die verbleibenden grundrechtsgleichen Rechte sind Verfahrensrechte, die prozessuale Mindeststandards vor Gericht garantieren sollen.

So bestimmt Art. 101 GG, dass jedem das Recht auf einen gesetzlichen Richter garantiert ist. Das bedeutet: Ausnahmegerichte sind nicht gestattet und der Richter muss vorher bestimmt sein.

Art. 103 GG bietet jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör, d.h. das Gericht muss dem Beteiligten die Gelegenheit geben, angehört zu werden und zu den vorgebrachten Punkten der Gegenseite Stellung zu nehmen. Diese Äußerung muss das Gericht vollumfänglich in seine Entscheidung mit einbeziehen, also entsprechend würdigen.

 

Wie ist eine Verfassungsbeschwerde aufgebaut?

Es gibt Verfassungsbeschwerden gegen Rechtssätze und Verfassungsbeschwerden gegen Gerichtsurteile. Je nach dem, gegen welchen Gegenstand die Verfassungsbeschwerde gerichtet sind, variiert auch ihre Prüfung. Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass die Prüfung der Verfassungsbeschwerde sich in Zulässigkeit und Begründetheit untergliedert. In der Zulässigkeit werden die Zuständigkeit, Beschwerdefähigkeit, Prozessfähigkeit, der Beschwerdegegenstand, die Beschwerdebefugnis, ordnungsgemäße Antragstellung und das Rechtsschutzbedürfnis abgehandelt. In der Begründetheit wird sodann geprüft, ob der Beschwerdeführer durch die Entscheidung bzw. den Rechtssatz tatsächlich in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist. Dazu muss der Inhalt der Entscheidung in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, sie muss einen Eingriff in diesen Schutzbereich darstellen und dieser dürfte auch nicht gerechtfertigt sein.

Für weitere Unterstützung im Bereich Grundrechte sowie professioneller Hilfestellung bei der (äußerst examensrelevanten) Prüfung einer Verfassungsbeschwerde verweisen wir Sie gerne auf unser Unterrichtsangebot zur 1. Examensvorbereitung.

Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

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