Was gilt allgemein - also auch jenseits der Rechtswissenschaft - als Kunst?

Der Begriff der Kunst kann nicht generell definiert werden. Wenn wir an Kunst denken, schweben uns zumeist Kunstmuseen, Ausstellungen, Gemälde und Skulpturen vor. Alles von uns als Kunst empfundene enthält eine starke kreative und individuelle Komponente des jeweiligen Künstlers. Wir dürfen privat das als Kunst bezeichnen, was in unseren Augen Kunst ist, ohne dass dies allgemeingültig ist. Aber dem Staat ist es verwehrt, Kunst zu definieren. Es darf kein Kunstrichtertum geben, bei dem eine staatliche Instanz darüber befindet, was Kunst sein darf und was nicht. So darf der Staat sich selbst nicht dazu aufschwingen, Kunst von Nicht-Kunst zu differenzieren und Vorgaben für Formen der Kunst zu machen oder ein Niveau für die Kunst zu bestimmen. Trotzdem muss zu rechtlichen Zwecken, nämlich damit die Kunstfreiheit tatsächlich praktikabel gemacht wird, die Kunst irgendeine Definition erfahren, mit der in der Rechtsanwendung und Justiz gearbeitet werden kann. Dafür wurden die weiter unten angeführten verschiedenen Kunstbegriffe entwickelt.



Wieso ist die Kunst bzw. die künstlerische Betätigung grundrechtlich geschützt?

In Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG werden die Kunstfreiheit und die Wissenschaftsfreiheit gewährleistet. Wissenschaft ist jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch der Wahrheitsermittlung anzusehen ist. Die Kunstfreiheit soll die individuellen Ausdrucksformen der Menschen schützen. Der Einzelne soll seine schöpferische Kraft ausleben dürfen. Auch für die geistig-kommunikative Persönlichkeit des Einzelnen ist die Kunstfreiheit von grundlegender Bedeutung.



Welche Kunstbegriffe gibt es in der Rechtswissenschaft?

 

1) Formeller Kunstbegriff

Der formelle Kunstbegriff sieht vor, dass Kunst alles sei, was sich einer bestimmten Kunstform zuordnen lässt, bspw. Malerei, Bildhauerei oder Theater. Auch Mischformen sollen darunterfallen.

 

2) Materieller Kunstbegriff

Das BVerfG hat den materiellen Kunstbegriff entwickelt. Nach diesem ist Kunst die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden.

 

3) Offener Kunstbegriff

Nach herrschender Meinung ist ein offener Kunstbegriff anzulegen. Der offene Kunstbegriff sieht das kennzeichnende Merkmal einer künstlerischen Äußerung darin, dass es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiter reichende Bedeutungen zu entnehmen, so dass sich eine praktische unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt.

 

4) Lehre von der Drittanerkennung

Danach erfasst Kunst das, was ein sachverständiger Dritter aus Kunst bezeichnen würde.



Welcher Definition von Kunst ist zu folgen?

Der formale Kunstbegriff ist für die heutige Vielfalt an vorzufindener künstlerischer Ausdruckformen zu eng. So werden moderne Werktypen, die als neue Formen der Kunst entwickelt werden, nicht erfasst. Zudem soll der Begriff der Kunst nicht davon abhängen, ob ein bestimmter Werktyp vorliegt. Vielmehr spielen andere Komponenten wie die sich eröffnenden Deutungsmöglichkeiten eine Rolle, die dem Geschaffenen die Kunstqualität geben können.

Das Bundesverfassungsgericht hat den materiellen Kunstbegriff etabliert, dieser kommt allerdings eher einer Beschreibung als einer Definition nahe. 

Der offene Kunstbegriff ist zwar sehr weit. Als Argument für diesen offenen Kunstbegriff wird die Vermeidung von staatlichem Kunstrichtertum angeführt. Es solle vermieden werden, dass der Staat zwischen guter und schlechter Kunst unterscheide oder gar von entarteter Kunst spreche. Auf diesen weiten Kunstbegriff könne eine Korrektur in der Verhältnismäßigkeit folgen.


Ihr Team der Akademie Kraatz und der Assessor Akademie

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