Verwaltungsgericht Düsseldorf: AfD-Mitglieder können waffenrechtlich unzuverlässig sein

24.07.2024 | von Sander Singer


 

VG Düsseldorf, Urteil vom 19.06.2024 - 22 K 4836/23

Das Waffenrecht hat sich in den letzten Jahren zu einem beliebten Prüfungsgegenstand des 1. und 2. Examens entwickelt. Alle waffenrechtlichen Klausuren steuern letztlich auf die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG zu. Diese stellt immer den materiell- rechtlichen Prüfungsschwerpunkt dar.
Waffenrechtliche Klausuren haben fast immer einen aktuellen Fall aus der Rechtsprechung zum Gegenstand. Ein Dauerbrenner ist hier die fehlende Zuverlässigkeit von Zugehörigen der sog. Reichsbürger-Szene nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Gerade durch den derzeit anstehenden Gerichtsprozess um die Reichsübergruppe von Prinz Reuß ist vermehrt mit Klausuren und Fragen in mündlichen Prüfungen zu dieser Thematik zu rechnen.
Sehr aktuell ist auch die Frage nach der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit von (aktiven) Mitgliedern der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Grund genug, uns die diesbezügliche Entscheidung des VG Düsseldorfs einmal näher anzusehen.

Sachverhalt des Verwaltungsgerichts Düsseldorf

Der Kläger ist ein langjähriges Mitglied der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) und war in Nordrhein-Westfalen als stellvertretender Sprecher des AfD-Kreisverbandes tätig. Er besaß zahlreiche waffenrechtliche Erlaubnisse, darunter Waffenbesitzkarten und einen kleinen Waffenschein, die ihm als Sammler und Sportschütze ausgestellt worden waren. In seinen Waffenbesitzkarten waren insgesamt 197 Waffen eingetragen.
Im Jahr 2021 beantragte der Kläger mehrfach die Eintragung weiterer Schusswaffen in seine Waffenbesitzkarten. Zu dieser Zeit wurde die AfD vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft, was darauf hindeutet, dass die Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder unterstützen könnte. Auf dieser Grundlage leitete der Landrat des Kreises ein Widerrufsverfahren gegen den Kläger ein und entzog ihm im Juni 2023 sämtliche waffenrechtlichen Erlaubnisse per Ordnungsverfügung. Der Kläger wurde aufgefordert, seine Waffen innerhalb von drei Monaten abzugeben oder unbrauchbar zu machen, andernfalls drohte ihm ein Zwangsgeld von 250 Euro.
Der Kläger erhob Klage gegen diesen Bescheid und argumentierte, dass seine Mitgliedschaft in der AfD keine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffengesetzes (WaffG) begründe. Er verwies auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln – 13 K 326/21 sowie auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Sachsen- Anhalt vom 24. April 2023 – 3 M 13/23, die betonten, dass nicht die gesamte AfD verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolge und dass jeder Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis individuell betrachtet werden müsse. Zudem betonte der Kläger seine persönliche Verfassungstreue, da er als ehemaliger Bundesbeamter einen Diensteid auf das Grundgesetz abgelegt habe.

Wesentliche Aussagen: Afd-Mitglieder gelten als waffenrechtlich unzuverlässig

1. Die Anfechtungsklage ist unbegründet.
2. Der Widerruf der dem Kläger erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse des streitgegenständlichen Bescheids vom 26. Juni 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
3. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
4. Eine waffenrechtliche Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG jedenfalls voraus, dass der Antragssteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) besitzt. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit hatte der Kläger aber im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides verloren.

Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in der Klausur

1. Das aufgegriffene Urteil ist ein „Klassiker“ zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit in neuem Gewand. Zusätzlich werden verfassungsrechtliche Fragen der Gleichheit von Parteien aufgegriffen. Es eignet sich daher besonders gut für eine Examensklausur. Der Themenbereich der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ist dem Polizei- und Ordnungsrecht zuzuordnen und hat viele Schnittpunkte mit anderen Gesetzen, welche ein generelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt zusprechen und diese an eine Zuverlässigkeit des Bürgers knüpfen. Besonders hingewiesen wird insofern auf das Gaststättenrecht und die Landeshundegesetze.
2. Grundvoraussetzung für eine saubere Klausurbearbeitung ist, dass das Schema der Anfechtungsklage absolut einwandfrei sitzt. In dem Originalurteil wurde bereits eine teilweise Unstatthaftigkeit der Anfechtungsklage angenommen, soweit der Kläger gegen einen Teil des Bescheides vorgehen wollte, welcher nur den Gesetzeswortlaut wiedergegeben hat und somit keinen eigenen Regelungsgehalt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG hatte.
3. In der Rechtmäßigkeit des Bescheides prüft man den klassischen „Dreischritt“. Ermächtigungsgrundlage, formelle sowie materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes.
a) Die Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf der Waffenbesitzkarte des Klägers ist § 45 II S.1 WaffG. 
b) Formelle Aspekte wurden durch den Kläger nicht gerügt, allerdings kann hier durchaus die Zuständigkeit der Behörde sowie die Anhörung des Klägers ein Thema in der Klausur werden.
aa) Zur Auffindung der Zuständigkeiten hilft §§ 48, 49 WaffG weiter. Nach § 48 I WaffG erlässt jedes Bundesland eine eigene Durchführungsverordnung. Hier ist genau geregelt, welcher Behörde welche sachliche Zuständigkeit zukommt. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 49 WaffG.
bb) Die Anhörung muss nach § 28 I VwVfG erfolgen. Es ist auf etwaige Ausnahmetatbestände nach Abs.2 zu achten. 
c) Die materielle Rechtmäßigkeit gliedert sich nach dem Tatbestand des § 45 II S.1 WaffG. Hiernach ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn Umstände eintreten, die eine Erlaubnis nach § 4 WaffG ausschließen. Hier wird die Zuverlässigkeit nach § 4 I Nr. 2 WaffG relevant. Diese ist in § 5 WaffG geregelt.
aa) Das Verwaltungsgericht sieht hier den § 5 II Nr. 3 WaffG erfüllt. Dass die AfD als Verdachtsfall eingestuft wurde, genügt, um der Organisation tatsachenbasiert vorzuwerfen, dass sie sich gegen die in der Norm aufgeführten Grundsätze richtet:
„Die Bestrebungen müssen gegen die verfassungsmäßige Ordnung „gerichtet sein“. Hierfür reicht es nicht aus, dass die Vereinigung sich kritisch oder ablehnend gegen diese Grundsätze wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Anders als bei Art. 21 Abs. 2 GG, der fordert, dass eine Partei „darauf ausgeht“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beseitigen, muss im Rahmen des Tatbestandes des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG nicht bereits eine konkrete Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung eingetreten sein. Entscheidend ist, ob die Vereinigung als solche nach außen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber den elementaren Grundsätzen der Verfassung einnimmt. Dazu genügt, dass sie die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend untergraben will. Sie muss ihre Ziele hingegen nicht durch Gewaltanwendung oder sonstige Rechtsverletzungen zu verwirklichen suchen.
bb) Nach § 5 II Nr. 3 b) WaffG reicht bereits die bloße Mitgliedschaft in einer solchen Vereinigung aus. Es muss darüber hinaus kein individueller Nachweis einer solchen Betätigung erbracht werden.
cc) Die Auslegung des § 5 II Nr. 3 b) WaffG „verstößt insbesondere nicht gegen die verfassungsrechtlichen Schutzmechanismen in Bezug auf nicht verbotene Parteien. Das Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 21 Abs. 2, 4 GG schließt ein administratives Einschreiten gegen den Bestand einer politischen Partei schlechthin aus, mag sie sich gegenüber der freiheitlichen demokratischen Grundordnung noch so feindlich verhalten. Bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann deshalb niemand die Verfassungswidrigkeit einer Partei rechtlich geltend machen; das heißt, gegen die Partei, ihre Funktionäre, Mitglieder und Anhänger dürfen wegen ihrer mit allgemein erlaubten Mitteln arbeitenden parteioffiziellen Tätigkeiten keine rechtlichen Sanktionen angedroht oder verhängt werden. […] Die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds stellt jedoch kein administratives Einschreiten gegen den Bestand der AfD in diesem Sinne dar. Vielmehr handelt es sich um eine einzelfallbezogene Anwendung der Voraussetzung, die für die Erlaubnis zum Umgang mit Waffen, und damit zur Verfolgung einer privaten Freizeitbetätigung, vorliegen muss.“
dd) Aus dem Zweck des WaffG, die Allgemeinheit zu schützen, leitet sich auch her, dass bereits eine nicht abschließende Klärung der Zuverlässigkeit zu einer Verwehrung der Erlaubnis führen kann.

Fazit: AfD-Mitglieder sind waffenrechtlich unzuverlässig

Das Waffenrecht „brennt“. Der Prozess um den Reichsbürger Prinz Reuß sowie die hier dargestellte Frage der waffenrechtlichen Zulässigkeit von AfD-Mitgliedern, werden mit Garantie Gegenstand zukünftiger Examensklausuren werden. Wie immer gilt, dass nicht das Ergebnis, sondern ein präziser Aufbau der Prüfung sowie die saubere Arbeit mit Sachverhalt und Gesetz die Punkte bringen. Ein anderes Ergebnis ist - wie die gegenteilige Entscheidung OVG Sachsen-Anhalt, NVwZ 2023, 841 zeigt - durchaus möglich.
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Relevante Lerninhalte

  • Waffenrecht, insbesondere Zuverlässigkeit

Relevante Rechtsprechung

VG Düsseldorf, Urteil vom 19.06.2024 - 22 K 4836/23
OVG Sachsen-Anhalt, NVwZ 2023, 841

 

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